Wissenenswertes

Das allgemeine Strahlenrisiko

Karl-Heinz Szeifert 17 Jun, 2019 00:00

Als Strahlenrisiko bezeichnet man die Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, die ionisierender oder anderer energiereicher Strahlung ausgesetzt wurde, an den Folgen dieser zusätzlichen Strahlenbelastung erkrankt oder stirbt...

...Häufig bezieht man sich bei diesem Strahlenschaden auf Krebs als Folgeerkrankung, der durch zivilisatorische und natürliche Strahlenexposition hervorgerufen werden kann.

Als Strahlenrisiko bezeichnet man die Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, die ionisierender oder anderer energiereicher Strahlung ausgesetzt wurde, an den Folgen dieser zusätzlichen Strahlenbelastung erkrankt oder stirbt.

Häufig bezieht man sich bei diesem Strahlenschaden auf Krebs als Folgeerkrankung, der durch zivilisatorische und natürliche Strahlenexposition hervorgerufen werden kann.

Die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) gibt folgende Berechnungsformel für den Risikofaktor R (von nicht beruflich strahlenexponierten Personen) an:

Wenn 100 Menschen einer zusätzlichen Äquivalentdosis von 1 Sievert ausgesetzt sind, dann ist in 5 Fällen mit Strahlungsinduziertem Krebs zu rechnen. Dieser Zusammenhang gilt pro Sievert, d. h. bei einer Äquivalentdosis von 2 Sievert ist demnach das Krebsrisiko um 10 Prozentpunkte erhöht etc.

Dabei ist zu beachten, dass verschiedene Fälle von Krebs klinisch nicht danach unterscheidbar sind, ob sie durch chemische Einflüsse, durch Viren oder durch Strahlung verursacht wurden oder spontan aufgetreten sind. Auch DNA-Veränderungen, die durch Strahleneinwirkung verursacht werden, können ebenso „spontan“ auftreten. Daher ist bei einer Einzelperson ein kausaler Zusammenhang von Strahlenexposition und klinisch manifester Krebserkrankung prinzipiell nicht nachweisbar, eine signifikante Risikoaussage ist stets nur für ein großes Kollektiv möglich − und das auch nur dann, wenn andere Ursachen für eine Erhöhung der Krebsrate ausgeschlossen werden konnten.

Die Anzahl der strahleninduzierten Tumorfälle abhängig von der Organdosis lässt sich durch eine lineare Funktion beschreiben (je höher die Dosis, desto mehr Krebsfälle), wobei aber große Fehlergrenzen zu beachten sind. Weiteres Problem ist, dass Strahlendosen erst ab etwa 200 mSv statistisch von Null verschieden sind und somit die Frage ist, ob die Dosisabhängigkeit wirklich linear bis zum Nullpunkt verläuft, ohne einen Schwellenwert. Ob sehr kleine Dosen schädliche Effekte haben oder es einer gewissen Schwellendosis bedarf, bevor diese auftreten, ist unklar, weil die meisten Studien auf Befunden aus Expositionen mit mittlerer bis hoher Dosis beruhen. Einige Wissenschaftler sind sogar der Meinung, geringe Strahlendosen haben positive Effekte (Hormesis), eine wissenschaftliche Untermauerung dieser These mittels methodisch korrekter Studien steht aber aus.

Nimmt man eine lineare Abhängigkeit zwischen Dosis und Mortalität an, erhält man je eine Gerade für Leukämie und Krebs. Bei einer Dosis von 2 Sv gibt es 5 zusätzliche Leukämiefälle und 20 zusätzliche Krebsfälle pro 10 000 Personen und Jahr. Die Steigung der Geraden in der Dosis-Wirkungs-Beziehung entspricht dem Risikokoeffizienten, das Risiko (mit der Einheit Tote pro Jahr) ist also Koeffizient mal Dosis.

In ihrer Empfehlung von 1990 schätzt die ICRP das zusätzliche individuelle Lebenszeit-Krebsmortalitätsrisiko durch ionisierende Strahlung bei Ganzkörperexposition mit niedriger Einzeldosis auf insgesamt 5 % pro Sv. Bestrahlt man also 100 Personen mit einer Dosis von 1 Sv, sterben 5 davon im Laufe ihres Lebens wahrscheinlich an Krebs. Der Koeffizient ist die Summe einzelner Organkoeffizienten (z. B. rotes Knochenmark: 0,5 % Sv-1; Lunge 0,85 % Sv-1; Dickdarm 0,85 % Sv-1; Magen 0,7 % Sv-1; Brust 0,6 % Sv-1).

Beispiele zur Risikoberechnung

Das Risiko, in Deutschland an einer durch natürliche Strahlenquellen (siehe Tabelle im Artikel Strahlenbelastung) verursachten Krebserkrankung zu sterben, berechnet sich so:

„Risiko“ = Risikofaktor R × Dosis H × Personenzahl = 5·10-2 Sv-1 × 2,1·10-3 Sv × 80·106 Menschen.

Dabei ist die Empfehlung der ICRP von 1990 benutzt worden. Mit dieser Formel kann man also abschätzen, dass etwa 8400 Krebstote pro Jahr und damit etwa 3% aller ca. 220.000 Krebstoten pro Jahr in Deutschland auf die durchschnittliche natürliche Hintergrundstrahlung zurückgeführt werden können. Zu beachten ist natürlich, dass die tatsächlichen mittleren Dosiswerte weit geringer, regional verschieden sind und auch von der individuellen Lebensführung stark abhängen (z.B. Ernährung, Reisen). Wenn man den Risikofaktor linear auf kleinere Dosiswerte extrapoliert (was umstritten ist) ergibt sich, dass bei einem Anstieg der Strahlenbelastung um 1 mSv (50% der natürlichen Dosis), mit 5 zusätzlichen Krebstoten pro 100.000 Personen zu rechnen wäre. Das wäre aber nur ein Anstieg der allgemeinen Krebsmortalität von derzeit 25% auf 25,005%. Solche Anstiege sind epidemiologisch nicht nachweisbar.

Der medizinische Beitrag zur Strahlenexposition besteht zu 90% aus der Anwendung der Röntgendiagnostik und 10% aus Strahlentherapie und Nuklearmedizin. 50% aller Röntgenuntersuchungen werden an über 65-jährigen Patienten durchgeführt, die eine Krebserkrankung aufgrund der Latenzzeit wahrscheinlich gar nicht erleiden müssen.

Das individuelle Risiko soll an einer Brustkorbaufnahme mittels Röntgenstrahlen einer Organdosis von 0,3 mSv und einer Gesamtkörperdosis von 0,2 mSv verdeutlicht werden.

  • Lungenkrebsrisiko = Organdosis × organbezogener Risikokoeffizient = 0,3·10-3 Sv × 0,85·10-2 Sv-1 = 2,5·10-6. Das ist ein Risiko von 1 zu 400 000.
  • Gesamtkrebsrisiko = Effektive Dosis × Risikokoeffizient = 0,2·10-3 Sv × 5·10-2 Sv-1 = 10-5. Das ist ein Risiko von 1 zu 100 000.

Zum Vergleich: Das Risiko, in Deutschland an Krebs zu erkranken (egal, wodurch hervorgerufen), beträgt etwa 25 %. Je nach Lebensweise und Lebensraum schwankt der Wert zwischen 20 und 30 %.

Im gewissen Ausmaß trägt also jeder Sorge für sein individuelles Risiko; durch Verzicht auf lange Flugreisen oder Drogen wie Alkohol und Zigaretten sowie Wahl des Wohnortes lässt es sich entsprechend verringern.

Unabhängig von den durch Gremien aufgestellten Risikobewertungen ist es Aufgabe des Strahlenschutzes, das Risiko für die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten. Als Grundprinzip gilt, jede unnötige Strahlenexposition zu vermeiden (ALARA). Lässt sich eine Bestrahlung nicht vermeiden, soll die Dosis möglichst klein und verhältnismäßig sein.

Als Regelung für nichtnatürliche Strahlen (pro Person, Ganzkörperdosis) gilt in Deutschland (laut BfS, 2001): Die Gesamtbevölkerung darf maximal 1 mSv pro Jahr ausgesetzt sein. Beruflich strahlenexponierte Personen dürfen maximal 20 mSv pro Jahr bzw. 400 mSv pro Lebensarbeitszeit erhalten. Für Patienten in einer Strahlentherapie gibt es keinen Grenzwert, aber stets muss der Nutzen höher wiegen als das Risiko.


Quelle: Die obige Beschreibung stammt teilweise aus dem Wikipedia-Artikel “Strahlenrisiko”, lizenziert gemäß CC-BY-SA. Eine vollständige Liste der Autoren befindet sich hier.

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