Digitale Radiographie

Der Dosisindikator

Karl-Heinz Szeifert 25 Jun, 2018 00:00

Die Etablierung digitaler Röntgenverfahren hat zu einem veränderten Umgang mit der Strahlendosis geführt. Dieser Umgang ist allerdings noch verbesserungswürdig.

Hersteller, Arztpraxen und Krankenhäuser werben heute häufig mit dem niedrigeren Dosisbedarf ihrer neuen digitalen Röntgenanlagen.

Aber ist das auch immer so der Fall?

Zu Zeiten der analogen Röntgentechnik war das alles relativ klar. Bei überbelichteten Aufnahmen war der Film zu dunkel – bei unterbelichteten Aufnahmen war der Film zu hell. Man musste exakt auf die vorgegebene Film-Folien-Empfindlichkeit belichten, um ein brauchbares Röntgenbild zu erhalten. War das nicht der Fall, wusste jeder sofort, dass mit der Aufnahme etwas schief gelaufen war. Lag dies an einem technischen Defekt, z.B.: weil die Belichtungsautomatik defekt war, musste man das Röntgen einstellen oder alle Aufnahmen frei belichten. Insofern war das ein sich selbst regulierendes System.

Digital ist das jetzt ganz anders. Selbst stark überbelichtete Aufnahmen, wie sie entstehen können, wenn zum Beispiel die Belichtungsautomatik versagt und die Strahlung erst durch die Grenzwertabschaltung (Abschaltautomatik) beendet wird, sind brauchbar und von bester Qualität. Lediglich bei stark unterbelichteten Aufnahmen kommt es zunehmend zu einer Bildverschlechterung durch ein Rauschen.

In der Digitaltechnik gibt es keine Über- oder Unterbelichtung mehr, sondern die Bilder werden mit einer immer gleichbleibenden Helligkeit im mittleren Grauwert geliefert. „Aufgrund der Signalnormierung ist nicht sofort feststellbar, ob die notwendige oder sogar eine überproportionierte Strahlendosis appliziert wurde.

Folglich ist es auch mit dieser fortgeschrittenen digitalen Technik nicht immer gewährleistet, dass man für ein und dieselbe Röntgen-Untersuchung mit mehr oder weniger derselben Dosis rechnen kann.

Während man bei einem Arzneimittel im Großen und Ganzen davon ausgehen kann, dass man beim niedergelassenen Arzt oder im Krankenhaus gleich behandelt wird, kann man das vom Röntgen und der damit verbundenen Strahlendosis leider nicht behaupten. Niemand kann garantieren, dass man bei derselben Fragestellung dieselbe Dosis abbekommt.

In Wirklichkeit wird beim digitalen völlig uneinheitlich gearbeitet. Gerne macht man sich es dann einfach und gibt lieber ein bisschen nehr Dosis - nach dem Motto:

„Darf´s auch ein bisschen mehr sein? - oder "Zur Sicherheit ein wenig mehr! - Es gibt ja keine zu dunkle oder schwarzen Aufnahmen mehr und unterbelichtete Aufnahmen verlieren durch Bildrauschen an Qualität.

Das ist allerdings dann schon eine grobe und unverantwortliche Missachtung des ALARA-Prinzips das die Röntgenverordnung in ihren Strahlenschutzgrundsätzen fordert und stellt eine Ordnungswidrigkeit gemäß der RöV dar, die natürlich auch sanktioniert werden kann.

Und wer jetzt glauben sollte: „Das kriegt ja doch keiner raus“, der irrt: Wenn es darauf ankommt, wird man es rausbekommen." Man muss dazu nur im DICOM-Header nachschauen. Darin sind nämlich alle Bildinformationen gespeichert – unter anderem auch der Dosisindikator.

Dieser Dosisindikator wird zu jeder Aufnahme automatisch erstellt und gespeichert und bietet Hilfestellung dabei, die Dosierung einer bestimmten Untersuchung einzuschätzen und sie mit den Werten der Empfindlichkeitsklassen der früheren Filmfolienkombinationen vergleichen zu können. (Siehe Tabelle.)

Beispiel:

Ein Thorax bei Fuji hat einen S-Wert von 800 wenn die Detektordosis 2,5 µGy beträgt, das entspricht dann - entsprechend der nebenstehenden Tabelle - der Empfindlichkeitsklasse 400.

Leider sind die Dosisindikatoren – wie aus der abgebildeten Tabelle ersichtlich - bei uns nicht standardisiert. - Sowohl Bezeichnung als auch die Größenordnung der Werte sind von Hersteller zu Hersteller different.

Aber immerhin geben sie einen Hinweis darauf, ob die Dosis zu hoch oder zu niedrig gewesen war. Verantwortlich für den Fall, dass der Dosisindikator Werte außerhalb der Standardwerte etablierter Protokolle anzeigt, sind letztendlich immer die anwendenden fachkundigen Ärzte, die die rechtfertigende Indikation stellen, sowie die MTRA`s die die Röntgenanwendung eigenverantwortlich technisch durchführen.

Der Dosisindikator ist ein vom digitalen Bildempfängersystem zu jedem Bild angegebener herstellerspezifischer Wert, der unter gleichen Aufnahmebedingungen mit der Bildempfängerdosis korreliert. In der digitalen Radiographie gibt es bei automatischer Signalnormierung keinen Zusammenhang mehr zwischen Bildempfängerdosis und optischer Dichte des Films bzw. Leuchtdichte des Bildwiedergabegeräts.

Der Dosisindikator soll daher dem Anwender des Systems auch die Möglichkeit geben, Rückschlüsse auf die für ein Bild verwendete Dosis zu erhalten.

Der Dosisindikator ist im DICOM-Header gespeichert und sollte genauso wie Patientenname und Zeitpunkt der Aufnahme auch für den Befunder sichtbar auf dem Bildwiedergabegerät angezeigt werden. Das ist zwar noch keine Vorschrift, aber immer machbar und sehr empfehlenswert.

Im nationalen und internationalen Rahmen wird zurzeit an einer Vereinheitlichung der Anforderungen für den Dosisindikator gearbeitet.

Auch eine falsche Menüauswahl (z.B. Thorax seitlich statt Thorax pa) hat direkten Einfluss, nicht nur auf die Qualität der Bilder, sondern auch auf die Dosis. Aber auch diese Daten sind im DICOM-Header gespeichert und könnten im Falle falsch gewählter Einstellungen natürlich ebenfalls nachgesehen werden und rechtliche Folgen haben.

Ein großer Vorteil der digitalen Technik dagegen ist, dass wir jetzt aber auch immer die Möglichkeit haben, unsere Dosis an die Fragestellungen anzupassen - sie auch reduzieren können und so in vielen Fällen Aufnahmen mit deutlich geringerer Dosis anfertigen können.

Bei der analogen Technik mit Film, musste die Dosis auf die verwendete Film-Folien-Kombination angepasst werden. Eine zu geringe Dosis hätte den Film nicht ausreichend belichtet – er wäre zu hell geworden.

Dies ist mit digitaler Technik nicht mehr so und sollte - ja muss jetzt auch genutzt werden. Das fordert die RöV schon im ersten Abschnitt den Strahlenschutzgrundsätzen:

RöV § 2c Vermeidung unnötiger Strahlenexposition und Dosisreduzierung

  • Wer eine Tätigkeit nach dieser Verordnung plant, ausübt oder ausüben lässt, ist verpflichtet, jede unnötige Strahlenexposition von Mensch und Umwelt zu vermeiden.
  • Wer eine Tätigkeit nach dieser Verordnung plant, ausübt oder ausüben lässt, ist verpflichtet, jede Strahlenexposition von Mensch und Umwelt unter Beachtung des Standes der Technik und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auch unterhalb der Grenzwerte so gering wie möglich zu halten.

Demnach sollte die optimale Dosis einer Röntgenuntersuchung sich immer nach dem ALARA-Prinzip („as low as reasonably archivable“) richten.

Voraussetzung dafür ist aber unbedingt die Kenntnis der Fragestellung und die rechtfertigende Indikation nach §23 RöV, die zuvor von einem fachkundigen Arzt erstellt wurde.

Das ist aber leider nicht immer der Fall!

Der Übergang zum digitalen Röntgen hat sogar zu einem "Dose Creep“, einer schleichenden Zunahme der Strahlendosis geführt. Das wurde schon 1993 beschrieben. An potenziellen Ursachen für den Dose Creep kommen ganz unterschiedliche Faktoren in Frage:

  • Fehlendes Verständnis des Gebrauchs des digitalen Geräts
  • Das Vermögen der digitalen Technik, auch aus überbelichteten Aufnahmen noch gute Bilder zu machen
  • Unkenntnis der Bedeutung von Dosisindikatoren
  • Desinteresse für die Gesundheit des Patienten
  • Wiederholte Beschwerden des Radiologen über verrauschte Bilder

Um einen Optimierungsprozess einleiten zu können, muss die MTRA unbedingt die Dosisindikator-Werte, die sie bekommt, interpretieren können.

Wenn das nicht hilft, muss mit geeigneten Schulungen Abhilfe geschaffen werden und wenn auch das nicht zum Erfolg führt, eventuell sogar disziplinarische Maßnahmen eingeleitet werden. Auch eine gute Kommunikation zwischen Arzt, der die rechtfertigende Indikation stellt und der technisch durchführenden MTRA´s sind da natürlich sehr hilfreich. Nur so kann MTRA eine fragestellungsabhängige Dosierung wählen und so dem ALARA-Prinzip gerecht werden.

Denn so manche Fragestellung kann problemlos auch mit einem dosisarmen und einem etwas rauschigerem Bild beantwortet werden.

Dabei dürfte hilfreich sein, dass die Hersteller sich derzeit bemühen, einen einheitlichen Dosisindikator zu initiieren und flächendeckend einzuführen, was in Zukunft insbesondere Geräteumstellungen erleichtern wird.

Nur zu welchem Zeitpunkt das eintritt? Darüber kann man nur spekulieren!


Quellen:

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Kommentare

Röntgentechniker vor 5 Jahre

Guten Tag,

Ich verstehe nicht, wie man bei einer rasant sich ändernden Technologie, wie dem digitalen Röntgen, Quellen aus dem Jahr 2006 zitieren kann.

Bereits im 2008 wurde der Entwurf zur DIN EN 62494-1 festgelegt, welche einen herstellerübergreifenden Dosisindikator beschreibt. Der grosse Vorteil am Exposure Index EI: er ist dosisproportional (!) und geteilt durch 100 ergibt er den Wert in Micro-Gray. Zudem hält sich der Deviation Index an das bekannte Belichtungspunktesystem. Eine gute Übersicht dazu findet man unter folgendem Link:
https://www.apt.drg.de/media/document/1399/APT-2009-Fiebich-Dosisindikatoren.pdf

Folgende Hersteller haben meines Wissens das System mit EI, TEI und DI bereits erfolgreich umgesetzt und implementiert: AGFA, GE, Fuji, Carestream

z.B, bei GE: ttp://www3.gehealthcare.ru/~/media/documents/russia/products/radiography/brochure/fixed/gehc_radiography-discovery-xr656_detector-exposure-indicator.pdf?Parent=%7BB5EB9550-6D39-4C3A-BB3B-C84C1F67A8B2%7D

Des weiteren sieht man hier, dass der Standard auch im DICOM aufgenommen wurde:
ftp://medical.nema.org/medical/dicom/final/cp1024_ft.pdf

Im DICOM-Header sind das folgende Einträge: Exposure Index (0018,1411), Target Exposure Index (0018,1412) und Deviation Index (0018,1413)

Gerne bin ich bereit eine erläuternde Übersicht auf einem A4-PDF bei Anfragen zuzuschicken.