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Röntgen-Kontrastmittel können Nieren schädigen

rockpop 7 Jun, 2018 00:00

Kontrastmittel, die beim Röntgen eingesetzt werden, können gefährlich sein. Denn sie können die Funktion der Nieren verschlechtern. Gefährdet sind besonders Patienten, deren Nieren bereits vorgeschädigt sind.

Das kann beispielsweise bei Menschen mit Bluthochdruck der Fall sein. Nach der Gabe von Kontrastmitteln kann sich eine sogenannte kontrastmittel-induzierte Nierenschädigung („KIN“ für kontrastmittel-induzierte Nephropathie) entwickeln.
Als Kontrastmittelinduziertes Nierenversagen wird in der Medizin ein akutes Nierenversagen nach der Anwendung von Röntgenkontrastmitteln bezeichnet. Als Ursache des kontrastmittelinduzierten Nierenversagens werden eine direkte toxische Schädigung der Nierentubuluszellen durch das Kontrastmittel aber auch eine Verengung der Nierengefäße (Vasokonstriktion), die zu einer Abnahme der Sauerstoffversorgung im Nierenmark führt, diskutiert.

Das Risiko eines Kontrastmittelinduzierten Nierenversagens ist bei einigen Patientengruppen besonders erhöht; die Inzidenz beträgt in diesen Gruppen je nach Studie 1 - 45 %.

Hierzu zählen:

  • Patienten mit vorbestehender Nierenfunktionseinschränkung (das Risiko steigt mit zunehmender Niereninsuffizienz),
  • Patienten mit diabetischer Nephropathie,
  • Patienten mit verminderter Durchblutung der Nieren, z. B. infolge eines Volumenmangels (Hypovolämie) oder einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz),
  • Patienten mit Multiplem Myelom,
  • Patienten, denen große Kontrastmittelmengen appliziert werden mussten.
Ausscheidungsurographie (AUG)
Die Abnahme der Nierenfunktion äußert sich meist in einem Anstieg des Serum-Kreatinins 12 bis 24 Stunden nach Gabe des Kontrastmittels. Eine Abnahme der Urinmenge (Oligurie) ist in der Regel nicht zu beobachten. Meist ist der Abfall der Nierenfunktion vorübergehend. Nur in seltenen Fällen kann eine Dialysebehandlung erforderlich werden, meist dann, wenn zum Zeitpunkt der Kontrastmittelgabe bereits eine erhebliche Einschränkung der Nierenfunktion bestand.

Eine optimale Behandlung des kontrastmittelinduzierten Nierenversagens ist nicht bekannt. Bei Patienten mit normaler Nierenfunktion oder milder Nierenfunktionseinschränkung ist das Risiko gering (Inzidenz < 1–2 %). Es sollte lediglich ein Volumenmangel zum Zeitpunkt der Untersuchung vermieden werden. Bei moderater oder schwerer Nierenfunktionseinschränkung (Serum-Kreatinin >1,5 mg/dl beziehungsweise glomeruläre Filtrationsrate

Im besten belegt ist der Nutzen einer prophylaktischen intravenösen Flüssigkeitszufuhr. Trotz einer Vielzahl von Studien konnte bislang nicht geklärt werden, ob isotone Bicarbonatlösung einer physiologischer Kochsalzlösung überlegen ist. Die ursprünglich benutzte Halbelektrolytlösung ist dagegen nicht mehr gebräuchlich. Gebräuchliche Therapieschemata sind z. B.:

  • Isotone Bicarbonatlösung (150 ml Natriumbicarbonat 1 meq/ml, ad 850 ml Glukose 5 %), 3 ml/kg eine Stunde vor der Untersuchung und 1 ml/kg/Stunde über 6 Stunden nach dem Eingriff.
  • Physiologische Kochsalzlösung 1 ml/kg/Stunde, Beginn mindestens 2 Stunden, besser 6–12 Stunden vor der Untersuchung bis 6–12 Stunden nach der Untersuchung.
  • Je stärker die Nierenfunktionseinschränkung, desto länger sollte die Flüssigkeitsgabe erfolgen.
  • Verzicht auf hoch-osmolare Kontrastmittel, nach Möglichkeit Verwendung niedrig-osmolarer Kontrastmittel. Der zusätzliche Nutzen iso-osmolarer Kontrastmittel ist umstritten.
  • Gabe einer möglichst geringen Menge an Kontrastmittel
  • Vermeidung wiederholter Kontrastmittelgaben innerhalb von 48 Stunden
  • Ausgleich eines Volumenmangels durch Flüssigkeitszufuhr
  • Vermeidung der gleichzeitige Gabe von nierenschädigenden Medikamenten wie zum Beispiel nichtsteroidaler Antiphlogistika, zu denen die am weitesten verbreiteten Schmerzmedikamente (Diclofenac, Ibuprofen u. ä.) gehören.
  • Die Gabe von Acetylcystein ist umstritten. Während einige wenige Studien eine hohe Wirksamkeit der Acetylcystein-Prophylaxe fanden, zeigte sich in der Mehrzahl der Untersuchungen kein signifikanter Effekt. Es werden jeweils 2 x 600 mg bis 2 x 1200 mg am Tag vor der Untersuchung und am Untersuchungstag gegeben. Für die Gabe von Acetylcystein sprechen die geringen Nebenwirkungen und der niedrige Preis.
  • Einen ungünstigen Effekt haben Furosemid und Mannitol.
  • Eine prophylaktische Dialysebehandlung wird derzeit nicht empfohlen.

Bei Patienten mit kontrastmittelinduziertem Nierenversagen ist im weiteren Verlauf die Sterblichkeit (Mortalität) erhöht. Es ist nicht geklärt, ob die erhöhte Mortalität auf das kontrastmittelinduzierte Nierenversagen zurückzuführen ist, oder darauf, dass bei Risikopatienten Häufigkeit von kontrastmittelinduziertem Nierenversagen und Mortalität gleichzeitig erhöht sind.

Inwiefern sich die Zahl der KIN-Fälle senken lässt, indem man die Nieren auf eine kommende Durchblutungsstörung vorbereitet – in der Fachsprache Präkonditionierung genannt – ist Gegenstand einer von der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) geförderten Forschungsarbeit des Kardiologen PD Dr. med. Fikret Er der Klinik III für Innere Medizin am Herzzentrum des Universitätsklinikums Köln. Die Studie mit dem Titel „Ischämische Präkonditionierung zur Verhinderung der Kontrastmittel-induzierten Nephropathie“ untersucht, ob die Präkonditionierung bei Patienten mit vorgeschädigten Nieren, denen eine Herzkatheteruntersuchung bevorsteht, vor einem Kontrastmittelschaden schützt. Die Arbeit wurde in Düsseldorf Anfang Oktober mit dem August Wilhelm und Lieselotte Becht-Forschungspreis für das Jahr 2011 ausgezeichnet. Der mit 15 000 Euro dotierte Preis wird alljährlich von der DSHF für herausragende Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der patientennahen Herz-Kreislauf-Forschung vergeben.

Eine Erklärung, warum es zu dieser vorteilhaften Wirkung kommt, ist noch Gegenstand der Forschung. Die Präkonditionierung wird am einfachsten mittels einer Oberarmblutdruck-Manschette durchgeführt. Hierzu wird die Durchblutung des Arms durch Aufblasen der Manschette für 5 Minuten unterbrochen. Dieser Vorgang wird mehrfach wiederholt. In einer randomisierten, prospektiven Studie sind 100 Patienten (71 Männer, 29 Frauen) mit eingeschränkter Nierenfunktion untersucht worden, bei denen eine Herzkatheteruntersuchung (elektive Koronarangiographie) mit Kontrastmittelgabe durchgeführt wurde. Bei 50 Patienten wurde eine Präkonditionierung durchgeführt, 50 Patienten wurden nicht mit einer Präkonditionierung vorbehandelt. Es galt herauszufinden, ob die Anzahl der KIN-Fälle durch die Präkonditionierung gesenkt werden kann. Tatsächlich entstand ein kontrastmittelbedingter Nierenschaden bei 6 Patienten (12%) mit Präkonditionierung und 20 Patienten (40%) ohne Präkonditionierung (p=0,002).
Das Fazit der Studie: „Durch eine Präkonditionierung vor Kontrastmittelgabe lassen sich die Folgen der Kontrastmittelgabe auf die Nieren deutlich reduzieren, zumindest bei Patienten mit bereits eingeschränkter Nierenfunktion“

Quellen:

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