Glowing in the Dark

Radium Girls und die Farbe UNDARK

Karl-Heinz Szeifert 22 Jun, 2018 00:00

Die Radium Girls waren eine Gruppe von weiblichen Fabrikarbeitern, die sich durch ihre Arbeit eine Strahlenvergiftung zugezogen haben. Ihre Aufgabe war das Bemalen von Ziffernblättern von Uhren mit  Leuchtfarbe für die United States Radium Corporation in Orange (New Jersey) ab dem Jahre 1917.

Die Leuchtfarbe mit dem Namen "Undark" wurde im Jahr 1915 von Dr. Sabin von Sochocky erfunden.

„Undark“ war eine Mischung von Kleber, Wasser und Radiumpulver. Neben Ziffernblättern von Uhren wurden auch Lichtschalter, Puppenaugen, Fischköder, Kompasse, aeronautische Instrumente, Hausnummern und Nummern von Theatersitzen mit ihr bemalt.

In der Radiumfabrik

Bis 1926 betrieb die Firma eine Anlage zur Konzentration von Radium um unter anderem diese Leuchtfarbe herzustellen.

Über 100 Arbeiter, hauptsächlich junge Frauen und Mädchen ab 12 Jahren waren damit beschäftigt Millionen Uhren und Instrumente damit zu bemalen, die dann dank ihrer dünnen Radiumschicht fröhlich im dunkeln leuchteten. Feine Kamelhaarpinsel wurden benutzt um die Ziffern auf die Uhren aufzutragen. Der Lohn betrug etwa 1,5 Penny pro Uhr. Eine Arbeiterin schaffte um die 250 Uhren am Tag.

Die Pinsel verloren nach wenigen Strichen an Form, daher empfahlen die Vorarbeiter den Arbeiterinnen, die Pinsel mit der Zunge und den Lippen wieder zu spitzen. Daneben spielten die jungen Damen natürlich auch noch mit der Farbe und bemalten sich Fingernägel, Zähne und Gesichter, zur Überraschung ihrer Mitmenschen bei Nacht.

Jung Frau beim Ziffern malenl

Doch unter den jungen Arbeiterinnen häufen sich bald Erkrankungen und Todesfälle. Untersuchungen kommen in Gang und enthüllen schaurige Arbeitsbedingungen. Haare, Gesichter und Kleider der Frauen leuchten im Dunkeln wie ein Weihnachtsbaum. Und sie haben alarmierende Blutbilder, klagen über Menstruationsbeschwerden, Müdigkeit , Depressionen. Knochenbrüche und Kiefernekrosen sind weitere Folgen. Die Diagnostik mittels Röntgengeräte dürften zudem zur Verschlimmerung beigetragen haben.

Die Firma verneinte jeden Zusammenhang zwischen der Erkrankung der Arbeiter und dem Radium. Eine Zeit lang hielten die beteiligten Zahnärzte, Ärzte und andere Wissenschaftler auf Druck der Firma ihre Daten zurück. Pathologen wurden unter Druck gesetzt, den Tod der Arbeiter auf andere Ursachen - zum Beispiel Syphilis - zurückzuführen.

Obwohl bereits zu damaliger Zeit die Gefährlichkeit von Radium und anderen radioaktiven Materialen durchaus bekannt war, ignorierte man dies großzügig. Die Chemiker näherten sich dem Radium zwar bereits mit Maske, Greifzange und Bleischirm. In den Sälen, in denen Arbeiterinnen die selbstleuchtende Farbe „Undark“ anrührten und auftrugen, war von derlei Vorsicht jedoch keine Rede.

Im Gegenteil: Den Frauen wurde erzählt, dass die Farbe harmlos sei! Um möglichst feine Striche zeichnen zu können, wurden die Frauen noch ermuntert, die Pinsel regelmäßig mit Lippen und Zunge anzuspitzen. Als Folge wurde verschlucktes oder eingeatmetes Radium in grotesken Mengen in ihrem Skelett eingelagert. Das Magazin „Time“ berichtete im Jahr 1928, die Gebeine einer Arbeiterin hätten nach deren Exhumierung geleuchtet.

Zeitungsinserat für Undark vom 13.12.1920

Grace Fryer war die erste Arbeiterin, die sich entschloss zu klagen, aber sie benötigte zwei Jahre, einen Anwalt zu finden, der bereit war, den Fall zu übernehmen. Letztlich waren fünf Arbeiterinnen bereit zu klagen. Die Anschuldigungen und der Presserummel um diesen Fall führten zu einem Präzedenzfall und zu verbesserten Verordnungen über Arbeitsplatzsicherheit.

Der Prozess endete im Frühjahr 1928 mit einem Vergleich. Jede der Radium Girls erhielt 10.000 US-$ (unter Berücksichtigung der Inflation entspricht dies heute 129.268 US-$, das sind etwa 89.224 €). Dazu kamen noch 600 $ pro Jahr, sowie alle Ausgaben für Ärzte und Anwälte.

Alle fünf Radium Girls verstarben noch in den 30er-Jahren. Die Kontamination mit Radium war so hoch, dass auch heute noch die Gräber der Arbeiterinnen mit Geigerzähler erkannt werden können.


Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Radium_Girls


Die Geschichte der Radium Girls wurde in mehreren Büchern und Filmen verarbeitet.

Eine interessante Dokumentation darüber gibt es hier (englisch)


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Kommentare

Schmuel Bruno vor 11 Jahre

Wie kann man nur so unverantworlich sein und dicht halten, wenn man von der Strahlenvergiftung weiß?! Meiner bescheidenen Meinung nach, sollte man die Verantwortlichen und die Ärzte, die sich haben unterdrücken lassen, alle zur Rechenschaft ziehen genau wie die Anwälte, die nicht dazu bereit waren die "Radium Girls" auf rechtlichem Wege zu vertreten.

Luca vor 11 Jahre

Sehr geehrte Damen und Herren,Vielen Dank für diesen Artikel über den Gebrauch von Radium als Leuchtfarbe. Im Haus meiner Eltern sind noch aus den 40-er Jahren Schalter angebracht, welche grünlich leuchten. Können diese radioaktiv sein?Herzliche GrüßeGianluca

Stephanie Vonwiller vor 6 Jahre

Mein neuer Roman (Die Zifferblattmalerin) zeigt ausführlich das Schicksal der Frauen, die Verantwortungslosigkeit, aber auch Unwissenheit zu dieser Zeit auf.

Klappentext:
"Du kannst es nicht riechen, nicht sehen, nicht schmecken …"
… und das macht alles, was damit zusammenhängt unberechenbar.
Liebe, Glück und Wohlstand, sind die Träume von Gladys und Arlene. Dafür leben sie und ahnen nicht, dass sie längst von einer unsichtbaren Gefahr begleitet werden.
Sie genießen die aufregende Zeit mit all den wunderbaren Ereignissen des 20. Jahrhunderts, bis eine Reihe von Entscheidungen sie in die Wirklichkeit der Hölle bringen. Nur langsam treten die Tatsachen aus dem Schatten von Verschwörung und Profitgier, begleitet von Leid und Tod.
"Die Zifferblattmalerin" ist ein mitreißender Roman, verwoben mit der gravierenden Entdeckung des 19. Jahrhunderts. Er erzählt die Geschichte zweier Freundinnen, die sich in einer Gesellschaft bewegen, in der Unabhängigkeit bei Frauen nur eingeschränkt geduldet wird.
Und er schildert ihren mutigen Kampf gegen Machtbesessenheit.
Tauchen Sie ein, in die außergewöhnliche und spannende Zeit der 1920er in New Jersey und New York.