Ab 31.12.2018 in Kraft

Wesentliche Änderungen im Strahlenschutzrecht

Karl-Heinz Szeifert 20 Dec, 2018 00:00

Am 05. Dezember wurde die vom Bundesrat am 19.10.2018 beschlossenen neue Strahlenschutzverordnung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Diese ersetzt sowohl die alte Strahlenschutzverordnung als auch die Röntgenverordnung.

Der nachstehende Beitrag stammt von der Arbeitsgemeinschaft "Physik und Technik in der bildgebenden Diagnostik" (APT) der Deutsche Röntgengesellschaft (DRG).

MTA-R.de bedankt sich für die Genehmigung zum Nachdruck.


Medizinphysik-Experte wird für viele Neuanlagen Pflicht

Ab 2019 verlangt der Gesetzgeber bereits bei der Anzeige eines neuen CT´s oder einer Interventionsanlage einen Nachweis über Zusammenarbeit mit einem Medizinphysik-Experten (MPE). Hiervon betroffen ist auch jeder Betreiberwechsel.

Für alle anderen Anlagen wie Aufnahmeplätze oder diagnostische Durchleuchtungsanlagen ist dies nicht notwendig. Keinen Medizinphysik-Experten benötigen zudem derzeit alle Anlage, die vor dem 31.12.2018 in Betrieb gegangen sind. Diese „Alt“-Anlagen müssen erst ab dem 31.12.2022 durch einen MPE betreut werden (s. auch §14 und §19 StrlSchG sowie §131 StrSchV).

Präzise fordert das Strahlenschutzgesetz die Hinzuziehung des MPE zur Mitarbeit. Dies bedeute, dass er nicht bei allen Maßnahmen anwesend sein muss und damit auch als externer Dienstleister fungieren kann.

Der MPE muss über die Fachkunde für Medizinphysikexperten nach der Richtlinie „Fachkunde und Kenntnisse im Strahlenschutz bei dem Betrieb von Röntgeneinrichtungen in der Medizin oder Zahnmedizin“ vom 22. Dezember 2005 verfügen. Medizinphysiker aus anderen Fachgebieten (Strahlentherapie und Nuklearmedizin) sind nicht automatisch fachkundig im Sinne dieser Richtlinie. Eine Regelung über notwendige zusätzliche Qualifikationsmaßnahmen für diese Kollegen ist bei den zuständigen Ministerien in Arbeit.

Zusätzlich haben Arbeitsgemeinschaft Physik und Technik (APT) und Deutsche Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP) den Ländern ein Mentorenprogramm vorgeschlagen, mit dem die Versorgungslage qualifizierter MPE innerhalb eines angemessenen Zeitraums sichergestellt werden kann. Eine Entscheidung darüber und über die Finanzierung des Programms wurde bisher noch nicht gefällt.

Für Deutschland muss mit etwa 500 Neuanlagen pro Jahr gerechnet werden. Da der Betreuungs-aufwand zur Optimierung und Überwachung dieser Anlagen lediglich mehrere Arbeitstage pro Jahr erfordert, liegt der Bedarf in den nächsten vier Jahren bei etwa 50 zusätzlichen MPE pro Jahr. Engpässe sind somit vorprogrammiert.

Um gerade in den ersten Monaten diese kritischen Engpässe zu vermeiden hat sich die APT entschlossen eine Liste von erfahrenen Medizinphysik-Experten zu veröffentlichen. Die APT kann und darf aber in diesem Zusammenhang nicht als Vermittler auftreten. Der Kontakt kann also nur durch direkte Ansprache erfolgen.

Weitere Informationen hierzu:

  • SSK-Empfehlung Hinzuziehung eines Medizinphysik-Experten bei medizinisch-radiologischen Tätigkeiten – Umsetzung der Anforderungen der Richtlinie 2013/59/Euratom; September 2017
  • § 14 Abs. 1 Nr. 2b StrlSchG
  • § 19 Abs. 3 Nr. 7 StrlSchG
  • § 131 Absatz 2 StrSchV
    • (2) Der Strahlenschutzverantwortliche hat dafür zu sorgen, dass ein Medizinphysik-Experte zur Mitarbeit hinzugezogen wird bei
    • 3. Untersuchungen mit ionisierender Strahlung, die mit einem Computertomographen oder mit Geräten zur dreidimensionalen Bildgebung von Objekten mit niedrigem Röntgenkontrast durchgeführt werden mit Ausnahme der Tomosynthese, und 4. Interventionen, bei denen die Röntgeneinrichtungen zur Durchleuchtung eingesetzt werden.
  • Die Aufgaben des MPE sind in der StrSchV §132 definiert.

Meldepflicht für bedeutsame Vorkommnisse

Ebenfalls ab 2019 sind die Strahlenschutzverantwortlichen verpflichtet jedes bedeutsame Vorkommnis zu analysieren, Maßnahmen zur Vermeidung zu ergreifen und eine Meldung an die Aufsichtsbehörde vorzunehmen.

Die Umsetzung setzt voraus, dass bedeutsame Vorkommnisse im Betrieb erkannt und registriert werden.

Als bedeutsame Vorkommnisse werden nach §108 StrlSchV und deren Anlagen entweder Dosisüberschreitungen nach einem komplexen Kriterienkatalog oder

  • Jede Wiederholung einer Anwendung, insbesondere aufgrund einer Körperteilverwechslung, eines Einstellungsfehlers oder eines vorausgegangenen Gerätedefekts, wenn es zu einer erheblichen zusätzlichen Exposition (s.u.) gekommen ist.
  • Jede Personenverwechslung, wenn es zu einer erheblichen zusätzlichen Exposition (s.u.) gekommen ist.
  • Jedes Auftreten einer deterministischen Wirkung, die für die festgelegte Untersuchung nicht zu erwarten war.

Bei den Dosisüberschreitungen wird grundsätzlich zwischen der Exposition einer Einzelperson oder einer Gruppe unterschieden. Letzteres führt dazu, dass auch permanente, leichtere Dosiserhöhungen z.B. durch ungünstige Protokolle auffällig werden und gemeldet werden müssen. Die Gruppenbetrachtung wird nur nötig, wenn die Aktionsschwelle von 200% Überschreitung des DRW (3 x DRW) erreicht ist. Danach erfolgt eine Bewertung der letzten 20 letzten Untersuchungen gleichen Typs. Liegt der Mittelwert dieser Untersuchungen beim 2-fachen des DRW ist die Meldeschwelle erreicht.

Beispiel: CT Thorax (bis einschließlich Nebennieren)

Trigger ist die Überschreitung des DRW um 200% für eine einzelne Untersuchung. Für einen CT-Thorax liegt der Referenzwert für das Dosislängenprodukt bei 350 mGy*cm. Bei dem Einmaligen Auftauchen eines Dosiswertes von mehr als 1050 mGy*cm für das Dosislängenprodukt wäre also die Triggerschwelle erreicht.

Dann müssen die letzten 20 Untersuchungen des gleichen Bereichs/Protokolls vor dem Trigger- Ereignis geprüft werden und der Mittelwert über diese 20 Untersuchungen gebildet werden.

Überschreitet dieser Mittelwert den DRW um 100% ist der Vorgang ein meldepflichtiges Ereignis. Ist für das obige Beispiel also der Mittelwert der letzten 20 CT-Thorax-Untersuchungen höher als 700 mGy*cm so wäre der Vorgang meldepflichtig im Sinne der StrSchV.

Das Konzept ist in vielen Punkten problematisch. So bleiben die Scanlänge und die Strahlenempfindlichkeit der Organe und Gewebe unberücksichtigt. Probleme könnten auch bei dynamischen CT-Untersuchungen wie z.B. der Hirnperfusion auftreten. Zudem führt die Meldeschwelle bei Interventionen dazu, dass jeder Patient mit über 50.000 cGy*cm2 nach 21 Tagen auf deterministische Schäden hin untersucht werden muss.

Die Überwachung und Dokumentation der obigen Kriterien kann durch den Einsatz eines Dosismanagementsystems (DMS) deutlich vereinfacht werden. Aber diese Systeme führen auch zu einem erhöhten Betreuungsaufwand durch fachkundiges Personal. Auf Knopfdruck geht das nicht.


Frist für die Anzeige eines Neugerätes auf 4 Wochen verlängert

Nach der alten Röntgenverordnung musste jedes Gerät 2 Wochen vor Inbetriebnahme angezeigt werden. In den vielen Fällen waren die Aufsichtsbehörden sehr entgegenkommend und haben lediglich verlangt, dass Datenblätter und Strahlenschutzplan zu diesem Zeitpunkt vorliegen mussten. Der Sachverständigenbericht konnte dann am Tage vor der eigentlichen Inbetriebnahme eingereicht werden. Damit kam es nicht zu einem Stillstand einer betriebsbereiten Anlage. Ob dies nach der neuen Regelung mit deutlich verlängerter Anzeigefrist noch ähnlich abläuft sollte jeder Betreiber frühzeitig mit seiner Behörde abklären.


Grenzwert für die Linsendosis stark abgesenkt

Der Grenzwert für die Linsendosis wurde von 150 mSv auf 20 mSv pro Jahr sehr deutlich abgesenkt. Problematisch wird dies nur bei Interventionen. Hier lässt sich der Wert aber durch den richtigen Einsatz patientennaher Schutzmaßnahmen in Verbindung mit einer geeigneten Strahlenschutzbrille/- visier einhalten.

Die Messstellen, die bisher Prüfplaketten und Fingerringdosimeter geliefert haben, stellen auch Linsendosimeter bereit. Hilfreich können hier auch Echtzeitdosimeter sein, die die Exposition während der gesamten Untersuchung überwachen und auf einem eigenen Monitor im Untersuchungsraum anzeigen.


Der Röntgenpass fällt weg

Der Röntgenpass diente in den letzten Jahren dazu den Arzt auf bereits erfolgte Voruntersuchungen hinzuweisen. Dieses Vorgehen wird im neuen Strahlenschutzrecht nicht mehr erwähnt. Es ist daher aus rechtlichen Gründen nicht mehr notwendig einen solchen Pass auszufüllen oder auszuhändigen. Trotzdem wird es für viele Patienten weiterhin von Bedeutung sein einen solchen Pass zu führen. Hier wird man als Klinik oder Praxis entscheiden müssen wie man damit umgeht.


Zusammenfassung des neuen Strahlenschutzrechtes für die Röntgendiagnostik

Strahlenschutzgesetz (StrSchG) vom 27. Juni 2017

  • § 14 MPE ist erforderlich bei Untersuchungen mit erheblicher Exposition (s. StrSchV)
  • § 14 Regelmäßige und enge Einbindung des Teleradiologen
  • § 14 Teleradiologie auf 5 Jahre befristet
  • § 14 Früherkennung zulässig (Verordnung des BMU kommt bis 31.12.2018)
  • § 19 Anzeigefrist 4 Wochen
  • § 31 Verkürztes Antragsverfahren für medizinische Forschung: 21 Tage Überprüfung, 90 Tage Entscheidung
  • § 70 Stralenschutzbeauftragter hat ein Jahr Kündigungsschutz
  • § 78 Grenzwert Augenlinsendosis 20 mSv
  • § 85 Begründung bei Überschreitung der Dosistichtwerte (DRW)
  • § 90 Vorkommnisse an Behörde melden (s. StrSchV)
  • § 167 Persönliche Kennnummer für beruflich Strahlenexponierte / Strahlenschutzregister

Strahlenschutzverordnung (StrSchV) vom 29.November 2018. (Gültig ab 31.12.2018)

  • § 63 Unterweisung hat mündlich zu erfolgen
  • § 105 Vorkommnisse sind in systematischer Weise zu vermeiden und zu erkennen
  • § 117 Vereinheitlichung der Aufbewahrungsfristen für Abnahmeprüfung (3 Jahre nach der nächsten Prüfung) und Konstanzprüfung (10 Jahre), (Verlängerung gegenüber RöV)
  • § 108 Meldung von bedeutsamen Vorkommnissen (s. Anlage 14)
  • § 121 schriftliche Arbeitsanweisungen für alle Untersuchungen und Behandlungen
  • § 129 Aufnahme / Beendigung einer Tätigkeit unverzüglich der ÄS melden
  • § 131 MPE für CT und Interventionen mit erheblicher Exposition
  • § 132 Aufgaben MPE: Personendosimetrie und Optimierung des Strahlenschutzes
  • Anlage 14:
    • Überschreitung DRW um 100 % bei 20 Untersuchungen, wenn DRW bei einzelner Untersuchung um 200 % überschritten wurde
    • Überschreitung CTDI von 120 mGy (Schädel) und 80 mGy (Körperstamm)
    • Überschreitung 20.000 cGycm² (Durchleuchtung und Intervention/Untersuchung)
    • Überschreitung 50.000 cGycm² (Intervention/Behandlung), wenn innerhalb von 21 Tagen
    • wenn deterministischer Hautschaden auftritt
  • Anlage 18: Gewebe-Wichtungsfaktoren: Änderung entsprechend IRCP 130, besonders bemerkenswert: Brust hoch auf 0,12, Gonaden runter auf 0,08
  • Es gibt keinen Röntgenpass mehr. (Konformität mit EU-Recht).

Das Wichtigste in Kürze:

  • Übergangsregelung: Für alle CTs und interventionelle. Anlagen, deren Betrieb vor dem 31.12.2018 angezeigt wurde, gilt die Pflicht zum Nachweis des MPE ab 31.12.2022 (StrSchG § 198, § 200).
  • QM-System zur Erfassung von Vorkommnissen etablieren. Wird von ÄS überprüft.
  • Persönliche Kennnummer / Strahlenschutzregister(SSR)-Nummer beim BfS beantragen.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft 'Physik und Technik in der bildgebenden Diagnostik (APT) der Deutsche Röntgengesellschaft (DRG).

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