Die "Ottawa Ankle Rules"
Knöchel verstaucht! - Wann muss geröntgt werden?
Etwa fünf Prozent aller Notfallpatienten kommen mit einem schmerzenden Fußgelenk in die Klinik, aber nur in etwa 15% der Fälle ist der Knöchel dann auch wirklich gebrochen.
Die "Ottawa Ankle Rules" können bei der Entscheidung, ob Röntgenaufnahmen notwendig sind, hilfreich sein.
Um den inflationären Gebrauch von unnötigen Röntgenbildern einzudämmen, ist 1992 in Kanada ein spezielles Set von Untersuchungsregeln entwickelt worden - die so genannten Ottawa Ankle Rules – das es dem Notfallpersonal ermöglichen soll, eine Fraktur des Sprunggelenkes mit großer Sicherheit auszuschließen, ohne den Fuß zu röntgen.
Eine Forschergruppe um Lucas Bachmann vom Zürcher Horten-Zentrum für praxisorientierte Forschung hat nun 32 Studien zur Anwendung der Ottawa-Regeln einer genauen Untersuchung unterzogen („British Medical Journal“, Bd. 326, S. 471-419). Dabei zeigte sich, dass diese Untersuchungsmethode Knöchelbrüche mit einer Sicherheit von nahezu 100% ausschließt und der Gebrauch von Röntgen dadurch um 30-40% verringert wird.
Obwohl viele Ärzte diese Erfolg anerkennen, kommen die Ottawa-Regeln in der klinischen Praxis noch immer selten zum Einsatz. Offensichtlich verlangen Ärzte eine maximale Sicherheit und greifen deshalb schon beim geringsten Zweifel doch wieder zum Röntgenbild.
Leider kommen die "Ottawa Ankle Rules“ in Deutschland nicht routinemäßig zum Einsatz. - (Anm. d. Red.: Warum eigentlich nicht?)
Und das, obgleich diese Regeln auch in der AWMF-Leitlinie Unfallchirurgie (Letztes Bearbeitungsdatum: 08.08.2017) zur frischen Außenbandruptur am Oberen Sprunggelenk ausführlich erwähnt und beschrieben werden, und sich so bei konsequenter Anwendung die Anzahl unnötiger Röntgenaufnahmen um 30- 40% reduzieren ließe.
Eine Röntgenaufnahme ist gemäß den Ottawa-Regeln nur indiziert, wenn der Patient:
- nicht vier Schritte direkt nach dem Verletzungsgeschehen gehen kann oder
- eine erhöhte lokale Knochenempfindlichkeit im Bereich der hinteren Kanten oder Spitzen der Malleolen (4 Palpationspunkte) verspürt oder
- eine erhöhte lokale Knochenempfindlichkeit im Bereich Os naviculare oder Basis Metatarsale V verspürt.
Die klinische Untersuchung muss insgesamt sorgfältig strukturiert durchgeführt werden:
- Die genaue Palpation der dorsalen Kanten des lateralen oder medialen Malleolus und die
- Palpation der Fusswurzel und des Mittelfusses spielen die wichtigste Rolle.
- Die Palpation mit genügendem Abstand zur Verletzung beginnen.
- Proximale Fibula und Vorfuss palpieren.
- Die geschwollene Region vom Ligamentum talofibulare anterius her beurteilen.
- Den distalen dorsalen Rand (6 cm) der Fibula und der Tibia palpieren.
- Die Belastungsfähigkeit bei voller Körperbelastung beurteilen.
- Kann der Patient vier Schritte, auch hinkend, gehen?
Ein Röntgen des OSG a.p. (15-20° Innenrotation = “mortise view“) und OSG seitlich soll bei Schmerzen am dorsalen Rand des lateralen oder medialen Malleolus (distale 6 cm) und wenn keine Vollbelastung für vier Schritte möglich ist durchgeführt werden.
Ein Röntgen des Fusses in 2 Ebenen soll bei Druckschmerz am lateralen Fussrand oder im Mittelfuss und wenn keine Vollbelastung für vier Schritte möglich ist erfolgen.
Fazit: Mit Hilfe der Ottawa Ankle Rule bzw. der Ottawa Foot Rule kann die Indikation zur Durchführung einer Röntgenaufnahme evidenzbasiert gestellt werden. Damit lassen sich bis zu 40% der Röntgenaufnahmen einsparen. Sie sind somit einfache Werkzeuge, um die Zahl der Röntgenuntersuchungen bei Distorsionsverletzungen des oberen Sprunggelenks und des Fußes zu reduzieren, ohne dabei Frakturen zu übersehen.
Quellen:
Passend zum Thema:
Eine kleine amüsante und zynische, aber keinewegs realitätsferne Anekdote zu diesem Thema mit dem Titel: "Sie müssen röntgen, röntgen, röntgen..." kann man im Medizynicus Arzt Blog nachlesen.
Ähnlichkeiten mit real existierenten Personen und Handlungen sind dabei natürlich rein zufällig und keineswegs beabsichtigt.
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