Hinweis zur Änderung § 85 StrlSchG

Dokumentation des Zeitpunkts der rechtfertigenden Indikation

Karl-Heinz Szeifert 23 Apr, 2022 10:05

Der Zeitpunkt, an dem die rechtfertigende Indikation gestellt wurde, muss genau dokumentiert werden. Das ergibt sich aus dem geänderten § 85 (Aufzeichnungspflichten...) des Strahlenschutzgesetzes. Veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahr 2021 Teil 1 Nr.27 am 4.6.2021 S. 1197

Nachstehend der geänderte Absatz des § 85 StrlSchG in Auszügen. Die Neuerungen sind fett gedruckt und unterstrichen.

§ 85 Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und behördliche Mitteilungspflichten von Daten und Bilddokumenten bei der Anwendung am Menschen; Verordnungsermächtigung

(1) Der Strahlenschutzverantwortliche hat dafür zu sorgen, dass über die Anwendung ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe am Menschen unverzüglich Aufzeichnungen angefertigt werden.

Die Aufzeichnungen müssen Folgendes enthalten:

  1. Angaben zur rechtfertigenden Indikation und den Zeitpunkt der Indikationsstellung,
  2. den Zeitpunkt und die Art der Anwendung,
  3. Angaben zur Exposition ….
  4. den erhobenen Befund einer Untersuchung,

Anlass für die Neufassung des Gesetzes war die Diskussion über das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 19.11.2019 Az. 2 KLs 5/18. In diesem Urteil wurden Radiologen wegen Abrechnungsbetrugs mangels nicht gestellter vorheriger rechtfertigender Indikation verurteilt. - MTA-R berichtete darüber: https://www.mta-r.de/blog/fehlende-rechtfertigende-indikation/


Der Bundesrat begründet die Gesetzesänderung folgendermaßen:

Aus der Vollzugspraxis hat sich die Notwendigkeit ergeben, den Strahlenschutzverantwortlichen dazu zu verpflichten, dafür zu sorgen, dass die rechtfertigende Indikation zeitnah und einschließlich des Zeitpunkts der Indikationsstellung dokumentiert wird. Es kann nicht im Interesse eines geordneten Verfahrens liegen, wenn rechtfertigende Indikationen mit großem zeitlichem Abstand zur Indikationsstellung und zu den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls dokumentiert werden, womöglich summarisch und pauschal i.S. einer lästigen Buchhaltung am Ende von Abrechnungsquartalen. Es kann auch nicht ausreichen, wenn die anwendenden Ärzt*innen sich pauschal darauf berufen können, die erforderliche rechtfertigende Indikation vor jeder Anwendung am Menschen (jedenfalls gedanklich) gestellt zu haben. Das Instrument der rechtfertigenden Indikation beinhaltet die Feststellung, dass der Nutzen der einzelnen Anwendung gegenüber dem Strahlenrisiko überwiegt, darauf gestützt die Entscheidung, dass und auf welche Weise die Anwendung durchzuführen ist (§ 83 StrlSchG). Für eine sinnhafte Ausfüllung dieses zentralen Schutzinstruments bei der Anwendung am Menschen ist es unerlässlich, dass Willensbildung und Entscheidung der anwendenden Ärzt*innen in jedem Einzelfall zeitnah nach Stellen der Indikation auch dokumentiert werden, wenn die jeweiligen Besonderheiten des Falls / der Patient*innen noch präsent sind. Insbesondere in strittigen Fällen besteht sonst auch die Gefahr von Manipulationen an der Indikationsstellung ex post. Die seitens BMU gegen den Änderungsvorschlag erhobenen Einwände, a) Exposition und Dosis könnten erst später dokumentiert werden und b) ohnehin könne die Verpflichtung unverzüglich zu dokumentieren, eine Aufzeichnung im Nachhinein nicht verhindern, überzeugen nicht. Eine Pflicht zur unverzüglich - also ohne schuldhaftes Verzögern - vorzunehmenden Dokumentation berücksichtigt selbstverständlich den diesbezüglich frühest möglichen Zeitpunkt. Exposition und Dosis wären somit unverzüglich nach Erhebung zu dokumentieren. Auch macht die tatsächlich bestehende Möglichkeit, gegen eine Verpflichtung zu verstoßen, diese nicht schon per se obsolet. Denn diese Problematik ergäbe sich auch hinsichtlich anderer in dem StrlSchG festgeschriebenen Pflichten, unverzüglich zu handeln, mitzuteilen oder wie nach § 167 Absatz 1 StrlSchG aufzuzeichnen. Die Einhaltung der Verpflichtungen nach § 85 Absatz 1 StrlSchG i. V. m. § 127 StrlSchV ist zudem aufsichtlich zugängig.

Quelle: https://www.bundesrat.de/

Fazit und Empfehlung von MTA-R.de:

  • Rechtliche Fehler bei der Stellung der rechtfertigenden Indikation können mit erheblichen Risiken einhergehen und die Folgen der Verstöße gegen das Strahlenschutzrecht können gravierend sein – wie dem oben angeführten Gerichtsurteil zu entnehmen ist.
  • Es ist deshalb sehr ratsam die Strahlenschutzorganisation entsprechend so zu organisieren, dass die rechtfertigende Indikation auch durch einen entsprechend fachkundigen Arzt gestellt wird, der auch namentlich genannt wird und dass vor der technischen Untersuchung der Zeitpunkt (Uhrzeit) der Stellung der rechtfertigenden Indikation nach § 85 StrlSchG genau dokumentiert wird. Erfolgt die Dokumentation per Software, erfolgt das in der Regel über einen Zeitstempel automatisch. Erfolgt die Dokumentation noch analog, dann muss sofort und an geeigneter Stelle die Uhrzeit der rechtfertigenden Indikation zweifelsfrei notiert werden.
  • Der fachkundige Arzt muss natürlich über die Anwesenheit des Patienten informiert sein. Auch wenn er ihn nicht sehen und untersuchen muss, - er muss zur Stellung der rechtfertigenden Untersuchung wissen, dass der Patient da ist - und warum er da ist.
  • Der fachkundige Arzt, der die rechtfertigende Indikation stellt, muss sich daher zwingend vor der Durchführung der Untersuchung mit dem Patienten, oder genauer zumindest mit dessen Patientenakte einschließlich der Überweisung befassen.
  • Und er muss selbst in räumlicher Nähe sein, um im Bedarfsfall den Patienten untersuchen zu können. (§ 83 Abs.2 des StrlSchG).
  • Die so gestellte rechtfertigende Indikation mit der entsprechenden Fragestellung muss natürlich dem technisch durchführenden Personal vor Durchführung der Untersuchung bekannt sein.
  • Grundsätzlich gilt zwar , dass MTRA davon ausgehen dürfen, dass die Strahlenschutzorganisation des Hauses durch die Strahlenschutzverantwortlichen rechtskonform gestaltet ist, - bei Zweifel ist es aber durchaus gerechtfertigt, unter Einhaltung der Dienstwege die Strahlenschutzverantwortlichen über eventuelle Missstände zu informieren. Durchaus auch mit Hinweis auf die gravierenden Folgen, die eine Nichtbeachtung solcher Vorschriften nach sich ziehen kann!

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