Wächterlymphknoten (SLN)

Sentinel-Lymph-Nodes beim Mammakarzinom (Teil 4)

schlumpfinchen 30 Jul, 2018 21:00

Kapitel 7: Operation, Biopsie und histologische Untersuchung - - - Kapitel 8: Gammasonden zur intraoperativen Lokalisierung - - - Kapitel 9: Strahlenschutz - - - Kapitel 10: Diagnostische Bedeutung - - - Kapitel 11: Andere SLN-Verfahren

Kapitel 7

7. Operation, Biopsie und histologische Untersuchung des SLN

Abb.1 - Tumorentfernung

Die minimalinvasive operative Entfernung des Tumors (strahlt am meisten) und, sofort anschließend, des dargestellten SLNs sollte am nächsten Tag erfolgen. Dann wird der SLN mittels Gammasonde detektiert und minimal-invasiv entfernt. Alle entfernten LK werden noch im OP auf Radioaktivität überprüft und dann histologisch aufgearbeitet.

In einigen Kliniken wird zur Identifikation der Lymphbahnen intraoperativ zusätzlich Patentblau appliziert, weil durch den langsamen Abfluss des Radiopharmakons nicht alle Abflusswege radioaktiv sind. Patentblau fließt schneller in die Lymphbahnen ab und markiert sie auch innerhalb von 5 bis 10 Minuten. Durch diese Kombination kann in über 98 % eine einwandfreie SLN-Identifikation erreicht werden.

Grundsätzlich ist es natürlich möglich und besonders aus klinischer Sicht wünschenswert, von dem SLN eine Schnellschnittuntersuchung durchzuführen, weil ggf. bei einem eindeutigen Metastasennachweis das intraoperative Vorgehen durch die Axilladissektion erweitert und damit ein erneuter Eingriff vermieden werden kann.

Folgendes Vorgehen hat sich bewährt:

  • Der SLN wird vom Operateur nativ und unfixiert wie zu einer Schnellschnitt-Untersuchung übersandt
  • Der SLN wird nach der üblichen Dokumentation und Beschreibung in 2-3 mm dicke Scheiben zerlegt und makroskopisch beurteilt
  • Repräsentative Stellen werden unter Berücksichtigung eines möglichst geringen Gewebeverlustes im Schnellschnittverfahren gefärbt und aufgearbeitet
  • Das Ergebnis dieser Schnellschnittuntersuchung wird dem Operateur telefonisch und/oder als Fax ausdrücklich nur als vorläufiger Befund mitgeteilt und die weitere Operation richtet sich nach diesem. Bei befallenen SLN wird eine Axilladissektion angeschlossen.
  • Das Restgewebe des Schnellschnittverfahrens und getrennt davon auch das vollständige, übrige SLN-Gewebe werden nach üblicher Formaldehyd-Fixierung im Einbettungsverfahren und in Stufenschnitten aufgearbeitet,an denen erst die endgültige histomorphologische Begutachtung erfolgt.

Kapitel 8

8. Gammasonden zur intraoperativen Lokalisierung des SLN

Für die intraoperative Detektion des SLN beim Mammakarzinom werden Gammasonden eingesetzt, die bestimmte technische Voraussetzungen erfüllen müssen.

8.1. Funktionsprinzip

  • Die messtechnische Aufgabe einer intraoperativen Sonde besteht darin, während der Operation die 140 keV-Gammastrahlung der radioaktiv markierten SLN ortsaufgelöst nachzuweisen. Sterilität wird durch die Verwendung einer sterilen Hülle gewährleistet. Die erforderliche Nachweisempfindlichkeit wird mit einem kleinen NaI (Tl)-Szintillationskristall gewährleistet.
  • Hinter dem Strahleneintrittsfenster befindet sich ein kleiner Natriumiodidkristall, der bei Eintreffen von Gammastrahlung Lichtblitze erzeugt. Ein Lichtleiter transportiert dieses Licht über die Sonde. Ein dahinter angeordneter kleiner Photomultiplier verwandelt und verstärkt die Lichtquanten in elektrische Impulse.
  • Die für den Betrieb des Photomultipliers nötige Hochspannung kommt aus Sicherheitsgründen aus akkubetriebenen Hochspannungsgeneratoren, weil die Sonde direkt am Patient angewendet wird.
  • Die Elektronik ist in einem separaten Gehäuse integriert. An diesem Gehäuse kann man das Energiefenster und den passenden Messbereich einstellen.
  • Zur Optimierung der Ortsselektivität sind kleine Kollimatoren an dem Messdetektor eingebaut. Sie schränken das Gesichtsfeld des Detektors ein.
  • Der Operateur wird sich in der Regel nicht an der optischen Anzeige, sondern an einem akustischen Signal orientieren. Ein sehr hoher Ton signalisiert hohe Aktivität, ein tiefer Ton niedrige Aktivität.

8.2. Technische Anforderungen Gammasonde

  • Nachweisempfindlichkeit: Wichtiges Kriterium für die Qualität einer Sonde ist eine hohe Nachweisempfindlichkeit für kleine Aktivitätsanreicherungen, die in Tiefen bis zu 5 cm liegen.
  • Ortsauflösung: Um einen Lymphknoten im Gewebe eindeutig lokalisieren zu können, muss die Sonde eine hohe Ortsauflösung aufweisen, das heißt, es muss möglich sein, eindeutig zwischen den einzelnen Lymphknoten zu unterscheiden.
  • Abschirmung/Kollimator: Auch wenn der Injektionsort in unmittelbarer Nähe zum Lymphknoten liegt, darf dieser durch seine vergleichsweise hohe Aktivität die Lokalisation des SLN nicht verfälschen. Dies gewährleistet der Kollimator. Er bestimmt die Breite des Messkegels, aus dem die Aktivität gemessen wird. Bei einem schmalen Messkegel wird hauptsächlich das Signal aus dem Zielobjekt (SLN) gemessen
  • Energieauflösung: Neben der Verwendung eines Kollimators hilft auch eine gute Energieauflösung des Detektors in Verbindung mit einem engen Energiefenster, gestreute Strahlung (Comptonstrahlung) , und damit falsche Ortsinformationen zu unterdrücken. Je besser die Energieauflösung, desto kleiner kann das Energiefenster ohne Verlust an Empfindlichkeit gewählt werden. Damit ist die Ortung des SLN präziser.
  • Form der Sonde: Der Durchmesser der Sonde sollte möglichst klein sein, um in der Operationshöhle unter Sichtkontrolle messen zu können. Sonden mit einem Durchmesser von mehr als 20 mm erschweren dies erheblich. Eine gewinkelte Sonde erlaubt gegenüber einer geraden Sonde eine bessere Orientierungsbeweglichkeit im Operationsfeld. Hierdurch kann die Lage des Lymphknotens anhand mehrerer Messungen aus verschiedenen Richtungen verifiziert werden.

8.3. Qualitätssicherung an der Gammasonde

Die Sonde muss einer regelmäßigen Qualitätsprüfung unterzogen werden. Dazu gehören folgende Prüfungen:

  • Nulleffekt messen und ggf. notieren. Zählrate am Gerät sollte ohne Quelle Null oder einen sehr kleinen Wert anzeigen.
  • Das Ansprechvermögen muss für den Messzweck ausreichend sein und sollte regelmäßig auf Konstanz geprüft werden.
  • Kurze Funktionsprüfung: Empfohlene Zählrate: 100 cps oder mehr. Prüfquelle 99mTc oder 57Co. Aktivität < 1 MBq, angezeigte Zählrate notieren.
  • Die Prüfung der Ortsauflösung der Sonde bzw. der Sonden-/Kollimatorkombination (Herstellerzertifikat) muss eine ausreichende Abgrenzung und räumliche Zuordnung der markierten Lymphknoten gewährleisten.
  • Gegebenenfalls ist das Energiefenster so einzustellen, dass das Messsignal möglichst geringfügig durch gestreute Photonen beeinflusst werden kann.
  • Im Batteriebetrieb: Ladezustand des Akkumulators regelmäßig prüfen, geladenen Ersatzakku bereit halten.

Kapitel 9

9. Strahlenschutz

9.1. Patient:

Die effektive Ganzkörperdosis beträgt bei einer Applikation von ca. 150 MBq<1 mSv

9.2. Personal außerhalb des Kontrollbereichs

Die effektive Ganzkörperdosis beträgt beim

  • Operateur 0.4-7,3 μSv,
  • beim OP-Personal 0,4-0,9 μSv und
  • beim Pathologen 0,5-0,7 μSv

pro Eingriff (2-Tages Protokoll mit 160 MBq 99mTc-Nanocoll).

Aufgrund der sehr geringen Strahlenexposition müssen diese Personen selbst bei häufiger Durchführung der SLN-Biospie nicht als beruflich strahlen-exponierte Personen geführt werden.

Dies wäre erst ab einer effektiven Dosis von mehr als 1000 μSv/Jahr notwendig.

9.3. Räumlicher Strahlenschutz

Aus Gründen des Strahlenschutzes muss allerdings darauf geachtet werden, dass keine Kontamination oder Verschleppung von Radioaktivität erfolgt. Der im Operationssaal anfallende Müll und Abfälle in der Pathologie sollten bis zum Abklingen der Radioaktivität unter die Freigrenze gelagert werden. Meist reichen 10 HWZ - also ca. 60 Std. - aus.


Kapitel 10

10. Diagnostische Bedeutung

Die früher praktizierte komplette Ausräumung axilliärer Lymphknoten in der Therapie des Mammakarzinoms ist in erster Linie als diagnostisches Verfahren zur Abklärung der Frage zu verstehen, ob überhaupt und wenn ja,in welchem Ausmaß eine lymphogene Tumormetastasierung vorliegt.

Bei den Patienten ohne nachweisbare Lymphknoten-Metastasen war diese Maßnahme ohne Einfluss auf den Erfolg der Tumortherapie, aber mit unvermeidbaren, die Lebensqualität beeinträchtigenden Nebenwirkungen verbunden.

Vor diesem Hintergrund entstand die inzwischen gut etablierte und sehr effektive radioaktive Markierung des Wächterlymphknotens, um die Frage abzuklären, ob überhaupt mit regionalen Lymphknoten-Metastasen zu rechnen ist.

Mit Hilfe der SLN- Szintigraphie wird die sonst oft notwendige radikale Lymphknotenentfernung durch eine minimalinvasive Biopsie ersetzt. Damit kommt es nach der Operation nicht mehr zum Lymphödem.

Zudem erhöht sich die Sicherheit, obwohl weniger ausgedehnt operiert werden muss. War bisher ein unauffälliger Befund bei der Standard - Lymphknotenausräumung der Axilla für die Patientin zu 78 % sicher, so erhöht sich die Empfindlichkeit (Sensitivität) mit der neuen SLN - Methode auf fast 98 %. Dies steht vor dem Hintergrund, dass der SLN der erste Lymphknoten ist, der im Fall einer Metastasierung tumorbefallen ist. Bei der konventionellen Axilladissektion hat man diese Selektion nicht.

Ein weiterer Vorteil ist die bessere histologische Untersuchung des SLN. Da an dem SLN immer darüber hinaus noch spezielle immunhistochemische Zusatzuntersuchungen durchgeführt werden, die bei der histologischen Untersuchung der zahlreichen Lymphknoten einer Axilladissektion nicht gewährleistet werden können, werden Mikrometastasen eher entdeckt. Die SLN-Methode ermöglicht somit sogar ein exakteres axilliäres Staging als die konventionelle Methode.


Kapitel 11

11. Andere SLN-Verfahren

Die SLN-Szintigraphie kann und wird noch bei einigen anderen malignen Erkrankungen eingesetzt. Beim malignen Melanom ist es ähnlich wie beim Mammakarzinom ein etabliertes Verfahren. Auch bei Kopf-Hals-Tumoren, dem Prostatakarzinom oder anderen Tumoren (z.B. Peniskarzinom, Vulvakarzinom, Cervixcarzinom) kann die SLN-Szintigraphie eingesetzt werden, wenn der Nachweis oder Ausschluss eines Lymphknotenbefalls von klinischer Relevanz ist. Allerdings wird dies meist nur in großen klinischen Zentren angeboten.

ENDE



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