Radiologe wegen Betrugs zu Haftstrafe verurteilt

Fehlende rechtfertigende Indikation

Karl-Heinz Szeifert 18 Aug, 2020 09:19

Das Landgericht Saarbrücken verurteilte einen Radiologen wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Az.: 2 KLs 5/18

Das Strahlenschutzgesetz § 83 Abs.3 sowie die Strahlenschutzverordnung § 119 gebieten vor Anwendung ionisierender Strahlung zwingend die Stellung einer rechtfertigenden Indikation. Danach muss durch einen fachkundigen Arzt unter anderem auch geprüft werden, ob der gesundheitliche Nutzen für den Patienten gegenüber dem Strahlungsrisiko überwiegt. Dies gilt auch, wenn die Untersuchungen auf Anforderungen eines anderen Arztes erfolgt. Die Verantwortung trägt immer der Anwender - und der muss den Patienten ggf. auch untersuchen können. Ansonsten handelt es sich röntgenrechtlich um eine Ordnungswidrigkeit.

Das Landgericht Saarbrücken verurteilte in diesem Zusammenhang im Nov 2019 (Az.: 2 KLs 5/18) einen Radiologen wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. - Betrug deshalb, da er in der Abrechnungssammelerklärung bestätigte, alle Leistungen unter Einhaltung der Bestimmungen des EBM - insbesondere auch nach geltendem Strahlenschutzrecht, erbracht zu haben. Denn diese wären nur dann berechnungsfähig gewesen, wenn ihre Durchführung unter anderem nach Maßgabe der Strahlenschutzgesetzgebung erfolgt wären.

Der Ablauf der Behandlungen bei Kassenpatienten war folgendermaßen organisiert.

  • Praxis öffnete um 7:00 Uhr. Dienstbeginn der Ärzte zwischen 8:00 und 9:00 Uhr
  • Telefonische Terminvereinbarung zu CT- oder Röntgenuntersuchung unter Abfrage welche Untersuchungsart und welche Körperteile betroffen seien.
  • Am Untersuchungstag erhielten die Patienten von den Mitarbeitern der Anmeldung eine Art Aufklärungsbogen, den sie ggfs. unter Mithilfe der Mitarbeiter ausfüllen sollten. Offene Fragen und Behandlungsablauf wurden durch die Mitarbeiter erklärt.
  • Zusammen mit dem Überweisungsschein wurde der Fragebogen, der bereits blanko vorab vom Arzt unterschrieben war, anschließend direkt in den CT- bzw. Röntgenraum gebracht.
  • Dort wurde dann von den MTRA, bzw. MFA die vom Überweiser gewünschte Untersuchung durchgeführt. – Ohne vorherige rechtfertigende Indikation!
  • Erst danach - also erst nach der durchgeführten Untersuchung - kam der Radiologe mit dem Vorgang in Berührung, indem er einen Befundbericht aus den im Patienteninformationssystem (PACS) vorhandenen Bildern erstellte, der danach an die zuweisenden Ärzte verschickt wurde.
  • Nur in Ausnahmefällen (ca 10% der Fälle) wurde der Radiologe vor der Untersuchung konsultiert.

Das Landgericht Saarbrücken wertete dies als Täuschungshandlung im Sinne des Betrugs nach § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB und verurteilte den Radiologen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Die Anordnung eines Berufsverbots nach § 70 StGB blieb dem Arzt erspart. Ein Honorar-Betrag in Höhe von rund 230.000 € war bereits vor Beginn der strafrechtlichen Hauptverhandlung an die KV zurückgezahlt worden.


FAZIT:

Das Urteil unterstreicht, wie wichtig die korrekte Stellung der rechtfertigenden Indikation (§ 119 Abs 3 StrlSchV) zu bewerten ist. Sie gehört zur Kernkompetenz jedes fachkundigen Arztes, der in seinem Anwendungsbereich Röntgenstrahlen anwenden darf. Wer diese seine Fachkompetenz nicht wahrnimmt, riskiert, dass auch andere Fachgebiete sich zurecht die Frage stellen, ob sie diese Leistungen nicht auch selbst erbringen könnten – der fachkundige Arzt macht es ja auch nicht besser!

Eine radiologische Untersuchungen ohne vorherige Stellung der rechtfertigenden Indikation ist kein Kavaliersdelikt. Der Arzt muss zwar den Patienten vor der Aufnahme nicht sehren, allerdings muss er anhand der vorliegenden Überweisung und Unterlagen in allen Fällen eine Abwägung darüber treffen, inwieweit der gesundheitliche Nutzen der Anwendung von Röntgenstrahlen gegenüber dem Strahlenrisiko überwiegt. Er muss sich daher vor der Untersuchung mit dem Patienten bzw. zumindest mit dessen Patientenakte einschließlich der Überweisung befassen.

Nur wenn von ihm der Nutzen höher als das Risiko eingeschätzt wird, darf das Praxispersonal die Untersuchung durchführen. Dabei muss der Arzt natürlich schon vor der Untersuchung des Patienten anwesend sein. Denn nur so kann und muss er bei Unklarheiten Rücksprache mit dem Patienten halten und ihn ggf. auch vorher untersuchen können. (§83 Abs3 Satz4 StrlSchG)


Quelle: Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 19.11.2019 – AZ: 2 KLs 5/18

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