Strahlenwirkung

Röntgen trotz Schwangerschaft

Karl-Heinz Szeifert 19 Jan, 2020 00:00

Wird eine schwangere Frau einer Bestrahlung ausgesetzt, dann kann es bei dem ungeborenen Kind zu Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen kommen. Zudem besteht für das Kind ein erhöhtes Risiko, an Krebs oder Leukämie zu erkranken.

Zum Schutz des Ungeborenen muss nach den Bestimmungen der Röntgenverordnung bzw. der Strahlenschutzverordnung vor der Anwendung ionisierender Strahlung in der medizinischen Diagnostik oder Therapie der anwendende Arzt jede gebärfähige Frau befragen, ob eine Schwangerschaft besteht oder bestehen könnte.

Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz

Auswahl alternativer Verfahren

Wird eine Schwangerschaft bestätigt oder lässt sich diese nicht eindeutig ausschließen, so ist die Notwendigkeit der Strahlenanwendung unter sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung besonders kritisch zu prüfen. Soweit möglich, sollte die Untersuchung bis zum Ende der Schwangerschaft verschoben werden oder die Möglichkeit alternativer Verfahren (mit weniger oder keiner Strahlendosis, zum Beispiel Ultraschall oder MRT) erwogen werden.

Biologische Strahlenwirkung

Es wird zwischen zwei Kategorien biologischer Strahlenwirkungen unterschieden: deterministische und stochastische Strahlenwirkungen.

  • Deterministische Wirkungen entstehen durch die Abtötungen von Gewebezellen und führen zu einem Ungleichgewicht zwischen Zellnachschub und Zellverlust. Übersteigt dieses Ungleichgewicht eine kritische Schwelle, wird das betroffene Organ oder Gewebe geschädigt. Für deterministische Wirkungen werden Schwellendosen angenommen, unterhalb derer die Anzahl abgetöteter Zellen zu gering ist, um die Funktion von Organen oder Geweben nachhaltig zu beeinträchtigen.
  • Stochastische Wirkungen entstehen durch Veränderungen der genetischen Information der Zellen (DNS). Hierdurch können zelluläre Kontrollmechanismen gestört werden. Dadurch kann es zur Entstehung einer bösartigen Erkrankung wie Krebs oder Leukämie kommen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Effekte eintreten, steigt mit zunehmender Dosis an. Eine Schwellendosis wird in diesem Fall nicht angenommen.

Auswirkungen

Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen zählen zu den deterministischen Wirkungen einer Strahlenexposition. Ihr Auftreten wird nicht nur von der Höhe der Strahlendosis auf das noch ungeborene Kind bestimmt, sondern auch vom Entwicklungsstadium des Ungeborenen und damit vom Zeitpunkt der Bestrahlung im Schwangerschaftsverlauf.

  • Frühe Phase einer Schwangerschaft: Die Strahlenwirkung kann zum Ausbleiben der Einnistung oder zum Absterben der Leibesfrucht führen. Die untere Schwellendosis für diesen Effekt liegt zwischen 50 und 100 Millisievert (mSv) (Ganzkörperdosis des Ungeborenen).
  • 4. bis 10. Schwangerschaftswoche (gerechnet ab dem ersten Tag der letzten Regelblutung): Während der so genannten Organogenese teilen und differenzieren sich die Zellen. Embryonalen Organanlagen, zum Beispiel für Herz und Nervensystem, werden gebildet. In dieser Phase besteht das Risiko für Fehlbildungen. In Tierversuchen wurden hierfür Dosis-Schwellen beobachtet. Für den Menschen werden als Schwellendosis Werte in Höhe von 50 bis 100 mSv angenommen.
  • Ab der 10. Schwangerschaftswoche: Strahlenexpositionen können eine Fehlentwicklung des Gehirns zur Folge haben. Bei den Atombomben-Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki wurde bei Kindern, die in dieser Schwangerschaftsperiode im Mutterleib durch die Atombombenexplosion bestrahlt worden waren, vermehrt eine geistige Unterentwicklung festgestellt. Für diese Strahlenwirkung wird eine Schwellendosis von etwa 300 mSv angenommen.
  • Gesamte Schwangerschaft: Bezüglich der stochastischen Schäden gilt es inzwischen als gesichert, dass das Krebsrisiko nach einer Bestrahlung im Mutterleib – unabhängig von der Entwicklungsphase – erhöht ist. Die entsprechenden Risikoschätzungen sind allerdings mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.

Bezogen auf eine einzelne Untersuchung wird im Rahmen der üblichen radiologischen und nuklearmedizinischen Diagnostik die konservativ abgeschätzte Schwellendosis von 50 mSv für das Ungeborene im Allgemeinen nicht überschritten.

Quelle:Bundesamt für Strahlenschutz

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