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Tumorszintigraphie mit 123-J-mIBG

Karl-Heinz Szeifert 5 Jun, 2018 00:00

Die Autorin des Beitrags ist Lehr-MTA an der Medizinisch-technischen-Akademie Esslingen und unterrichtet dort die Fächer Röntgendiagnostik, Röntgenanatomie und Nuklearmedizin. Ihr heutiger Beitrag beschreibt die mIBG-Szintigraphie - eine etwas seltenere Untersuchung aus der Nuklearmedizin.

Die Tumorszintigraphie mit 123-J mIBG

Themenübersicht:

  • Begriffserklärung
  • Indikationen
  • Anreicherungsprinzip
  • Normalverteilung
  • Radiopharmakon
  • Aktivitätsmenge
  • Injektionstechnik
  • Patientenvorbereitungen
  • Gerätevorbereitungen
  • Durchführung der Untersuchung mit Aufnahmeparameter
  • mIBG-Therapie mit 131-J-mIBG
  • Fallbeispiele

Begriffserklärung:

mIBG = Metaiodbenzylguanidin

Indikationen:

Die mIBG -Szintigraphie wird zur Darstellung von neuroendokrinen Tumoren verwendet. Neuroendokrine Tumoren (NET) sind Tumoren, die ihren Ursprung aus dem Neuro-Ektoderm (Neuralleiste) nehmen und deren Zellen den endokrinen Drüsenzellen gleichen. Oft produzieren diese Tumoren Hormone. Zu den neuroendokrinen Tumoren, die mit mIBG dargestellt werden, gehören:

Neuroblastome

Neuroblastome sind bösartige solide‎ Tumoren, die aus entarteten unreifen Zelle‎n des sympathischen Nervensystems (den sog. Neuroblasten) hervorgehen. Mit fast 8 % aller kindlichen Tumorerkrankungen sind sie, nach Hirntumor‎en, die häufigsten soliden Tumoren im Kindes- und Jugendalter.

Neuroblastome können überall dort auftreten, wo sich sympathisches Gewebe findet: Nebennieren, zervikaler, thorakaler und abdomineller Grenzstrang (Nervengeflecht beidseits der Wirbelsäule) und Paraganglien. Der Tumor ist in 70% der Fälle im Abdomen lokalisiert, bei 20% im Thorax. Etwa die Hälfte aller Neuroblastome ist bei Diagnosestellung bereits metastasiert.

Bei vielen Patienten mit einem Neuroblastom, sind Katecholamin-Metaboliten (Metaboliten = Stoffwechsel- bzw. Zwischenprodukte, die im Organismus durch Auf- oder Abbaureaktionen entstehen) im Blut oder im Urin nachzuweisen und werden auch als Tumormarker eingesetzt.

Als bildgebende Verfahren werden MRT und Sonographie eingesetzt. Die anschließende mIBG-Szintigraphie mit Metaiodbenzylguanidin zur Lokalisierung von Primärtumor und Fernmetastasen ist bei Diagnosestellung unerlässlich. Außerdem wird die mIBG-Szintigraphie zum Staging, zur Therapiekontrolle und zur Planung einer mIBG-Therapie im weiteren Verlauf der Erkrankung durchgeführt.

Phäochromozytome

Phäochromozytome sind seltene, meist benigne Tumore des Nebennierenmarkes. 10% sind allerdings maligne. s. Sie produzieren vermehrt die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin. Der Tumor geht von chromaffinen Zellen aus. Die chromaffinen Zellen sind neuroektodermalen Ursprungs und damit grundsätzlich Teil des sogenannten neuroendokrinen Systems.

Oft fällt ein Phäochromozytom auf Grund der vermehrten Ausschüttung der Katecholamine durch einen Bluthochdruck auf, der sich medikamentös nicht einstellen lässt. Weitere wichtige Symptome sind vor allem Kopfschmerzen, Schwitzen und Tachykardie. Hinzukommen können Tremor, Nervosität, Gewichtsverlust, Blässe, Übelkeit und Bauchschmerzen. Laborchemisch fallen eine erhöhte Konzentration von Katecholamine und ihre Abbauprodukte im Urin auf.

Abb.1

Als bildgebende Verfahren werden CT, MRT und Sonographie eingesetzt. Die mIBG-Szintigraphie dient vor allem dem Ausschluss eines Phäochromozytoms außerhalb der Nebenniere und zur Lokalisierung von Fernmetastasen bei malignen Phäochromozytom. Außerdem wird die mIBG-Szintigraphie zum Staging, zur Therapiekontrolle und zur Planung einer mIBG-Therapie im weiteren Verlauf der Erkrankung durchgeführt.

In neuester Zeit wird das 18-F DOPA-PET als neues nuklearmedizinisches Diagnoseverfahren eingeführt.

Auch bei anderen neuroendokrinen Tumoren, wie Paragangliome, medullären Schilddrüsenkarzinomen und Karzinoiden kann eine mIBG-Speicherung möglich sein.

Anreicherungsprinzip:

mIBG ähnelt strukturell Noradrenalin und wird über einen aktiven Mechanismus in neuroendokrine Zellen von Katecholamin bildende Tumore eingelagert. (Siehe Abb.1)

Normalverteilung

Folgende Organe stellen sich im MIBG-Szintigramm physiologisch dar:

  • a: Speicheldrüsen
  • b: Schilddrüse
  • c: Lunge
  • d: Herz
  • e: Leber
  • f: Darm
  • g: Harnblase
  • Milz (nur in dorsaler Aufnahme sichtbar)
  • sympatische Innervation, freies Jodid, Ausscheidung

Radiopharmakon:

Als Radiopharmakon wird 123J oder 131J markiertes Metajodbenzylguanidin (mIBG) verwendet.

123-J-mIBG ist ein Gammastrahler mit einer Energie von 159 keV. Es hat eine HWZ von 13,13 Std. 123-J-mIBG wird ausschließlich für die diagnostische Bildgebung verwendet.

131J-mIBG ist ein Gammastrahler mit einer Energie von 364 keV. Die HWZ beträgt 8 Tage. Zusätzlich emittiert 131J-mIBG Betastrahlung mit einer Energie von 0.61 MeV and 0.192 MeV. Aufgrund dieser Eigenschaften und der damit verbunden erhöhten Strahlenbelastung wird 131J-mIBG nur die mIBG-Therapie verwendet.

Beide Radiopharmaka sind Zyklotronprodukte, und müssen deshalb mehrere Tage vor der Untersuchung bestellt werden.

li Körpergewicht in kg re Aktivität in MBq

Aktivitätsmenge

400 MBq 123J-mIBG

Kinder entsprechend der pädiatrischen Dosiskarte der EANM (siehe Tabelle rechts):

Nähere Informationen zur pädiatrischen Dosiskarte der EANM:

http://www.eanm.org/docs/dosagecard.pdf

Injektionstechnik:

langsame (mind. 5 min), intravenöse Injektion unter Blutdruckkontrolle (hypertensive Krise durch Verdrängungsreaktion von Noradrenalin durch mIBG möglich).

Patientenvorbereitungen:

  • Schwangerschaft und Laktation bei gebärfähigen Frauen ausschließen
  • SD-Blockade mit Irenat, weil bei der Applikation des Radiopharmakons immer ein kleiner Teil von freiem (nicht an MIBG gebundenem) 123J in die Schilddrüse gelangt. - Vorgehensweise: mind. 30- 60 min vor der 123J-mIBG Injektion 60 Tropfen Irenat, dann SD-Blockade mit 3 x tägl. 20 Tropfen Irenat für 3Tage wiederholen. Bei Kindern Dosierung anpassen (1 Tropfen / kg/Körpergewicht)
  • Medikamente nach Rücksprache mit Arzt absetzen: z.B. trizyklische Antidepressiva, ACE-Hemmer, reserpinhaltige Antihypertensiva, bronchienerweiternde Asthmasprays, Schnupfensprays. Sie besitzen ähnliche chemische Eigenschaften wie das MIBG und können somit die Bindung des Radiopharmakons am Zielgewebe behindern.
  • gute Hydrierung zur Reduzierung der Strahlenbelastung.

Vorbereitung an der Gammakamera:

  • Medium Energy Kollimator (ideal), auch LEHR-Kollimator möglich
  • Peak auf 159 keV (123-J) ändern
  • Großfeldgammakamera mit Ganzkörperzusatz und SPECT-Zusatz verwenden

Durchführung der Untersuchung:

  • Patient Blase entleeren lassen, bei Säuglingen frische Windeln
  • Metallteile entfernen lassen
  • Patientenlagerung: Rückenlage, Hände flach auf dem Tisch, Arme dicht am Körper, Beine leicht nach innen rotiert und an den Füßen mit Stauschlauch fixiert.
  • Bei Kindern: Port oder Hickmankatheter außerhalb des Körpers lagern, sehr kleine Kinder am besten direkt auf den Kamerakopf.

Aufnahmen werden nach:

  • 4-6 h p.i. (Kontrolle der physiologischen Verteilung),
  • ca. 24 h. p.i. (man erhält den besten Tumor-Untergrund-Kontrastevent).
  • 48h p.i. (bei unklarer Speicherung)

nach unten genannten Aufnahmeparameter angefertigt.

Aufnahmeparameter:

4-6 h. p.i. Ganzkörperszintigramm (GKS) 10 cm/ min Matrix 1056 x 256

  • Neuroblastom: bei sehr kleinen Kindern nur Teilkörper-Aufnahmen machen

Teilkörperszintigramm (TK) ca. 10 min/pro Bild Matrix 256 x 256

  • Neuroblastom: Körperstamm 250.000 cts

Extremitäten 50.000– 100.000 cts

Schädel 100.000 ct

! bei Neuroblastomen ist es notwendig zusätzlich eine seitl. Schädelaufnahme anzufertigen, weil Neuroblastome oft in die Schädelkalotte und-basis metastasieren !

24 h. p.i. GKS des Körperrumpfes 5 cm/ min Matrix 1056 x 256

  • Neuroblastom: bei sehr kleinen Kindern nur Teilkörper-Aufnahmen machen

Teilkörper ca. 20 min/pro Bild Matrix 256 x 256

  • Neuroblastom: Körperstamm 250.000 cts

Extremitäten 50.000 – 100.000 cts

Schädel 100.000 cts

SPECT 30 sec / Winkelschritt, 3 Grad / Winkelschritt, Matrix 128 x 128

ggf. 48 h. p.i. Teilkörperszintigramm ca. 40 min/pro Bild Matrix 256 x 256

Aufnahmeparameter s.o.

Qualitätskontrolle:

Die Aufnahmen sollten vor dem Verlassen des Patienten auf Bewegungsartefakte kontrolliert werden.

Therapie mit 131J-mIBG

Prinzip:

131J-mIBG wird von den Zellen des neuroendokrinen Systems, also von den Tumorzellen von Neuroblastomen, Phäochromozytomen und Paragangliomen aufgenommen und, mit 131J als Betastrahler mit hoher Energie strahlentherapeutisch behandelt.

Indikation:

Die 131J-mIBG-Therapie wird überwiegend nach Ausschöpfung der übrigen therapeutischen Möglichkeiten in fortgeschrittenen Tumorstadien durchgeführt. Der klinische Erfolg liegt bei 20 bis 50%. Dies sind allerdings meist nur Teilremissionen (= teilweise Zurückdrängung der Tumorerkrankung)

Durchführung:

Nach diagnostischer 123J-mIBG-Szintigraphie zum Nachweis der Aktivitätsspeicherung in Tumoren und Metastasen, wird 2 bis 10 GBq 131J-mIBG als Infusion über mehrere Stunden verabreicht. Es ist ein mehrtägiger Aufenthalt auf einer nuklearmedizinischen Therapiestation notwendig.

Risiken:

Schädigung des Knochenmarkes mit Thrombopenie und Leukopenie

Fallbeispiele:

Unauffälliger Befund:

Da sich in den Ganzkörperaufnahmen keine pathologischen Speicherherde in der Nebennierenregion zeigen, sollten Sie SPECT-Aufnahmen anfertigen. Dadurch können Sie das Abdomen aus verschiedenen Projektionen beurteilen und so sicher das Phäochromozytom ausschließen.

Dringender V.a. Phäochromozytom rechts

Eine so kräftige Speicherung von 123-MIBG ist dringend verdächtig auf einen pathologischen Befund, insbesondere wenn der Befund einseitig ist.

Multiple Metastasen bei malignen Phäochromozytom

Was fällt auf?

  1. dringender Verdacht auf ein Phäochromozytom li
  2. unzureichende Schilddrüsenblockade mit Irenat

MTRA.de bedankt sich sehr herzlich bei Astrid Marquart Lehr-MTA an der Medizinisch-technischen-Akademie Esslingen

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Literatur:

  • Fischer S., Brinkbäumer K., Untersuchungsanleitungen für die nuklearmedizinische Diagnostik bei Erwachsenen und Kindern, Springer Verlag, Berlin, 2001
  • Hermann, Hans-Joachim, Nuklearmedizin, Urban & Fischer Verlag, München, 2004
  • Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin - mIBG-Szintigraphie bei Kindern
  • Schicha, Harald und Schober, Otmar, Nuklearmedizin- Basiswissen und klinische Anwendung, Schattauer Verlag, Stuttgart, 2007
  • Arbeitsblätter von Diane Feil bei der Lehrprobe am 9.12.2012 an der MTAE-Esslingen im Rahmen Ihrer Lehr-MTA-Weiterbildung

Internet:

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