32 Jahre nach Tschernobyl

Wildpilze teilweise noch radioaktiv belastet

Karl-Heinz Szeifert 29 Oct, 2018 00:00

Auch 32 Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl sind deren Auswirkungen in Deutschland zu beobachten. Das belegen Messergebnisse, die das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in zwei aktuellen Berichten veröffentlicht hat.

Demnach sind einzelne Wildpilzarten in bestimmten Regionen Bayerns nach wie vor stark radioaktiv belastet. Bei landwirtschaftlichen Produkten insgesamt ist die Belastung infolge des Reaktorunfalls von Tschernobyl aber deutlich zurückgegangen und die aktuellen Messwerte sind gering.

Bei einer Reihe wild wachsender Speisepilze werden immer noch deutlich erhöhte Werte des radioaktiven Cäsium (Cäsium-137) gemessen, welches nach dem Unfall in Tschernobyl ausgetreten ist. Das geht aus dem aktuellen BfS-Bericht "Radioaktive Kontamination von Speisepilzen (Stand: 2017)" hervor. Beispielsweise können Braunscheibige und Orangefalbe Schnecklinge oder Rot-braune Semmelstoppelpilze bis zu einige 1.000 Becquerel (Bq) Cäsium-137 pro Kilogramm Frischmasse aufweisen.

"Bei einigen Wildpilzarten kann auch mehr als drei Jahrzehnte nach dem Tschernobyl-Unfall noch keine Entwarnung gegeben werden. Unsere Messergebnisse zeigen, dass die radioaktive Belastung dieser Pilzarten im Gegensatz zu anderen Lebensmitteln nach wie vor sehr hoch ist", sagt BfS-Präsidentin Inge Paulini. Wegen seiner Halbwertszeit von rund 30 Jahren ist das aus dem Tschernobyl-Unfall stammende Cäsium-137 bisher erst rund zur Hälfte zerfallen.

Mit einer Mahlzeit höher belasteter Wildpilze kann dem Körper mehr Cäsium-137 zugeführt werden als mit Lebensmitteln aus landwirtschaftlicher Produktion innerhalb eines ganzen Jahres. Gesundheitliche Folgen sind dennoch nicht zu befürchten, wenn selbst gesammelte Wildpilze in üblichen Mengen verzehrt werden. Für Pilze, die in den Handel gebracht werden, gilt, dass ein Grenzwert von 600 Becquerel pro Kilogramm nicht überschritten werden darf.

Die höchsten Gehalte an Cäsium-137 in Wildpilzen sind in höher kontaminierten kleineren Gebieten im Bayerischen Wald, im Donaumoos südwestlich von Ingolstadt und in der Region Mittenwald zu finden. Diese Gebiete wurden durch den Reaktorunfall im Jahr 1986 zehnmal höher belastet als beispielsweise der Norden Deutschlands. In anderen Regionen sind die Werte in Pilzen wegen der geringeren Ablagerung von Cäsium-137 entsprechend niedriger.

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Video rechts:

Deutschland wurde von dem Reaktorunfall von Tschernobyl sehr unterschiedlich betroffen, vor allem Gebiete Süddeutschlands sind noch heute belastet. Hier treten erhöhte Werte an Radioaktivität in manchen Pilzen und bei Fleisch von Wildtieren auf.

Im nebenstehenden Video erklärt Dr. Martin Steiner, inwiefern Lebensmittel heute noch von Tschernobyl belastet sind.


Grund dafür, dass Wildpilze in den betroffenen Regionen deutlich stärker belastet sein können als landwirtschaftliche Erzeugnisse, ist die unterschiedliche Beschaffenheit von Waldböden und landwirtschaftlich genutzten Böden. Die Werte des Cäsium-137 in landwirtschaftlichen Produkten liegen derzeit in Deutsch-land im Bereich von nur einigen Becquerel pro Kilogramm und darunter. In Deutschland werden mit Nahrungsmitteln aus landwirtschaftlicher Erzeugung im Mittel weniger als 100 Becquerel Radiocäsium pro Person und Jahr aufgenommen.

Insgesamt ist die radioaktive Belastung von Lebensmitteln als Folge des Tschernobyl-Unglücks deutlich zurückgegangen. Das geht aus einem aktuellen Bericht zur Umweltradioaktivität in Deutschland hervor, in dem das BfS und andere Leitstellen des Bundes Messergebnisse aus den Jahren 2014 bis 2016 veröffentlichen. So sind beispielsweise die Werte des Cäsium-137 bei Fischen aus Binnen-gewässern in Süddeutschland seit 1986 um den Faktor 200 gesunken. Bei Milch nimmt die Belastung stetig ab und liegt auf einem niedrigen Niveau. Bei Trink- und Grundwasser sind nahezu alle Messwerte für Radiocäsium sehr gering und liegen weit unterhalb der geforderten Nachweisgrenzen.


Siehe auch unseren Beitrag Rückblick auf Tschernobyl 1986 vom 26 April 2011


Quelle: Pressemtteilung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) vom 17.10.2018

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