Ein neues Berufsbild in Europa?

Der Sonographer

Karl-Heinz Szeifert 14 Feb, 2019 00:00

Ultraschall ist häufig das erste Bildgebungsverfahren in der diagnostischen Kette. Darüber hinaus spielt die Sonographie aufgrund der Zunahme chronischer Erkrankungen und demografischer Veränderungen eine immer wichtigere Rolle.


Ein Bericht von Fabrizio D’Abate und Angelo La Leggia


Der schnelle technologische Fortschritt rückt Ultraschallverfahren immer stärker in den Mittelpunkt der Diagnose und des klinischen Managements von Patienten. Ultraschall wird sowohl in der Prävention als auch der Diagnostik einer Vielzahl von Erkrankungen angewendet. Eine sichere und genaue Ultraschalluntersuchung erfordert jedoch eine umfassende Ausbildung des Schallers – und viel Erfahrung. Aus diesem Grund wurde das Berufsbild des „Sonographer“ entwickelt.

Der Sonographer ist Anbieter von Gesundheitsleistungen, jedoch kein Arzt

Mithilfe der Ultraschalltechnologie erstellt er Aufnahmen, die in das diagnostische Verfahren eingebunden werden und so den Arzt bei der Formulierung der endgültigen Diagnose unterstützen. In den USA, in Kanada, Australien, Neuseeland und weiten Teilen des Vereinigten Königreichs ist dieser Ausbildungsberuf bereits seit langem etabliert und eine tragende Säule des Gesundheitswesens. Großbritannien nimmt dabei eine Sonderstellung in Europa und weltweit ein, da dort die Sonographer nicht nur die Ultraschalluntersuchung durchführen, sondern auch für die Befundung und deren Dokumentation verantwortlich sind.

Berufliche Zertifizierung

Die Anforderungen für die klinische Praxis unterscheiden sich stark von Land zu Land. Da Sonographer einen großen Entscheidungsspielraum haben und diagnostischen Input liefern, ist eine spezialisierte Ausbildung, meist auf Postgraduierten- bzw. Master-Niveau, unerlässlich.

In vielen Ländern benötigen medizinische Ultraschaller eine Zertifizierung: Sie müssen Kenntnisse in Physik, Schnittbildanatomie, Physiologie und Pathologie vorweisen und mit den Symptomen einer Krankheit ebenso wie mit Behandlungsoptionen vertraut sein. Dabei gibt es unterschiedliche Spezialgebiete, etwa Kardiologie, Gefäße, muskuloskelettale Sonographie, Abdomen, Weichteile, Geburtshilfe und Gynäkologie, Pädiatrie und Neurologie. Die – sehr heterogene – Arbeitspraxis der Sonographer in Europa beschränkt sich derzeit auf Schweden, Dänemark, Italien, Portugal, Norwegen und die Niederlande, wobei in einigen Ländern nur Pilotprojekte durchgeführt werden. In Deutschland wächst das Interesse der Ärzte am Berufsbild des „Sonographer“ nach dem Vorbild Großbritanniens, in einigen anderen Ländern spielt man mit dem Gedanken, den Sonographer einzuführen, der dann auch für die Befundung und Dokumentation verantwortlich sein soll.

Die Mehrheit der Sonographer in den Ländern des Mittelmeerraums arbeitet in der Kardiologie und der Gefäßchirurgie. Die Tatsache, dass es keine europaweit einheitliche und strukturierte Ultraschallausbildung gibt, wird durch uneinheitliche regulatorische Vorschriften in den einzelnen Ländern noch verschärft. Dies wiederum wirkt sich negativ auf die Qualität der technischen Ausbildung und das berufliche Kenntnisniveau aus. Je stärker die Nachfrage nach schnellen und preiswerten Ultraschalluntersuchungen steigt, desto stärker wird der Druck auf die Kliniker angesichts des Mangels an qualifiziertem und erfahrenem Personal. Der konkrete und europaweite Engpass an Ultraschall-Fachkräften ist darauf zurückzuführen, dass in den meisten europäischen Ländern Ultraschall nur während der Assistenzjahre gelehrt wird, und dass es keine einheitlichen Standards der Qualitätssicherung und keine Mindeststandards für Lehrpläne gibt.

Professor Dr. Christian Arning (Chefarzt der Neurologie, Asklepios Klinik Wandsbek) hat bereits 2008 darauf hingewiesen, dass die Qualifikationen, die ein Lehrender im Bereich Ultraschall mitbringen muss, in den Assistenzarzt-Regularien nicht definiert sind.[1] Dies hat zur Folge, dass häufig ein Assistenzarzt sein Teilwissen an den nächsten weitergibt. Bei der Sonographie spielt die Erfahrung des Schallers aber eine zentrale Rolle. Während Ärzte gewisse Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich Ultraschall mitbringen sollten, ist der Sonographer ein ausgewiesener Ultraschallexperte, der zum Wohle des Patienten mit den Ärzten zusammenarbeitet.

Die Einführung des Berufsbilds „Sonographer“ könnte sich auch positiv auf die Förderung von Screening-Programmen innerhalb der verschiedenen Disziplinen auswirken. Dieser neue Beruf könnte helfen, Wartezeiten auf einen Ultraschalltermin zu verkürzen und die Anzahl komplexer und teurer Bildgebungsverfahren (und damit auch die Strahlenexposition) zu verringern. Dies würde die Verweildauer im Krankenhaus verkürzen und die damit zusammenhängende Kosten senken. Die Zusammenarbeit mit Sonographern ermöglicht es den Ärzten, mehr Zeit auf die eigentliche Behandlung zu verwenden und so ihre Kompetenzen zu stärken und Verantwortung zu teilen.

Ein eigener Bereich in den Fachgesellschaften

Ein weiterer Vorteil: Die Kosten und die Dauer der Ultraschallausbildung sinken. Derzeit gibt es bereits mehrere Initiativen, die sich für die Schaffung des Berufsbildes „Sonographer“ einsetzen. Das hat unter anderem zu eigenen Sektionen in den relevanten Fachgesellschaften geführt, etwa in der European Society of Vascular Surgery, der European Society of Echocardiography und der European Federation of Ultrasound in Medicine and Biology. Trotz der genannten Vorteile gilt es einige Hindernisse zu überwinden, die der Entwicklung dieses neuen Berufsbildes entgegenstehen: Niveau und Kontrolle der Kompetenzen und die Praxis der neuen Aufgaben eines Sonographen. Die europäischen Länder sollten ein konkretes und einheitliches Curriculum für die Ausbildung von Sonographern erarbeiten, und die Kliniker sollten diesen neuen Berufsstand als eine wichtige Unterstützung bei der Versorgung der Patienten sehen – nicht als Konkurrenz.

[1] https://healthcare-in-europe.com/en/news/ultrasound-brings-many-advantages-but-trained-sonographers-are-too-few.html


Profile:

Angelo La Leggia, MSc PhDc, ist als klinischer Wissenschaftler auf Echokardiographie spezialisiert. Er erwarb einen BSc in kardialer Physiologie an der Universität Mailand, gefolgt von einem MSc in kardiovaskulärem Ultraschall und einem weiteren MSc in Gesundheitswissenschaften. Angesichts seiner „Leidenschaft für die Forschung“ ist es nur folgerichtig, dass La Leggia heute Doktorand in der klinischen Kardiologieforschung ist. Er war acht Jahre lang in der kardiovaskulären Abteilung in Legnano, Italien, tätig, bevor er im Mai 2016 nach London ging. Derzeit ist er Oberarzt in der Echokardiographie am Royal Brompton Hospital. Sein besonderes Interesse gilt der 3D Echokardiographie und dem Speckle Tracking bei der Bildgebung von Klappenpathologien, insbesondere bei Patienten, die sich einer interventionellen und chirurgischen Herzklappenkorrektur unterziehen müssen.

Fabrizio D’Abate, MSc, ist klinischer Gefäßspezialist und Mitglied der Society of Vascular Technology of Great Britain and Ireland. Er erwarb einen MSc in Gefäßultraschall sowie in klinischen Trials in Florenz, Italien, und verbrachte ein Jahr am Vascular Research Institute in Exeter, UK, wo er mikro- und makrovaskulärer Komplikationen von Diabetes mithilfe nicht-invasiver Technologien erforschte. Heute ist er Senior Clinical Vascular Scientist am renommierten St George’s Vascular Institute am St George’s Hospital, London. Dort ist er für die nicht-invasive Bildgebung im Rahmen der Gefäßchirurgie verantwortlich. Seine klinischen/Forschungsschwerpunkte sind diabetesassoziierte Gefäßkomplikationen und Bildgebung, sportassoziierte Gefäßerkrankungen (Endofibrose der Iliakalarterien, Popliteakompression), Screening-Programme für Bauchaortenaneurysmen und thorakale Aneurysmen. Er ist aktives Mitglied der INSITE (International group of expert for the detection and management of Iliac Endofibrosis).

Kontakte:

  • laleggia.angelo@gmail.com
  • fabrizio.d'abate@nhs.net / Fabrizio.D'Abate@stgeorges.nhs.uk

Dieser Artikel wurde zuerst vom European Hospital Verlag veröffentlicht und wurde MTA-R.de freundlicherweise überlassen. Lesen Sie weitere Beiträge zur diagnostischen Bildung und MTRA auf https://healthcare-in-europe.com/de/diagnostische-bildgebung/


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