So geht's richtig !

Der legale Ablauf einer Röntgenuntersuchung

Karl-Heinz Szeifert 11 Jan, 2023 02:00

Der ordnungsgemäße Ablauf einer Röntgenuntersuchung ist im Wesentlichen geregelt durch die nachstehenden Paragraphen (Auszüge) aus dem Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) und der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV). Leider wird dies oft nicht eingehalten! - Aber Vorsicht! - Bei Zuwiderhandlungen drohen sogar strafrechtliche Folgen !

A. Gesetzliche Grundlagen zur regelkonformen Anwendung von ionisierender Strahlung am Menschen.

Betrachten wir hierzu zunächst mal die dafür relevanten Paragraphen des StrlSchG und der StrlSchV:

§ 83 StrlSchG Anwendung ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe am Menschen

  • Die Anwendung darf erst durchgeführt werden, nachdem ein Arzt oder Zahnarzt mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz entschieden hat, dass und auf welche Weise die Anwendung durchzuführen ist (rechtfertigende Indikation).
  • Die rechtfertigende Indikation erfordert bei Anwendungen im Rahmen einer medizinischen Exposition die Feststellung, dass der gesundheitliche Nutzen der einzelnen Anwendung gegenüber dem Strahlenrisiko überwiegt.
  • Die rechtfertigende Indikation (RI) darf nur gestellt werden, wenn der Arzt oder Zahnarzt, der die Indikation stellt, die Person, an der ionisierende Strahlung oder radioaktive Stoffe angewendet werden, vor Ort persönlich untersuchen kann, es sei denn, es liegt ein Fall der Teleradiologie nach § 14 Absatz 2 vor.
  • Die Exposition durch eine Untersuchung mit ionisierender Strahlung oder radioaktiven Stoffen ist so weit einzuschränken, wie dies mit den Erfordernissen der medizinischen Wissenschaft zu vereinbaren ist. 2Bei der Anwendung ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe zur Behandlung von Menschen ist die Dosis außerhalb des Zielvolumens so niedrig zu halten, wie dies unter Berücksichtigung des Behandlungsziels möglich ist. 3Satz 1 gilt entsprechend für nichtmedizinische Anwendungen.

§ 85 StrlSchG Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und behördliche Mitteilungspflichten von Daten und Bilddokumenten bei der Anwendung am Menschen

Der Strahlenschutzverantwortliche hat dafür zu sorgen, dass über die Anwendung ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe am Menschen unverzüglich Aufzeichnungen angefertigt werden.

Die Aufzeichnungen müssen Folgendes enthalten:

  • Angaben zur rechtfertigenden Indikation und den Zeitpunkt der Indikationsstellung,
  • den Zeitpunkt und die Art der Anwendung,
  • Angaben zur Exposition der untersuchten oder behandelten Person oder zur Ermittlung dieser Exposition……
  • den erhobenen Befund einer Untersuchung,
  • den Bestrahlungsplan und das Bestrahlungsprotokoll einer Behandlung.

§ 119 StrlSchV Rechtfertigende Indikation

  • Eine rechtfertigende Indikation ist auch dann zu stellen, wenn eine Anforderung eines überweisenden Arztes oder Zahnarztes vorliegt.
  • Der die rechtfertigende Indikation stellende Arzt oder Zahnarzt hat vor der Anwendung, erforderlichenfalls in Zusammenarbeit mit dem überweisenden Arzt oder Zahnarzt, die verfügbaren Informationen über bisherige medizinische Erkenntnisse heranzuziehen, um jede unnötige Exposition zu vermeiden Zu diesem Zweck ist die zu untersuchende oder zu behandelnde Person über frühere Anwendungen ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe, die für die vorgesehene Anwendung von Bedeutung sein können, zu befragen.

§ 124 StrlSchV Informationspflichten

  • Der Strahlenschutzverantwortliche hat dafür zu sorgen, dass eine Person, an der ionisierende Strahlung oder radioaktive Stoffe angewendet werden vor der Anwendung über das Risiko der Strahlenanwendung informiert wird.

§ 145 StrlSchV Berechtigte Personen bei der Anwendung am Menschen

Der Strahlenschutzverantwortliche hat dafür zu sorgen, dass die technische Durchführung bei der Anwendung ionisierender Strahlung und radioaktiver Stoffe am Menschen ausschließlich durch folgende Personen vorgenommen wird:

  • 1.Personen, die nach Absatz 1 ionisierende Strahlung und radioaktive Stoffe am Menschen anwenden dürfen, (= Fachkundige Ärzte)
  • 2.Personen mit einer Erlaubnis nach § 1 Absatz 1 Nummer 2 des MTA-Gesetzes vom 2. August 1993 (BGBl. I S. 1402), das zuletzt durch Artikel 21 des Gesetzes vom 18. April 2016 (BGBl. I S. 886) geändert worden ist. (= MTRAs)
  • 3.Personen mit einer staatlich geregelten, staatlich anerkannten oder staatlich überwachten erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung, wenn die technische Durchführung Gegenstand ihrer Ausbildung und Prüfung war und sie die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz besitzen, 4.Personen, die sich in einer die erforderlichen Voraussetzungen zur technischen Durchführung vermittelnden beruflichen Ausbildung befinden, wenn sie unter ständiger Aufsicht und Verantwortung einer Person nach Absatz 1 Nummer 1 Arbeiten ausführen, die ihnen im Rahmen ihrer Ausbildung übertragen sind, und sie die erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz besitzen, 5.Personen mit einer erfolgreich abgeschlossenen sonstigen medizinischen Ausbildung, wenn sie unter ständiger Aufsicht und Verantwortung einer Person nach Absatz 1 Nummer 1 tätig sind und die erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz besitzen, (=in der Regel MFA und sonstiges Med. Personal mit Kenntnissen im Strahlenschutz „Röntgenschein“ )
  • 6.Medizinphysik-Experten, wenn sie unter ständiger Aufsicht und Verantwortung einer Person nach Absatz 1 Nummer 1 tätig sind.

B. Folgerungen für einen regelkonformen Ablauf

Für einen ordnungsgemäßen Ablauf einer Röntgenanwendung von der Stellung der rechtfertigenden Indikation bis zur Befunderstellung ergeben sich dadurch unter anderem auch zwingend zeitlich einzuhaltende Handlungsabläufe, die im folgendem beschrieben werden.

1. Rechtfertigende Indikation:

  • Die RI ist die zwingende Voraussetzung zur Durchführung einer Röntgenanwendung und geht deshalb einer Röntgenuntersuchung immer voraus. Eine Missachtung dieser Vorschrift kann eine Straftat bedingen.
  • Die RI kann ausschließlich durch einen in seinem Anwendungsgebiet fachkundigen Arztes gestellt werden, der die Feststellung treffen muss, ob der gesundheitliche Nutzen der einzelnen Anwendung gegenüber dem Strahlenrisiko überwiegt.
  • Die Fragestellung sollte sich dabei im Normalfall auch an die neueste Auflage der Orientierungshilfe für bildgebende Verfahren der Strahlenschutzkommission (SSK) richten. Die Orientierungshilfe empfiehlt für die unterschiedlichen diagnostischen Fragestellungen jeweils das am besten geeignete bildgebende Verfahren. Es befreit den anwendenden Arzt oder die anwendende Ärztin jedoch nicht von der Pflicht, in jedem individuellen Fall die rechtfertigende Indikation für die gewählte Untersuchungsart zu stellen und zu dokumentieren.
  • Der fachkundige Arzt muss, um die RI zu stellen, den Patienten auch persönlich untersuchen können und muss sich deshalb in räumlicher Nähe des Untersuchungsraumes befinden. (Praxis oder Krankenhaus).
  • Die rechtfertigende Indikation ist aus diesem Grund auch dann zu stellen, wenn bereits eine Anforderung eines überweisenden Arztes (selbst wenn dieser fachkundig ist) vorliegt.
  • Über die Angaben zur rechtfertigenden Indikation und den Zeitpunkt der Indikationsstellung müssen unverzüglich Aufzeichnungen angefertigt und dokumentiert werden. Es muss im Falle eine Überprüfung durch die Aufsichtsbehörden sichergestellt- und glaubhaft nachweisbar sein, dass vor der technischen Durchführung der Röntgenuntersuchung, ein fachkundiger Arzt zumindest die Patientenakte in Papierform oder digital sichten konnte und die rechtfertigende Indikation zuvor auch gestellt wurde. Wird die RI erst im Befund nach der technischen Durchführung dokumentiert ist dies nicht nachweisbar.
  • Außerdem muss der Patient vor der Anwendung über das Risiko der Strahlenanwendung informiert werden. Das kann, zumindest bei den Niedrigdosis-Aufnahmen, durch ein dem Patienten ausgehändigten Merkblatt - erfüllt werden.
  • Der Arzt der die RI stellt legt dann letztlich fest ob, welche und wie die Untersuchung durchgeführt wird dokumentiert die RI sowie den Zeitpunkt der Stellung der RI. Anschließend gibt er dies in einer geeigneten Form an das technisch durchführende Personal weiter. Dies kann mündlich schriftlich oder digital erfolgen.

2. Technische Durchführung:

Die technische Durchführung ist von einer in § 145 Abs. 2 StrlSchV aufgeführten Person durchzuführen. Das können sein:

  1. Der fachkundige Arzt selbst
  2. Ärzte mit Kenntnissen im Strahlenschutz, wenn diese unter ständiger Aufsicht und Verantwortung eines fachkundigen Arztes im entsprechenden Anwendungsgebiet tätig sind.
  3. MTRA
  4. MFA und sonstigem Medizinisches Personal mit Kenntnissen im Strahlenschutz (Röntgenschein 90-Std-Kurs) wenn diese unter ständiger Aufsicht und Verantwortung eines fachkundigen Arztes im entsprechenden Anwendungsgebiet tätig sind.

Dabei ist die Exposition durch eine Untersuchung mit ionisierender Strahlung ist so weit einzuschränken, wie dies mit den Erfordernissen der medizinischen Wissenschaft zu vereinbaren ist. (ALARA-Prinzip)

Die Dosis muss sich dabei an der Fragestellung orientieren. Dem technisch durchführenden Personal sollte deshalb bekannt sein, welcher fachkundige Arzt die rechtfertigende Indikation gestellt hat, damit die Dosis der Aufnahme der Fragestellung angepasst werden kann. Das korrekte Anlegen von Patientenschutzmittel - insbesondere von Gonadenschutz - ist zu beachten. Die Belichtungswerte von Fehlaufnahmen sind zu dokumentieren. Die Fehlaufnahmen selbst müssen nicht dokumentiert und aufbewahrt werden.

3. Befundung

Nach Fertigstellung der so korrekt angeforderten Aufnahmen, werden diese vom fachkundigen Arzt, oder von einem Arzt mit Kenntnissen im Strahlenschutz befundet.


C. MTA-R.de - FAZIT:

Eine Röntgenanwendung ist streng an die aktuelle Gesetzgebung gebunden. Ohne korrekt vorangegangener Stellung einer rechtfertigenden Indikation durch einen fachkundigen Arzt ist die Anwendung ionisierender Strahlung nicht legal und zu unterlassen.

Eine Abweichung der Reihenfolge – insbesondere dann, wenn die technische Durchführung vor der rechtfertigenden Indikation gestellt wurde - käme einer Rechtswidrigkeit gleich, die erhebliche Folgen nach sich ziehen kann. Wird eine solche Leistung auch noch abgerechnet, dürfte dies dies als Abrechnungsbetrug gewertet werden. Verantwortlich für die Umsetzung der Strahlenschutzorganisation sind der Strahlenschutzverantwortliche, bzw Strahlenschutzbeauftragte.

So auch (verkürzt) das Fazit des Beitrags RÖFO-BEITRAG 9 | SEITE 890 - 893 | SEPTEMBER 2020 zum Thema:

Strafrechtliche Rechtsprechung zur Stellung der rechtfertigenden Indikation mit einer Anmerkung zum Abrechnungsbetrug!

Die Angabe von wissentlich nicht oder nicht richtig erbrachten oder unvollständig erbrachten Leistungen stellen - wenn sie dann noch abgerechnet werden- in der Regel einen Betrug zum Nachteil der anderen Ärzte in der Fachgruppe dar. Ein solches Verhalten ist zu unterlassen. Dies kann nicht nur zu einer strafrechtlichen Verurteilung führen, sondern daneben zu einem Regress der Kassenärztlichen Vereinigung, der Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung, einem berufsrechtlichen Verfahren und zum Verlust der ärztlichen Approbation.

MTRA muss zwar nicht überprüfen, ob die RI regelrecht erstellt wurde, - wenn MTRA aber sicher nachweisen kann, dass eine Rechtswidrigkeit in seinem Handeln vorliegt, darf er zu diesem Handeln nicht gezwungen werden, da er sich dann selbst mitschuldig macht.

Das Veranlassen von radiologischen Untersuchungen ohne rechtfertigende Indikation nach § 83 StrlSchG ist kein Kavaliersdelikt. Zwar ist es nicht notwendig, dass der Arzt den Patienten vor der Aufnahme sieht. Allerdings muss er anhand der Überweisung und der Patientenunterlagen eine Entscheidung treffen, ob in diesem konkreten Fall der gesundheitliche Nutzen der Anwendung von Röntgenstrahlen am Menschen gegenüber dem Strahlenrisiko überwiegt. Nur wenn er diese Frage positiv beantwortet, darf das Praxispersonal die Untersuchung durchführen. Dabei muss er vor der Untersuchung zeitgleich mit dem Patienten anwesend sein. Denn falls Überweisung und Patientenunterlagen nicht aussagekräftig genug sind, muss er Rücksprache mit dem Patienten halten und ihn ggf. auch untersuchen können.

Und wichtig: Sowohl die Angaben zur rechtfertigenden Indikation, als auch der Zeitpunkt der Indikationsstellung müssen nachprüfbar vor der Untersuchung dokumentiert sein!


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