Gibt es eine Altersgrenze?

Gonadenschutz beim Röntgen - Update

Karl-Heinz Szeifert 21 Jun, 2019 00:00

Ein Thema, das immer wieder an uns herangetragen wird, ist das Anlegen und die Benutzung von Strahlenschutzmitteln wie die Hodenkapsel oder der Ovarialschutz. So auch die Frage: "Gibt es eine vorgeschriebene Altersgrenze für das Anbringen der Hodenkapsel, bzw des Ovarialschutzes?"

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Eine diesbezügliche Frage wurde auch im Forum-roev.de gestellt, die wie nachstehend beantwortet wurde.

Antwort von Prof Ewen aus dem Forum-roev.de zur Frage 1317:
“Es gibt keine Vorschriften oder anderweitige offizielle Regelungen zum Anlegen von Gonadenschutz bei Röntgenuntersuchungen, auch nicht, was eine eventuelle Altersgrenze betrifft. So muss man hier ausschließlich eine (strahlenbiologisch begründbare) Vernunft walten lassen. Wenn das Anlegen von Patientenschutz bei hohen Alter der Patienten mit einem möglicheweise damit verbundenen schlechten Allgemeinzustand Schwierigkeiten bereitet und vielleicht sogar im Extremfall die ordnungsgemäße Durchführung der Röntgenuntersuchung gefährdet, dann lässt man eben den Gonadenschutz weg!

Man sollte hier flexibel sein: Dort, wo die Nutzung von Gonadenschutz – auch bei Älteren – unproblematisch ist, wird man dies tun, falls mit Problemen verbunden, eben nicht. Sie hätten dann als MTRA keine z.B. behördlichen zu befürchten. Sinnvoll ist es, diese Situation mit dem Strahlenschutzbeauftragten abzusprechen und als Ergebnis dieser Absprache vielleicht einen kurzen Text zur Handhabung von Gonadenschutz zu verfassen.”

Grundsätzlich ist der Strahlenschutz nicht abhängig vom Alter. Denn nach § 8 des Strahlenschutzgesetzes (StrlSchG) muss jede unnötige Strahlenexposition von Menschen vermieden wer­den. Zudem muss gemäß § 9 des gleichen Gesetzes jede Strahlenexposition von Mensch und Umwelt auch unterhalb der nach der Röntgenverordnung festgelegten Grenzwerte so gering wie möglich gehalten werden.

Der Strahlenschutzverantwortliche und gegebenenfalls der Strahlenschutzbeauftragte haben für die Einhaltung dieser Pflichten zu sorgen. Verstöße hiergegen können eine Ordnungswidrigkeit darstellen.

Auch aus der Leitlinie der Bundesärztekammer zur Qualitäts­sicherung der Röntgendiagnostik ergibt sich, dass der Gonaden­schutz besonders zu beachten ist. Bei Männern müssen bei allen Röntgenuntersuchungen des Abdomens, des Harntrakts, des Magen-Darm-Traktes sowie des Beckens und der Lendenwirbel­säule grundsätzlich umschließende Hodenkapseln angewandt werden. Bei entfernteren Strahlenfeldern (z. B. bei Thoraxunter­suchungen) genügt eine Gonaden- oder Patientenschutzschürze. Bei Frauen ist die Anwendung eines Ovarienschutzes als direkte Abdeckung oder als indirekter Schutz durch Einschieben einer Bleiplatte in die Tiefenblende grundsätzlich zu fordern, soweit hierdurch der Informationsgehalt der Untersuchung nicht we­sentlich eingeschränkt oder die Wahrscheinlichkeit von Wieder­holungsaufnahmen nicht deutlich erhöht wird.

Welche Patientenschutzmittel erforderlich sind, ergibt sich aus der Anlage III zur Richtlinie für die technische Prüfung von Rönt­geneinrichtungen und genehmigungsbedürftigen Störstrahlern (SVRL). Sie müssen in jeder röntgendiagnostischen Einrichtung bereitgehalten werden.

Muss jetzt wirklich immer die Hodenkapsel bzw. der Ovarialschutz angewendet werden?

Nach dem einheitlichen Bewertungssystem der ärztlichen Stellen (ÄSt.en) Version 8.01 (02/2017) wird das Fehlen oder fehlerhafte Anlegen eines Ovarialschutzes bzw. das Fehlen oder nicht umschließende Anlegen einer Hodenkapsel nur bis zu einem bestimmten Alter bemängelt. Bei Frauen bis 50 Jahren und bei Männern bis 60 Jahren. Es sei denn, es liegt dokumentiert in der rechtfertigenden Indikation eine nachvollziehbare Begründung für das Nichtanlegen des Schutzes vor. (z.B.:Polytrauma). Es ist aber keinesfalls ein Fehler auch bei älteren Patienten einen Gonadenschutz zu verwenden.

Da gibt es z.B. den 50-jährigen Patienten, der den Schutz ablehnt und mitteilt er seien sterilisiert, anderseits bestehet z.B. ein 80-jähriger darauf, weil er sich z.B. an Charly Chaplin messen will.
Man sollte in diesen Fällen eben einfach, gemäß der Aussage von Herrn Prof. Ewen, beim Anlegen bzw. Anbieten von Gonadenschutz bei Röntgenuntersuchungen eine gewisse strahlenbiologisch begründbare Vernunft walten lassen.

Dieser Auffassung schließen wir uns gerne an und empfehlen diese Vorgehensweise.

"Im Strahlenschutz wiegt ein Gramm Gehirn mehr als eine Tonne Blei!" - Felix Wachsmann, 1965

Übrigens: Das korrekte Anlegen einer Hodenkapsel reduziert die Strahlenbelastung der Hoden um bis zu 95 Prozent. Das Abdecken der Gonaden lediglich mit Bleigummimatten außerhalb des Primärstrahlenfeldes ist dagegen nahezu wirkungslos!

Bei der Frau ist dei Effizienz des Gonadenschutzes wesentlich geringer. Hier können zwar die Ovarien bei korrekter Lage der Abdeckung vor der Primärstrahlung geschützt werden, nicht aber vor der Streustrahlung aus dem umliegenden Bereichen. Bei entsprechender Fragestellung, wenn der Ovarialschutz die befundrelevanten Bereiche überdecken würde, muss auch mal auf den Ovarialschutz komplett verzichtet werden.

Eine Anleitung zum richtigen Anlegen einer Hodenkapsel im .pdf-Format zum Free-Download gibt es hier.

In diesem Zusammenhang noch ein Gerichtsurteil zur Fachkunde des Verwaltungsgerichtes Potsdam 3. Kammer vom 05.01.2005 Aktenzeichen: 3 L 1089/04:

Das Fehlen der für die Durchführung von Röntgenaufnahmen erforderlichen Fachkunde, welches zur Entziehung der Fachkundebescheinigung berechtigt, ist anzunehmen, wenn bei den Aufnahmen ein falscher Gonadenschutz eingesetzt wird und mehrfach unkorrekte Einblendungen erfolgten.
Des Weiteren ist ein Fehlen der Sachkunde anzunehmen, wenn wiederholt falsche Folienempfindlichkeiten benutzt wurden. Das gilt insbesondere dann, wenn die Fehler bei diversen Aufnahmen wiederholt aufgetreten sind.

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Kommentare

Jonas vor 7 Jahre

Ich habe die Hodenkapsel beim Orthopäden falsch angelegt, nämlich habe ich nur die Hoden rein gemacht und nicht auch den Penis, wie man es eigentlich sollte. Die Arzthelferin hatte nur von den Hoden gesprochen. Muss ich mit jetzt irgendwelche Sorgen machen?

Anmerkung der Redaktion:
Nein keine Angst: Die Hoden müssen, der Penis kann!
Wir empfehlen lediglich zum besseren Halt der Kapsel , den Penis mit hinein zu nehmen.

kszeifert vor 7 Jahre

Anmerkung der Red.:
Es müssen definitiv nur die Hoden in der Kapsel sein.
Penis kann, muss aber nicht in die Kapsel. Mit Penis hat die Kapsel einen besseren Halt.

kszeifert vor 1 Jahr

@ Khaled
Nein definitiv nicht!
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Auszug aus den neuesten Empfehlungen der Strahlenschutzkommission!
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In den letzten Jahren wurde der Einsatz von Patienten-Strahlenschutzmitteln bei der diagnostischen Anwendung von Röntgenstrahlung zunehmend in Frage gestellt. Bereits in ihrer Empfehlung „Verwendung von Patienten-Strahlenschutzmitteln bei der diagnostischen Anwendung von Röntgenstrahlung am Menschen“ aus dem Jahr 2018 hat die SSK den Verzicht auf Patienten-Strahlenschutzmittel bei fast allen Projektionsaufnahmen empfohlen.
So jetzt auch in der neuesten Empfehlung vom 22./23. September 2022 bei der Röntgenaufnahme der Brust- oder Lendenwirbelsäule:
Bei Aufnahmen der Brust- oder Lendenwirbelsäule liegt die Dosis der Hoden bei < 0,04 mSv. Durch Verwendung von Patienten-Strahlenschutzmitteln an der unteren Strahlenfeldgrenze können die Dosen nur wenig reduziert werden (Clancy et al. 2010,Liu et al. 2008).
So hat z.B.: eine korrekte Einblendung des Strahlenfeldes eine deutlich bessere Schutzwirkung.