Wächterlymphknoten (SLN)
Sentinel-Lymph-Nodes beim Mammakarzinom (Teil 3)
Kapitel 4: Die Problematik / Symptomatik des Lymphödems - - - Kapitel 5: Definition - - - Kapitel 6: Durchführung der Sentinel-Lymph-Node Szintigraphie
Kapitel 4
4. Die Problematik / Symptomatik des Lymphödems
Die früher praktizierte komplette Ausräumung axilliäre Lymphknoten in der Therapie des Mammakarzinoms ist in erster Linie als diagnostisches Verfahren zur Abklärung der Frage zu verstehen, ob überhaupt und wenn ja,in welchem Ausmaß eine lymphogene Tumormetastasierung vorliegt. Bei den Patienten ohne nachweisbare Lymphknoten-Metastasen ("nodal-negative" Patienten) war diese Maßnahme ohne Einfluss auf den Erfolg der Tumortherapie, aber mit unvermeidbaren, die Lebensqualität beeinträchtigenden Nebenwirkungen verbunden. Rund 30 Prozent der betroffenen Frauen entwickeln nach der Ausräumung der axilliäre Lymphknoten ein behandlungspflichtiges Armlymphödem Bei der SLN-Methode sind es nur 5 Prozent.
Ein Lymphödem (Abb.1) entsteht durch eine Schädigung der Armlymphgefäße im Armwurzelbereich mit dadurch bedingter Störung im Lymphabfluss infolge operativer Entfernung oder radiogener Fibrosierung von axilliären oder klavikulären Lymphknoten. Lymphödeme bei Mammakarzinom können Arm-, Hand-, zugehörige Brustwand und Brustdrüse betreffen. Das Lymphödem manifestiert sich meist sofort nach der Operation, es kann jedoch auch infolge Narbenschrumpfung erst Monate bis Jahre später auftreten. Dies wird besonders nach einer Strahlentherapie beobachtet.
Das Ödem ist oftmals mit einem Schweregefühl verbunden und bei zunehmender Schwellung können Bewegungsbehinderungen des Armes entstehen, meist infolge von verminderter Beugefähigkeit im Ellenbogengelenk. Eine zunehmende Ödematisierung bedeutet auch eine zunehmende Leistungsminderung, evtl. bis zur Arbeitsunfähigkeit. Das Lymphödem kann auch zu Spannungsschmerzen führen, so dass die Patientinnen das Gefühl haben, ihre Haut würde platzen. Nicht unterschätzt werden darf auch die zum Teil starke psychische Belastung durch die entstellende Erkrankung, worunter besonders jüngere Frauen oft erheblich leiden.
Weitere Folgen einer Axilladissektion (Ausräumung der Axilla) sind Armplexusschädigungen mit ihren typischen Symptomen wie Parästhesien, Hypästhesien, zunehmende Schmerzen und zunehmende Lähmungen. Außerdem kann sich ein Erysipel bilden, welches sich in großflächigen Rötungen der Haut zeigt.
Durch die SLN-Darstellung und Biopsie kann auf die bisher übliche Axilladissektion mit all ihren, die Patientin belastenden, Nebenwirkungen und Komplikationen verzichtet werden.
Kapitel 5
5. Definition
Der Sentinel-Lymph-Node (SLN), der auch Wächterlymphknoten genannt wird, ist der erste Lymphknoten, der im lymphatischen Abstromgebiet eines Tumors liegt. (Abb.2 rechts unten)
Damit ist dieser der Ort mit der wahrscheinlichsten Metastasierung.
Hat der SLN keine Metastasen, so ist die Wahrscheinlichkeit bei 95-97%, dass die anderen Lymphknoten auch tumorfrei sind.
Kapitel 6
6. Durchführung der Sentinel-Lymph-Node Szintigraphie
6.1. Eignung der Patientinnen für die SLN-Biospsie
Der Einsatz der SLN-Biopsie ist beschränkt. Folgende Ausschlusskriterien sollten eingehalten werden.
- Erstens kann das Verfahren nur bei einem Tumorstadium bis T2 eingesetzt. Bei größeren Tumoren ist die Gefahr der lymphogenen Metastasierung zu groß.
- Zweitens sollte die Patienten nicht bereits an der Mamma operiert bzw. bestrahlt sein, weil die Lymphbahnen dann bereits beschädigt sind.
- Drittens sollten die Patientinnen keinen tastbaren oder sonographischen Axillabefall vorweisen.
- Viertens sollte bei multifokalen Herden keine Distanz zwischen den Herden von mehr als 3 cm sein.
6.2. Patientenvorbereitung
Die Patientinnenvorbereitung erfolgt durch ein aufklärendes Gespräch und die Einverständniserklärung der Patientin. Die Eignung der Patientinnen (siehe 6.1) sollte gewährleistet sein. Anamnese bezüglich Klinik, Operationen und Voruntersuchungen sollten vorliegen.
Schwangerschaft und Stillen sollten ausgeschlossen sein.
6.3 Radiopharmakon
500 - 1000 MBq 99mTc-Pertechnetat, verdünnt mit NaCl auf ein Volumen von 3-4 ml, mit Nanocoll ansetzen und gut schwenken. Dann 40 Minuten stehen lassen. Vor dem Aufziehen nochmals schwenken.
Bei einem 2-Tages Protokoll (OP erfolgt am nächsten Tag) 5x 30 MBq 99mTc-Nanocoll in 5 Insulinspritzen mit einem Volumen von jeweils 0,2-0,3 ml aufziehen. Heparinnadeln verwenden. Bei einem 1-Tages Protokoll (Operation erfolgt am gleichen Tag) die Hälfte der Aktivität verwenden.
6.4 Applikation
- Patientin in Rückenlage, Injektionsstelle gut desinfizieren.
- Beim Mamma-Ca peritumoral (um den Tumor herum) und/oder subdermal (unter die Haut) in die direkte Tumorumgebung oder subareolaer (unter dem Brustwarzenhof) quadrantenorientiert.(Abb.3)
- Die hautbezogenen Applikationswege basieren auf der Annahme, dass die Milchdrüse und die darüber liegende Haut den gleichen Lymphabflussweg aufweisen.
- Hautkontaminationen sind unbedingt zu vermeiden, evtl ein Lochtuch benutzen.
- Anschließend beschleunigt eine leichte Streichmassage durch die Patientin den Lymphabfluss. Auch die Einwirkung von Wärme durch eine Wärmflasche oder ein gewärmtes Kirschkernkissen beschleunigt den Lymphabfluss.
6.5. Laterale Projektion:
Damit die Brust bei der Aufnahme das Lymphknotengebiet nicht überdeckt, liegt die Patientin auf dem Bauch. (Abb. 4)
Die Brust hängt auf speziellen Lagerungskeilen mit entsprechender Aussparung frei nach unten. Die Arme werden nach oben genommen.
6.6. Ventrale Projektion:
Bei der ventralen Projektion (Abb. 5) in Rückenlage wird die Brust ventrokaudal von der Axilla weggezogen. Somit wird gewährleistet , dass der SLN nicht von der Injektionsstelle überdeckt wird.
Im Sichtfeld der Kamera müssen Injektionsstelle, Axilla, Sternum und Klavicula liegen. Die Arme werden abgewinkelt über den Kopf gelagert.
6.7. Kamera-und Aufnahmeparameter, Lagerung
Low-Energy-high-Resolution- (LEHR) Kollimator
Kollimator-Peak: 140 keV, 20% Fenster
Matrix 256x256, Zoom 1.0, statische Aufnahme, 3 Min. pro Bild
In vielen Kliniken werden die Aufnahmen nach 1 bis 3h p.i. angefertigt. (Manche Kliniken beginnen auch nach 5-10 Minuten). Die Aufnahmen werden in ventraler (Abb. 5) und lateraler (Abb. 4) Projektion durchgeführt.
Vorzugsweise sollte die beiden Projektionen einmal ohne und einmal mit Bleiabdeckung (Walzblei mit einer Dicke von ca. 2 mm) der Injektionsstelle angefertigt werden. Die Abdeckung der direkten Injektionsstelle mit Blei verhindert das Überstrahlen des schwach speichernden Lymphknotens. Nur maximal 1% der applizierten Aktivität wird im SLN gespeichert.
Wenn sich der SLN nahe der Injektionsstelle befindet, kann man zusätzlich eine Aufnahme in der Projektion RAO bzw. LAO durchführen, um den SLN heraus zu projizieren.
Um den SLN anatomisch zuordnen zu können, sollte man eine Körperkontur anfertigen. Dies kann entweder mit einer Tc-Punktquelle, die man während der Aufnahme am Körper entlangführt oder man legt die Patientin auf ein spezielles 57-Co Flächenphantom.
6.8. Aufnahmeprotokoll
- RVL ohne Bleiabdeckung
- RVL mit Bleiabdeckung
- RVL mit Bleiabdeckung Kontur
- DRV bzw. VLD mit Bleiabdeckung
- DRV bzw. VLD mit Bleiabdeckung Kontur event. LAO bzw. RAO mit Bleiabdeckung
- event. LAO bzw. RAO mit Bleiabdeckung Kontur
Nach Beendigung der Aufnahmen wird der SLN mit Hilfe eine Tc-Punktquelle unter der Gammakamera und einer Gammasonde aufgesucht und mit einem Edding-Stift auf der Haut markiert. Dies dient dem Operateur zu Orientierung.
Die Aufnahmen werden dokumentiert und dem Operateur mitgegeben.
Die Identifizierung des SLN im Szintigramm erfolgt anhand folgender Kriterien:
- Sichtbare Bahn zum Lymphknoten
- Erscheinungszeit des Lymphknoten
- Anatomische Lage zum Tumor
- Relativer Uptake des Lymphknoten
6.9. Fehlerquellen
- Inkorrekte Indikationsstellung
- Kontamination bei der Applikation (Hilfsmittel: Lochtuch)
- inkorrekte Applikation
- unzureichende Dokumentation des Lymphbahnverlaufs
- Überlagerung des SLN-Signals durch die Injektionsstelle oder andere Radioaktivitätsquellen
- Voroperationen und andere Manipulationen im Lymphabstromgebiet
- Abdeckung tumornaher Lymphknoten durch Bleiabschirmung
- unzureichende Befundübermittlung zwischen Nuklearmediziner und Operateur
- vorschnelle Beendigung der Untersuchung
- falsch negativ SLN bei vollständiger metastatischer Durchsetzung der Lymphknoten
- unzureichende Sondenmesstechnik (verschlechterte Ansprechwahrscheinlichkeit, unzureichende Beachtung der Winkelauflösung bei der Benutzung, mögliche Kontamination des Geräts, entladener Akkumulator).
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