Weit verbreitet - doch selten legal
Erst Röntgen - danach erst zum Arzt
In der Praxis kommt es häufig vor, dass Patienten bevor diese mit einem fachkundigen Arzt sprechen oder von ihm untersucht werden, zunächst zum Röntgen geschickt werden.
Erst nach dem Röntgen wird dann die rechtfertigende Indikation zur Röntgenaufnahme gestellt. Ist das aber rechtlich so in Ordnung? Die vorweggenommene Antwort lautet eindeutig: "NEIN! – Außer in wenigen Ausnahmefällen!"
Unabhängig vom praktischen Verfahren muss die rechtfertigende Indikation vor der Röntgenuntersuchung gestellt werden (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 RöV). Die Sinnhaftigkeit dieser Festlegung ergibt sich klar aus den Sätzen 2 und 3 dieser Vorschrift.
Denn wenn die rechtfertigende Indikation erst nach der Röntgenuntersuchung gestellt wird, dann können Betrachtungen, wie z.B.: Nutzen-/Risikoabwägung oder Nutzung anderer Untersuchungsverfahren nicht mehr in die Indikationsstellung mit einfließen.
Es könnte sich in solchen Fällen um nicht gerechtfertigte Körperverletzungen handeln, die als Ordnungswidrigkeit oder ggf. sogar als Straftat betrachtet werden können. Dies würde im Einzelfall dann von den Aufsichtsbehörden oder den Strafverfolgungsbehörden festgestellt.
Die Regelungen zur praktischen Vorgehensweise in § 23 Abs. 1, Sätze 4 und 5 RöV geben klar vor, dass der die rechtfertigende Indikation stellende Arzt den Patienten vor Ort persönlich untersuchen kann.
Dies gilt auch bei einer Überweisung oder Zuweisung durch einen anderen Arzt ohne oder mit Fachkunde im Strahlenschutz).
Einzige Ausnahme hiervon ist die genehmigte Teleradiologie!
Daraus folgt natürlich auch, dass sich Patient und der Arzt, der die rechtfertigende Indikation vornimmt am „gleichen“ Ort befinden müssen.
Dass der rechtfertigende Arzt den Patienten tatsächlich untersuchen muss, ist in der RöV allerdings nicht festgelegt. Er kann im Einzelfall sicherlich aufgrund von vorliegenden Kriterien (Überweisungen, Zuweisungen, Berichte, andere Untersuchungsergebnisse, ggf. persönliches Kennen eines Patienten) auch rechtfertigende Indikationen stellen, die allen Anforderungen der RöV entsprechen, ohne Patienten persönlich zu untersuchen. Er muss allerdings jederzeit die Möglichkeit haben den Patienten zu untersuchen, um vielleicht bestimmte Risiken auszuschließen oder Besonderheiten für die technische Durchführung festzulegen. Insoweit ist ggf. nicht auszuschließen, dass sich Patient und rechtfertigender Arzt in einem gewissen räumlichen Abstand (z.B. auf dem „gleichen“ Klinikgelände) aufhalten, der rechtfertigende Arzt aber vor der tatsächlichen Rechtfertigung der einzelnen Untersuchung den Patienten aufsuchen und persönlich untersuchen könnte. In diesem Falle bestehen keine Bedenken, wenn der rechtfertigende Arzt (unabhängig davon, ob die rechtfertigende Indikation mit oder ohne Patientenkontakt erfolgt ist) die Anweisungen zur Untersuchung schriftlich oder auch elektronisch an die technisch durchführenden Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter weiterleitet.
Der fachkundige Arzt, der die rechtfertigende Indikation stellt, muss aber wissen, dass sich der Patient in der Praxis, bzw. im Krankenhaus befindet, und er er muss auch die Fragestellung (ärztliche Indikation) kennen, um eine Entscheidung treffen zu können, ob und wie Röntgenstrahlung angewendet wird und ob es ggf. Risiken beim Patienten gibt.
Nur wenn der rechtfertigende Arzt sich hiermit auseinandersetzt, kann er die Entscheidung treffen, ob eine rechtfertigende Indikation ohne eine weitere Untersuchung des Patienten durch ihn möglich ist, oder ob eine Inaugenscheinnahme und eine weitere ärztliche Untersuchung unumgänglich sind.
Die Röntgenuntersuchung darf durch das Assistenzpersonal erst dann technisch durchgeführt werden, wenn die rechtfertigende Indikation explizit erfolgt ist.
Auch in den Diensten in der Klinik muss ein fachkundiger Arzt entscheiden, d.h. dieser muss die rechtfertigende Indikation unter den vorgenannten Randbedingungen vor der Röntgenuntersuchung stellen und dabei entscheiden, ob eine weitere Untersuchung des Patienten durch ihn erforderlich ist.
Der nicht fachkundige Assistenzarzt darf zwar die ärztliche Indikation (Fragestellung) vornehmen aber nicht die rechtfertigende Indikation stellen.
Wichtig ist auch, dass sowohl die rechtfertigende Indikation als auch die Daten der technischen Durchführung und der Befund dokumentiert und aufbewahrt werden müssen.
Quellen:
- Prof. Ewen - Forum RöV Fragen 3063 und 3065
- Ärzteblatt.de: Merkblatt zum Thema rechtfertigende Indikation.pdf
MTA-R.de - Zusammenfassung
- Unabhängig vom praktischen Verfahren muss die rechtfertigende Indikation vor der Röntgenuntersuchung gestellt werden (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 RöV). Die Sinnhaftigkeit dieser Festlegung ergibt sich klar aus den Sätzen 2 und 3 dieser Vorschrift.
- Nur wenn der Arzt, der die rechtfertigende Indikation stellt, auch den Patienten und die KRITERIEN kennt, kann es ihm im Einzelfall möglich sein, auch ohne Patientenkontakt, eine rechtfertigende Indikation zu stellen.
- Der nicht fachkundige Arzt darf zwar die medizinische Indikation (Fragestellung) vornehmen, aber nicht die rechtfertigende Indikation stellen.
- Die rechtfertigende Indikation und die Daten der technischen Durchführung, sowie der Befund müssen nachvollziehbar dokumentiert und aufbewahrt werden.
- Mit der technischen Durchführung darf nicht begonnen werden, bevor nicht ein fachkundiger Arzt die rechtfertigende Indikation gestellt hat.
- Die technisch durchführende Person sollte die rechtfertigende Indikation und die Fragestellung kennen, damit die Aufnahmen auch mit einer fragestellungsabhängige Dosierung durchgeführt werden können. (ALARA-Prinzip und §§ 2a, 2b, 2c RöV.)
- Ist kein fachkundiger Arzt vor Ort, kann auch keine rechtfertigende Indikation gestellt werden. Eine telefonische Indikationsstellung von außerhalb des Untersuchungsort ist definitiv nicht erlaubt.
- Auch in de Nacht, an Wochenenden und an Feiertagen in den Diensten in Kliniken muss ein fachkundige Arzt die rechtfertigende Indikation stellen und entscheiden. Kenntnisse im Strahlenschutz reichen hierzu nicht aus!
- Aber: Es gehört aber keineswegs zum Aufgabenfeld einer MTRA oder MFA, die Funktionalität von Strahlenschutzorganisation zu hinterfragen. So steht auch bei berechtigten Zweifeln darüber, ob die rechtfertigende Indikation korrekt gestellt wurde, eine Ablehnung bei der Anfertigung von Röntgenaufnahmen durch MTRA oder MFA nicht zur Diskussion.
- Der einzig mögliche Weg zur Abhilfe für MTRA wäre dann: Schnellstmöglich den Strahlenschutzverantwortlichen, bzw. den Strahlenschutzbeauftragten über die Mängel informieren.
Nicht nur aus Sicht von MTR-A! - Etwas mehr Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden wäre hier sicher angebracht und auch begrüßenswert!
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