Tipps für gesunde Nachtarbeit

Nachts, wenn fast alles schläft

radiologie|technologie radiologie|technologie Heft 2/2016

Für 14 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland gehört Schichtarbeit zum Alltag. Gesundheitlich schlägt vor allem die Nachtarbeit zu Buche. Der Mensch ist tagaktiv und entsprechend physisch, psychisch und geistig getaktet.

Kurz vor drei Uhr: Es ist ruhig auf dem Stationsflur. Keine Notaufnahme, kein Kindergeschrei, nur das Ticken der großen Uhr. In drei Stunden ist Übergabe. Gefühlte Ewigkeiten liegen dazwischen. Die Beine sind schwer wie Blei. Ständig wollen die Augen zufallen. An Schlaf war tagsüber kaum zu denken, mal klingelte das Telefon, mal hupte draußen ein Auto, dann folgte ein blöder Traum.

Für 14 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland gehört Schichtarbeit zum Alltag. Gesundheitlich schlägt vor allem die Nachtarbeit zu Buche. Der Mensch ist tagaktiv und entsprechend physisch, psychisch und geistig getaktet.

Gesundheitsgefährung Nachtdienst

Regelmäßig nachts arbeiten in Deutschland, laut Statistischem Bundesamt, mehr als drei Millionen Menschen. Weitere 2,4 Millionen sind gelegentlich oder teilweise in der Nacht beruflich aktiv. Europaweit gehen fast 20 Prozent der arbeitenden Bevölkerung einer Schichtarbeit nach.

Sehr unterschiedlich vertragen Menschen die Nachtarbeit. Tendenziell sinkt die Verträglichkeit mit zunehmendem Alter. „Häufig auftretende Beschwerden sind Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Magenbeschwerden, innere Unruhe, Nervosität und vorzeitige Ermüdbarkeit“, sagt Dr. Wiete Schramm, Gesundheitsexpertin beim TÜV Rheinland. Das Risiko von Unfällen und langfristigen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Störungen durch Nachtarbeit liegt um ein Vielfaches höher als bei Beschäftigten im Tagdienst. Nach einem Bericht der Gesellschaft für Betriebliche Gesundheitsförderung mbH klagt mehr als die Hälfte der im Nachtdienst tätigen Arbeitnehmer über gesundheitliche Beschwerden. Vier Prozent der Probanden gelten als behandlungsbedürftig. Diagnose: Zirkadiane Schlaf-Wach -Rhythmusstörung, Typ Schichtarbeitersyndrom.

Zum Schutz der nachtarbeitenden Bevölkerung hat der Gesetzgeber einige Vorschriften erlassen, so zum Beispiel:

Generell verboten ist Nachtabeit für

  • werdende und stillende Mütter (§ 8 Mutterschutzgesetz)
  • Jugendliche (§ 14 Jugendarbeitsschutzgesetz) Für diese ist auch die Arbeit an Sonn- und Feiertagen, ob im Schichtbetrieb oder nicht, untersagt – außer etwa in „Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen“.

Biorhythmus

Durch Nachtarbeit droht die Leistungsfähigkeit zu sinken. Neben Unfallrisiko und Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Störungen steigt gleichzeitig die Gefahr, an Krebs zu erkranken, behaupten mehrere Forscher. Kurzum: Wer schlecht schläft, ist ganzheitlich angreifbar. Abendtypen wähnen sich im Vorteil. Mit ihrem Biorhythmus liegen sie der Nachtarbeit am nächsten. Morgentypen hingegen tun sich schwer mit der nächtlichen Schicht. Ihre innere Uhr gerät völlig aus dem Takt. Eine besondere Rolle spielt dabei das Hormon Melatonin.


  • Strukturformel: Melatonin
    Melatonin wird in der Epiphyse gebildet.
  • Die Ausschüttung von Melatonin erfolgt hauptsächlich nachts und in der Dunkelheit.
  • Tagsüber sinkt der Melatoninspiegel um ein Zehnfaches, auch nimmt er im Alter ab.
  • Als Wirkstoff hilft Melatonin gegen Schlafstörungen. Die Präparate sind in Deutschland verschreibungspflichtig.

Pro Nacht schläft der Durchschnittsmensch rund sieben Stunden, das Nachtpersonal in der Pflege hingegen nur sechs Stunden und diese am Tag. In der Woche ergibt sich daraus ein Defizit von einer ganzen Nachtruhe. Der Schlaf ist nicht nur kürzer, sondern qualitativ auch schlechter. Alleine schon aufgrund äußerer Bedingungen, denn draußen ist es dann hell, oft auch laut und im Sommer warm. Häufige Wachphasen drohen, außerdem geraten die physiologischen Schlafstadien aus Leichtschlaf, Tiefschlaf und Traumschlaf durcheinander. „Der Schlaf und insbesondere der erholsame Schlaf ist ein elementarer Bestandteil unseres Lebens. Er dient der Erholung körperlicher und geistiger Funktionen, beeinflusst Wundheilung und Immunsystem und sorgt dafür, dass das am Tage (Anmerkung der Red.: oder in der Nacht) Erlebte im Gedächtnis abgespeichert wird“, schreibt der Allgemeine Verband Chronische Schlafstörungen Deutschland (AVSD) auf seiner Homepage. Dr. Kneginja Richter, Oberärztin in der Psychiatrie und im Schlafmedizinischen Zentrum im Klinikum Nürnberg Nord, warnt: „Auf keinen Fall darf man Schlafstörungen auf die leichte Schulter nehmen.“

Regelmäßige Nachtarbeit beeinflusst übrigens auch das soziale Leben. Nur wenige Freunde können sich tagsüber einen gemeinsamen Spaziergang erlauben. Auch finden Konzerte, Gymnastikgruppen und andere Veranstaltungen selten nachmittags statt. Und der Lebenspartner kommt in der Regel auch erst abends nach Hause.

Nachts im Krankenhaus

Der Biorhythmus sorgt für die konzentrationsschwächste Zeit des „Tages“ mitten in der Nachtschicht, nämlich zwischen ein und fünf Uhr. Wer die Medikamente erst dann vorbereitet, ist also schlecht beraten. Auch sonst wiegt die Verantwortung in den Nachtdiensten schwer: Im Vergleich zu früher hat die Patientenzahl stetig ab-, dafür die Schwere der Erkrankungen zugenommen. Zudem sind die Zeiten übersichtlicher Schlafsäle oder großer Krankenzimmer vorbei, damit aber auch der schnelle Überblick. Wenn überhaupt teilen sich nur noch wenige Patienten ein Zimmer, meist hinter verschlossener Tür.

Gesunde Nachtarbeit

Der Schlaf am Tag lässt sich durch einfache Maßnahmen gezielt verbessern. Hierzu einige Tipps von Frau Dr. Richter vom Nürnberger Schlafmedizinischen Zentrum:

  • bevorzugt Joghurt, Rohkost und Vollkornbrot essen, dazu zwei bis drei Liter Flüssigkeit täglich
  • Verzicht auf Schlaftabletten und möglichst auch Alkohol, sparsamer Umgang mit Nikotin und Koffein (nur bis vier Stunden vor dem Schichtende)
  • mitten in der Nacht: warme, nicht zu fetthaltige Mahlzeit
  • Medikamente außerhalb der konzentrationsschwächsten Zeit vorbereiten
  • auf dem Heimweg ggf. Dunkelheit mit Sonnenbrille vortäuschen
  • nach der Arbeit leicht frühstücken (ohne Koffein) und vor dem Schlafen über Lesen, Musikhören oder Spazierengehen entspannen, ggf. Entspannungsmethoden wie autogenes Training
  • kühles, ruhiges und abgedunkeltes Schlafzimmer, bei Bedarf Ohrstöpsel
  • bisherige Schlafgewohnheiten auf den Tag übertragen
  • Freizeitausgleich mit Bewegung und sozialen Kontakten
  • ausgewogener Dienstplan: Die Deutsche Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin empfiehlt, nicht mehr als drei Nächte hintereinander und den Schichtwechsel „im Uhrzeigersinn“ außerdem langfristig zu planen.
  • regelmäßig und bei gesundheitlichen Beschwerden zum Betriebsarzt und ggf. um Wechsel in den Tagdienst bitten (s. Arbeitszeitgesetz)
  • bei anhaltenden Schlafstörungen und unzureichender betriebsärztlicher Unterstützung: Beratung in einer Schlafambulanz.

Der Nachtdienst bringt aber nicht nur Nach- sondern auch ein paar Vorteile mit sich. Meist nutzen Mütter die Nachtschicht als Chance, um Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Auch für alle anderen gilt: Nachteinsätze können den Alltag bereichern. Man verlässt die Routine und übernimmt große Verantwortung, wird also herausgefordert, bewusster zu schlafen und zu wachen und erweitert zudem den Blick über den sogenannten Tellerrand. Und wer akzeptiert, dass jeder mal dran ist, den Betrieb auch nachts aufrechtzuerhalten, stellt sich leichter um.


Die Regelungen des § 6 ArbZg (Arbeitszeitgesetz) zu Nacht- und Schichtarbeit

1. Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen

2. Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.

3. Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

a) nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder

b) im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder

c) der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann, sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Stehen der Umsetzung des Nachtarbeitnehmers auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Auffassung des Arbeitgebers dringende betriebliche Erfordernisse entgegen, so ist der Betriebs oder Personalrat zu hören. Der Betriebs- oder Personalrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten.

4. Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

5. Es ist sicherzustellen, dass Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.


Quelle: Interview mit Angelika Staub, Diplom-Sozialpädagogin (FH), Fachjournalistin, Köln - Original erschienen in kinderkrankenschwester 2 (2016):61-62

Ein Beitrag aus der Zeitschrift "radiologie technologie" Heft 2/2016 aus dem Schmidt-Römhild-Verlag, Lübeck


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