Das Allheilmittel

Heidelberger Radium-Pastillen

Karl-Heinz Szeifert 19 Sep, 2022 09:32

Als das Element Radium entdeckt wurde, glaubten viele Menschen, dass seine radioaktiven Eigenschaften einen neuen Weg zur Verbesserung der Gesundheit darstellten, und sie fügten Radium zu vielen Gegenständen hinzu, von der einfachen Einnahme von mit Radium versetzten Pillen bis zur Zugabe von Radium zu Zahnpasta, Cremes, Salben und sogar Kosmetika.

Schon früh befassten sich auch Heidelberger Forscher mit Radium. Bereits im Jahre 1904 entdeckte man dort in den salzhaltigen Quellen austretendes Radon und man entwickelte die Radontherapie.

Im Jahr 1906 wurde das "Institut für experimentelle Krebs-forschung", gegründet, dessen Leitung Prof. Vincenz CZERNY (1842-1916) übertragen wurde. Es wurde das erste Zentrum für Strahlentherapie in Deutschland.

Der Geologe und Mineraloge Prof. Wilhelm SALOMON, Leiter des neu gegründeten Geologisch-Paläontologischen Instituts der Universität Heidelberg, machte sich daran, die geologischen Verhältnisse wissenschaftlich zu erforschen. Zur Finanzierung einer Bohrung warb er mit der möglichen Entdeckung von Petroleum, sonstigen Bodenschätzen und einer Mineralquelle.

1912 stimmte der Heidelberger Stadtrat für das Vorhaben und stellte 400.000 Reichsmark zur Verfügung. Im darauffolgenden Jahr wurde auf dem Gelände östlich des heutigen Thermalbades gebohrt, Ende Juli wurde eine Tiefe von 570 Metern erreicht. Als das Deutsche Reich am 1. August 1914 in den Krieg eintrat, gingen die Arbeiten trotz einiger Widrigkeiten weiter. Allerdings standen Rohre in der nötigen Wandstärke nicht zur Verfügung, sodass schwächeres Material verwendet wurde, was möglicherweise für das spätere Versiegen der Quelle mitverantwortlich war.

1918 wurde man in einer Tiefe von 998 Metern fündig. Die gefundene "Liselotte-Quelle" war ausreichend kräftig. Das warme Wasser war salzig, roch nach Methan und wurde als Sole anerkannt. Laut Gutachten des Chemischen Labors Fresenius eignete es sich zu Badekuren, in verdünntem Zustand zu Trinkkuren, zu Duschen und Inhalationen. Ein weiteres Gutachten bestätigte, dass die Sole nicht nur gasförmiges, also schnell entweichendes Radium enthielt, sondern - als einzige Quelle in Deutschland - gelöstes Radiumsalz. Der Traum vom "Bad" schien Wirklichkeit zu werden.

Nach einigem Hin und Her wurde 1922 eine "Bad-Heidelberg-Aktien-Gesellschaft" gegründet.

Schon bald wurden nun auch aus der Heidelberger Thermalquelle unter städtischer Aufsicht Pastillen hergestellt, die bei Heiserkeit, Gelenkrheumatismus und Gicht sich bewähren sollen. Den Alleinvertrieb der "Heidelberger Radium-Pastillen" hat die Firma Klinghoff & Korte in Heidelberg übernommen".

Das heute noch stehende "Radium-Solbad" in neoklassizistischem Stil wurde im Juli 1928 der Öffentlichkeit übergeben: 40 Badezellen, dazu Trink- und Inhalationskuren versprachen Linderung der Leiden. Die Quelle besaß verschiedene Heilstoffe und war die einzige Thermalquelle in Deutschland, die reines Radiumsalz enthielt. Trinkkuren und Bäder sollten gegen viele Erkrankungen helfen – von Katarrhen der Atmungsorgane über Skrophulose und Rachitis bis hin zu Rheuma, Gicht, Ischias und Arterienverkalkung. Die Sole wurde sorglos empfohlen bei Arterienverkalkung, Rheumatismus, Gicht und Ischias, Zucker- Darm- und Magenleiden, besonders auch bei Frauenleiden. Noch dazu war das Wässerchen "von herrlichem Wohlgeschmack". In Heidelberg wurde es auch am Quellhaus, im Stadtgarten, im Schlossgarten, am Philosophenweg und im Kurhotel "Viktoria" (heute Juristisches Seminar) verkauft. Das "Radioaktive Tafelwasser" aus der Radiumquelle, sowie das Radiumquellsalz wurde deutschlandweit vertrieben.

1957 versiegte die Quelle, möglicherweise weil Sand sie verstopfte und wegen der zu dünnen Rohre. Reparaturversuche blieben erfolglos.


Quelle: Museum Sybodo -Medizinische Instrumente und Geräte der Krankenpflege

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