Mit Maske und Mütze in die Schule

Fukushima und die Folgen

Karl-Heinz Szeifert 2 Jul, 2011 10:00

Zwei Monate nach der Atomkatastrophe in Fukushima läuft an der 60 Kilometer entfernten Shoyo-Schule in Date wieder der Unterricht. Lehrer und Eltern befürchten, dass die Strahlendosis für die Kinder viel zu hoch ist.

Bild. 1 Foto: dpa

Maske, Mütze und lange Ärmel sollen gegen die radioaktive Strahlung schützen. Manche Schulen lassen die Kinder gar nicht ins Freie. Unser Bild (Abb.1) entstand am 11. Mai in einer Grundschule in Soma.

Für den sechsjährigen Toshi ist ein Traum in Erfüllung gegangen – endlich, nach zwei Monaten in Angst und Ungewissheit, sollte mit der Schule auch wieder sein Alltag beginnen. Aber was folgte, war ein neuer Albtraum. Sogar im Klassenzimmer müssen Toshi und seine Mitschüler Schutzmasken, Mützen und langärmlige Hemden tragen. Pausen oder Spielen im Freien sind tabu.

"Die Kinder dürfen nicht nach draußen gehen und die Fenster bleiben immer geschlossen", schildert der stellvertretende Schulleiter Yukihide Sato in der Tageszeitung Japan Times den Schulalltag. "Aber besonders schlimm ist, die Lage verschlechtert sich weiter, und ich weiß nicht, was ich tun soll." Wie Sato warten auch die anderen Schulleiter in der Präfektur Fukushima auf wirksame Aktionen der Regierung.

Eine Eltern-Gruppe fordert in einer Petition an den Gouverneur die Evakuierung der Kindergärten und Schulen. Das beträfe 300 000 Mädchen und Jungen sowie ihre Lehrer. "Wir müssen unsere Kinder vor der Strahlenbelastung abschirmen", meint Seiichi Nakate, der ein Netzwerk von 250 Eltern leitet.

Die Mehrzahl der Schulen sei überhöhten Strahlendosen ausgesetzt. In einem Fünftel der 1600 Schulen in Fukushima würden die Kinder sogar mindestens 20 Millisievert pro Jahr abbekommen, sagt Nakate und verweist auf die Zahlen der Regierung. 20 Millisievert jährlich – das sei das Limit für einen Arbeiter im Atomkraftwerk, nicht für ein Kind. Die Behörden sind ratlos. Gouverneur Yuhei Sato hat die Regierung in Tokio bereits mehrfach um Hilfe gebeten.

Manche Küstenstädte werden täglich überschwemmt

In allen Unglücksregionen im Norden Japans kämpfen die Menschen mit den Folgen der Katastrophe. Und in Gebieten, die vom Tsunami und der radioaktiven Strahlung weitgehend verschont geblieben sind, stehen die Einwohner vor anderen Schwierigkeiten. Denn das Erdbeben am 11. März war so gewaltig, dass ganze Ortschaften verrutscht sind. Sogar Teile der Hauptstadt Tokio sind 24 Zentimeter Richtung Meer gewandert.

Einige Küstenstädte sind abgesackt und stehen seither regelmäßig unter Wasser. Ishinomaki in der Präfektur Miyagi zum Beispiel: Teile der Hafenstadt haben sich gut fünf Meter nach Südwesten verschoben und sind bis zu 1,20 Meter abgesackt. Zwei Mal täglich überschwemmt seither die Meeresflut die Stadt. Eilen die Bewohner nicht rechtzeitig nach Hause, stehen sie mitten auf der Straße knietief in Wasser, Schlamm und Geröll. "Wenn ich aus dem Fenster schaue, entsteht der Eindruck, wir wohnen mitten im Ozean", klagt Yoshiko Takahashi.

In der Stadt ragen Kanaldeckel und Leitungen aus abgesackten Straßen. Das Abwassersystem ist beschädigt, so dass viele weder Bad noch Toilette benutzen können. Weil die Gaszufuhr unterbrochen ist, gibt es kein heißes Wasser. Telefon- und Strommasten an den Straßen sind wacklig. Das alles zu reparieren, fällt wegen der häufigen Überschwemmungen schwer. Ein Budget dafür hat die Stadt ohnehin nicht. Auch keine Versicherung zahlt. Die Einwohner ertragen es erstaunlich gefasst. "Wir können uns nicht wirklich beschweren", sagt der 43-jährige Yuichiro Mogi. "Andere Menschen haben doch so viel mehr verloren."

Quelle: http://www.badische-zeitung.de

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