Stichwortsonntag
Akute und späte Folgen der Strahlentherapie
Das optimale Schema dieser sog. fraktionierten perkutanen (d.h. von außen durch die Haut durchgeführten) Strahlentherapie ergibt sich aus dem Verhältnis einer möglichst hohen Wahrscheinlichkeit der Tumorvernichtung im Vergleich zur Wahrscheinlichkeit der zu erwartenden Nebenwirkungen.
Bild rechts: Bild einer gerade stattgefundenen Blutung aus einer Strahlenproktitis. Bemerkenswert ist die flächige Blutungsstelle,
Foto: Von Bijhenry - Fotografiert am 24.11.2004, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=36956206
Letztere können in Form von akuten Nebenwirkungen während der Strahlenbehandlung auftreten und sind dann meist wenige Wochen nach Abschluss der Behandlung reversibel.
In einem sehr geringen Prozentsatz können Monate bis Jahre nach der Strahlenbehandlung sog. chronische Strahlenfolgen auftreten, die in der Regel nur symptomatisch zu behandeln sind.
Allgemein gilt, dass in jedem Körpergewebe sowohl akute als auch chronische Strahlennebenwirkungen auftreten können, wobei je nach Gewebe die eine oder andere Reaktion überwiegt.
Chronische Strahlenfolgen, die u.U. die Lebensqualität von langzeitüberlebenden bzw. geheilten Patienten stark beeinträchtigten, sind insgesamt selten. Das Risiko hierfür ist aber speziell bei Bestrahlung mit hohen Einzeldosen (>2 Gy / die) erhöht.
Das Auftreten dieser Nebenwirkungen wird jedoch ganz erheblich durch die Gesamtstrahlenmenge und die Ausdehnung des Strahlenfeldes bestimmt, da grundsätzlich nur in den direkt bestrahlten Organen und Körperregionen Nebenwirkungen auftreten, in seltenen Fällen treten geringe systemische Nebenwirkungen auf.. Eine Ausnahme hiervon bildet eine sich am Anfang einer Strahlenbehandlung ggf. ausbildende Müdigkeit und Übelkeit, die wahrscheinlich durch die Überschwemmung des Körpers mit Zellabbauprodukten aus dem Tumor bewirkt wird.
Akute Strahlennebenwirkungen bestehen in der Regel zunächst in einer Hyperämie (vermehrten Durchblutung) und einem Ödem (Schwellung) in dem betroffenen Organ bzw. der Körperregion. Da während der Strahlenbehandlung auch die Zellteilung in Normalgeweben behindert wird, kommt es durch den reduzierten Nachschub zu einem Mangel an funktionstüchtigen Zellen eines Organs. Dieses wird daraufhin in seiner Funktion, je nach individueller Strahlenempfindlichkeit und verabreichter Strahlenmenge, mehr oder weniger stark eingeschränkt.
Typische akute Nebenwirkungen sind die feuchte Epitheliolyse (Ablösung) des Epithels der Haut, die akute Schleimhautentzündung (Mukositis), der meist temporäre Funktionsverlust von Speichel- und Schweißdrüsen, der Durchfall (Diarrhoe) durch Zellverlust in Dünn- und Dickdarm, Störungen der Blutbildung im Knochenmark mit Mangel an weißen Blutkörperchen (Leukopenie), akute Harnblasenentzündung (Cystitis) sowie eine Hirnschwellung (Hirnödem).
Die späten, chronischen Nebenwirkungen treten mit einer Häufigkeit von 5-11 % in den jeweils bestrahlten Organen auf.
Es kommt relativ einheitlich zu einer Bindegewebsvermehrung (Fibrose), zu einem dauerhaften Verlust von funktionsfähigen Organzellen (Atrophie), zu einer Verödung der versorgenden kapillären Blutgefäße mit Erweiterung der vorangehenden kleinen Arterien und Venen (Teleangiektasien) sowie zu damit verbundenen Funktionseinbußen des Organs.
Typische chronische Nebenwirkungen sind in wenigen Fällen die Strahlenfibrose der Lunge, der strahleninduzierte Darmverschluß (Ileus) sowie Verhärtungen des Unterhautfettgewebes, des Bindegewebes und der Muskulatur.
Die Kunst des Radioonkologen bei de Planung und auch Durchführung der Strahlenbehandlung liegt in der möglichst kompletten Vermeidung von späten irreversiblen Nebenwirkungen bei gleichzeitiger maximaler Tumorvernichtung.
Das Ausmaß der späten Nebenwirkungen wird insbesondere von der Höhe der Gesamtdosis sowie von der Höhe der täglichen Einzeldosis bestimmt. Als Faustregel gilt, je höher die Gesamtdosis und je höher die tägliche Einzeldosis, um so stärker ist eine mögliche späte Nebenwirkung ausgeprägt.
Zusätzlich ist hierfür noch das bestrahlte Volumen des normalen Körpergewebes maßgeblich.
In der Regel bestimmt also das den Tumor umgebende Normalgewebe die maximal tolerable Gesamtdosis in Abhängigkeit von der täglich applizierten Einzeldosis. Diese beträgt in der Regel 1,8-2,0 Gy, bei großen Bestrahlungsfeldern 1,5 Gy, in ausgewählten Fällen, bei sehr kleinen Bestrahlungsfeldern in der Nähe strahlenunempfindlicher Normalgewebe bis zu 3 Gy täglich.
Die Aufteilung der Gesamtdosis in kleine Einzeldosen hat zwei Gründe: Erstens können durch Anwendung kleiner Strahlendosen die meist dosislimitierenden späten Nebenwirkungen deutlich reduziert werden (Schonung des Normalgewebes) und zweitens können die zu Therapiebeginn vorhandenen hypoxischen Tumorzellen im Verlauf der sich über Wochen erstreckenden Strahlenbehandlung wieder in Kontakt mit Sauerstoff kommen und dadurch ihre besonders hohe Strahlenresistenz wieder verlieren (Reoxygenierung).
Dieses gilt speziell für Patienten, die Aussicht auf eine längere Überlebenszeit oder eine Heilung ihrer Erkrankung haben, bei denen also eine kurative Strahlenbehandlung durchgeführt werden sollte.
In der rein palliativen Therapie, wenn also eine längerfristige Heilung aufgrund der erheblichen Ausdehnung der Tumorerkrankung nicht mehr zu erwarten ist, stehen ein rascher Wirkungseintritt und eine kurze Gesamtbehandlungszeit im Vordergrund, so daß hier häufig mit höheren Einzeldosen gearbeitet wird.
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