Orientierungshilfe der SSK

Schwangerschaft und Strahlenschutz des Ungeborenen

Karl-Heinz Szeifert 4 Aug, 2022 14:01

Die Strahlenexposition eines Embryos und Fetus sollte, wenn möglich, vermieden werden, auch in Situationen, in denen eine Schwangerschaft von der Patientin selbst nicht vermutet wird. Die Verantwortung, eine eventuell bestehende Schwangerschaft abzuklären, liegt zunächst beim anfordernden Arzt.

Die Orientierungshilfe für bildgebende Verfahren der Strahlenschutzkommission vom 27. Juni 2019 empfiehlt für die unterschiedlichen diagnostischen Fragestellungen jeweils das am besten geeignete bildgebende Verfahren. Es befreit den anwendenden Arzt oder die anwendende Ärztin jedoch nicht von der Pflicht, in jedem individuellen Fall die rechtfertigende Indikation für die gewählte Untersuchungsart zu stellen und zu dokumentieren.

In jedem Fall müssen Frauen im gebärfähigen Alter, die zu einer Röntgen- oder nuklearmedizinischen Untersuchung erscheinen, befragt werden, ob sie schwanger sind oder möglicherweise schwanger sein könnten. Wenn die Patientin eine Schwangerschaft nicht ausschließen kann, z. B. weil die Menstruation überfällig ist, sollte die Untersuchung möglichst bis nach Einsetzen der nächsten Periode verschoben werden.

In Einzelfällen kann eine geplante Untersuchung für die Mutter oder eventuell auch für das ungeborene Kind so wichtig sein, dass eine Verzögerung zu einer Gefährdung führen kann. Die rechtfertigende Indikation ist hier unter besonderer Abwägung des Risikos für Mutter und Kind durch den fachkundigen Arzt zu stellen.

Wenn eine Schwangerschaft nicht ausgeschlossen werden kann und die geplante Untersuchung den Uterus nur gering exponiert, kann sie durchgeführt werden.

Bei Untersuchungen mit hoher Exposition des Uterus (Abdominelle CT, IVP, Durchleuchtungsuntersuchungen, Angiografien) bestehen 2 Möglichkeiten: In den ersten 10 Tagen des Zyklus hat mit großer Wahrscheinlichkeit noch keine Befruchtung stattgefunden. Man wird die Untersuchungen durchführen, danach wird man - so es die Situation zulässt - die Untersuchung bis in die ersten 10 Tage des nächsten Zyklus verschieben. In allen Fällen, in denen anfordernder und anwendender Arzt übereinstimmen, dass eine Strahlenexposition der schwangeren oder möglicherweise schwangeren Frau aus medizinischen Gründen toleriert werden muss, ist diese Entscheidung zu dokumentieren.

Der Radiologe oder Nuklearmediziner hat sicherzustellen, dass die Exposition mit der geringsten Strahlendosis erfolgt, die für die Fragestellung erforderlich ist.

Sollte es zu einer unbeabsichtigten Strahlenexposition eines Embryos oder Feten kommen, ist bei üblichen radiologischen Verfahren das Risiko – auch bei vergleichsweise hohen Strahlendosen Einführung 9 – so gering, dass invasive diagnostische Prozeduren (z. B. Amniozentesen), oder ein Abbruch der Schwangerschaft nicht gerechtfertigt sind. Ihr Risiko übersteigt meist das der vorausgegangenen Strahlenexposition. Der anwendende Arzt sollte allerdings auf Basis der Expositionsdaten eine individuelle Bewertung erstellen und mit der werdenden Mutter besprechen. Hierbei können Experten für medizinischen Strahlenschutz helfen.

Auch bei der Anwendung der Magnetresonanztomografie und bei Kontrastmittelapplikationen aller Art ist während der Schwangerschaft erhöhte Vorsicht geboten. Obwohl das Risiko von Schäden durch MRT-Untersuchungen sehr gering ist, ist die Indikation zu MRT-Untersuchungen im ersten Trimenon der Schwangerschaft besonders streng zu stellen. Kontrastmittelapplikationen aller Art sollten während der gesamten Schwangerschaft nach Möglichkeit unterbleiben.

Quelle: Orientierungshilfe für bildgebende Verfahren 3., überarbeitete Auflage Empfehlung der Strahlenschutzkommission Verabschiedet in der 300. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 27. Juni 2019

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