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Radionuklide in Nahrungsmittel

Karl-Heinz Szeifert 20 Jun, 2019 00:00

Alle Nahrungsmittel enthalten natürliche Radionuklide. In Europa führten darüber hinaus insbesondere der Reaktorunfall von Tschernobyl und die oberirdischen Kernwaffentests zu künstlichen Radionukliden in Nahrungsmitteln

Die natürliche Radioaktivität in Nahrungsmitteln, die zur Strahlenbelastung des Menschen beiträgt, ist hauptsächlich durch das Kaliumisotop Kalium-40 und die langlebigen Radionuklide der Uran-Radium-Zerfallsreihe und der Thorium-Zerfallsreihe bedingt. Von Bedeutung sind

  • Uran-238,
  • Uran-234,
  • Radium-226,
  • Radium-228,
  • Blei-210,
  • Polonium-210 und
  • die Thorium-Isotope Thorium-230, Thorium-232 und Thorium-228.

Von den künstlichen Radionukliden spielt insbesondere Cäsium-137 bei Nahrungsmitteln aus dem Wald eine wichtige Rolle.

Abb.1. (Bildquelle: Bundesamt für Strahlenschutz)

Wie nehmen Pflanzen und Tiere Radionuklide auf?

Radionuklide haben zum Teil ähnliche chemische Eigenschaften wie Nährstoffe. Pflanzen und Tiere nehmen deshalb mit den Nährstoffen, die sie zum Wachstum benötigen, auch radioaktive Substanzen auf. Die Höhe der spezifischen Aktivitäten in Nahrungsmitteln hängt

  • vom Radioaktivitätsgehalt der genutzten Quellmedien (Böden, Wasser),
  • von der Verfügbarkeit der Nährstoffe und übrigen Stoffe aus Boden und Wasser und
  • von anderen Gegebenheiten am Standort der Pflanzen- oder der Tierproduktion ab.

Abbildung 1 Radon-Folgeprodukte können sich auf Blattoberflächen ablagern und in die Blätter aufgenommen werden


Manche Pflanzen oder deren Teile, wie etwa Paranüsse und manche Pilzarten (zum Beispiel der Semmelstoppelpilz) reichern bestimmte Radionuklide in hohem Maße an.

Nahrungsmittel können auch über die Luft radioaktiv kontaminiert werden. Zum Beispiel gelangt Radon-222 aus Böden und Gesteinen in die Atmosphäre und zerfällt in seine radioaktiven, aber nicht gasförmigen Folgeprodukte. Diese können sich auf Blattoberflächen ablagern und in die Blätter aufgenommen werden. Hier spielen vor allem die langlebigen Folgeprodukte des Radon-222, die Radionuklide Blei-210 und Polonium-210 eine Rolle, die insbesondere im Blattgemüse in höheren spezifischen Aktivitäten vorkommen.

In der Vergangenheit wurden auch nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl und den oberirdischen Kernwaffentests Radionuklide aus der Atmosphäre auf Nahrungs- und Futtermitteln abgelagert.

Innereien, vor allem Leber und Niere, weisen im Vergleich zum Muskelfleisch höhere Gehalte natürlicher Radionuklide auf, denn diese Organe filtern im Stoffwechsel die Schadstoffe heraus.

Auch in Fischen und Meeresfrüchten (unter anderem im weichen Gewebe von Muscheln, Garnelen, Hummern und Shrimps) können sich natürliche Radionuklide anreichern, vor allem Blei-210 und Polonium-210.


Wo lagern sich die Radionuklide ab?

Je nach Pflanzenart und dem jeweiligen Entwicklungs- und Ernährungszustand der Pflanzen bei der Ernte sind die Mineralstoffe in den Pflanzenteilen unterschiedlich verteilt. Diese Verteilungen beeinflussen die spezifischen Aktivitäten in pflanzlichen Nahrungsmitteln. Beispielsweise sind die spezifischen Aktivitäten der Radium-Isotope Radium-226 und Radium-228 in Getreidekörnern höher als in Gemüse oder Obst.

Über Pflanzen und Tiere gelangen die eingelagerten Radionuklide in die menschliche Nahrungskette. Dabei sinkt in der Regel die spezifische Aktivität in der Nahrungskette – außer bei Fischen.


Kalium: Motor für den menschlichen Stoffwechsel

Im menschlichen Körper muss ständig ein konstanter Anteil Kalium vorhanden sein, damit der Stoffwechsel funktionieren kann. Der Kaliumgehalt wird daher im Körper ständig reguliert. Den Kaliumbedarf können wir vollständig durch unsere Ernährung decken.

Das Element Kalium enthält von Natur aus 0,0117 Prozent Kalium-40 mit einer spezifischen Aktivität von 31,6 Becquerel pro Gramm Kalium. Da dieser Anteil immer gleich ist, kann man die Kalium-40-Aktivität aus dem Kaliumgehalt berechnen.

Je nach Alter, Geschlecht und anderen Faktoren liegt die Kalium-40-Aktivität des menschlichen Körpers etwa zwischen 40 und 60 Becquerel pro Kilogramm Körpergewicht. Die effektive Dosis durch Kalium-40 liegt im Mittel bei 0,165 Millisievert pro Jahr für Erwachsene und 0,185 Millisievert pro Jahr für Kinder.

Kalium ist für alle Organismen lebenswichtig und in ihnen meist in beträchtlichen Mengen vorhanden:

  • In pflanzlichen Nahrungsmitteln sind spezifische Aktivitäten zwischen 50 Becquerel pro Kilogramm Frischmasse im Obst und 380 Becquerel pro Kilogramm Frischmasse in reifen Erbsen oder Bohnen anzutreffen.
  • Bei Produkten tierischer Herkunft sind die Werte ähnlich (circa 50 Becquerel pro Liter in Kuhmilch bis circa 100 Becquerel pro Kilogramm Frischmasse in Muskelfleisch, Leber und Nieren von Rindern).
  • Milchpulver und Wurstdauerwaren enthalten aufgrund ihrer Herstellungsprozesse höhere Aktivitäten (mehr als 180 Becquerel pro Kilogramm Frischmasse).
  • Der Gehalt in Speisepilzen variiert zwischen einigen 10 und einigen 100 Becquerel pro Kilogramm Frischmasse.

Abb. 2 - Atompilz über dem Bikini-Atoll 1954

Cäsium-137: Erbe des Reaktorunfalls von Tschernobyl und der oberirdischen Kernwaffentests

Von den Folgen des Reaktorunfalls von Tschernobyl wurde vor allem Süddeutschland stark betroffen. Schon früher führten die oberirdischen Kernwaffentests zu einer großflächigen radioaktiven Kontamination Deutschlands. Heute weisen Nahrungsmittel, die in Deutschland erzeugt werden, Gehalte an Cäsium-137 von nur wenigen Becquerel pro Kilogramm Frischmasse und darunter auf.

Einige Arten wild wachsender Speisepilze und Wildbret, insbesondere Wildschweine, können jedoch deutlich höher belastet sein.

Aufgrund der oberirdischen Kernwaffentests gelangten vor allem die radioaktiven Stoffe Cäsium-137 und Strontium-90 in die Atmosphäre, aber auch Plutonium. Sie wurden weltweit und damit auch nach Deutschland verbreitet und führten zu einer erhöhten Strahlenbelastung der Bevölkerung. Durch Niederschläge wurden die radioaktiven Spaltprodukte aus der Atmosphäre ausgewaschen ("Fallout") und auf dem Boden abgelagert. Von hier aus gelangten sie über die Nahrung in den menschlichen Körper. Die höchste zusätzliche Strahlenbelastung aufgrund des Fallouts der oberirdischen Kernwaffentests trat in den Jahren 1963 bis etwa 1967 auf.


Quellen:

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