Empfehlungen der SSK zum

Patientenschutz in der Röntgendiagnostik

Karl-Heinz Szeifert 15 Feb, 2022 08:00

Die Strahlenschutzkommission hat um Auftrag des BMU Empfehlungen mit wissenschaftlicher Begründung zur Verwendung von Patienten-Strahlenschutzmitteln bei der diagnostischen Anwendung von Röntgenstrahlung am Menschen erstellt.

Allerdings ist eine Empfehlung kein rechtlich bindendes Werk. Vielmehr ist sie Teil des "Standes von Wissenschaft und Technik". Höher im Rang steht die Sachverständigenrichtlinie. - Und hier müssen nach Anlage III "Erforderliche Patientenschutzmittel bei Röntgeneinrichtungen zur Untersuchung" (dort auf Seite 177) die entsprechenden Schutzmittel zumindest vorgehalten werden.

Ähnliches gilt für die Leitlinie der Bundesärztekammer. Hier wird das Anlegen von Schutzmitteln gefordert. Beide Werke befinden sich derzeit noch in der Überarbeitung und werden möglicherweise die Empfehlung der SSK berücksichtigen.

Bleibt zu hoffen, dass dies bald geschieht!


Bekanntmachung des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) - Veröffentlicht im Bundesanzeiger am 18.6.2019

Der mit Abstand größte Teil der zivilisatorischen Strahlenexposition der deutschen Bevölkerung wird durch Unter­suchungen mittels Röntgenstrahlung verursacht. Eine Reduktion der Strahlenexposition des Patienten, insbesondere außerhalb der zu untersuchenden Körperbereiche, kann unter anderem durch den sachgerechten Einsatz von Patienten-Strahlenschutzmitteln erreicht werden.

Andererseits kann der übermäßige Einsatz wenig effizienter Schutzmittel oder die falsche Anwendung von Schutzmitteln die Akzeptanz sowohl bei dem an der Anwendung beteiligten medizinischen Personal als auch bei den Patienten verringern und somit einem optimalen Strahlenschutz entgegenwirken.

Daher hat das Bundesumweltministerium in einer Beratungsanfrage an die Strahlenschutzkommission (SSK) darum gebeten, eine Empfehlung zu erarbeiten, welche Patienten-Strahlenschutzmittel aus ihrer Sicht für die verschiedenen Verfahren, die in der Röntgendiagnostik Anwendung finden, eingesetzt werden sollten. Dabei sollte der Maßstab für den sinnvollen Einsatz sein, ob es unter Berücksichtigung des Standes der Technik mit angemessenem Aufwand möglich ist, die Strahlenexposition zu reduzieren. Insbesondere sollten in der Empfehlung die Besonderheiten der verschiedenen Untersuchungstechniken unter Einsatz von Röntgenstrahlung (wie z. B. Computertomographie, zahnmedizinische Verfahren, radiologische Interventionen), die Untersuchung verschiedener Körperteile sowie die besonderen Schutzerfordernisse bestimmter Patientengruppen (etwa Personen unter 18 Jahren oder schwangere Frauen) einbezogen werden. Bei der Bewertung der Patienten-Strahlenschutzmittel soll auch der jeweilige Aufwand bei der Verwendung berücksichtigt werden.

Strahlenschutzmittel sinnvoll anwenden!

Die Strahlenschutzkommission empfiehlt in dieser Veröffentlichung den Einsatz von Patienten-Strahlenschutzmitteln in Abhängigkeit von Untersuchungsarten und Untersuchungsregionen, die dort entsprechend tabellarisch aufgeführt sind.

Hodenkapseln

Zum Beispiel bei CT

  • Becken/Abdomen Mann: Hodenkapsel, wenn Artefakte nicht störend sind
  • CT Hirnschädel (CCT): Augenlinsenschutz, wenn die Augen im direkten Strahlenfeld liegen - Schilddrüsenschutz - Brustschutz (Abdeckung der Brust bei Patientinnen)

Zum Beispiel bei Projektionsradiographie

  • Thorax a. p./p. a. und seitlich: Kein Schutz notwendig
  • Becken/Hüftgelenk beim Mann: Hodenkapsel, möglichst nur, wenn Artefakte nicht störend sind
  • Becken/Hüftgelenk bei Frau: Ovarial­abdeckung, wenn möglich bei Kindern

Desweiteren wird empfohlen

  • bei der Fluoroskopie keine Patienten-Strahlenschutzmittel im Strahlengang anzuwenden,
  • die Anwendung der Patienten-Strahlenschutzmittel vor Ort und im Rahmen der Arbeitsanweisungen mit einem Medizinphysik-Experten abzuklären, um nach Möglichkeit die Durchführung des Verfahrens so zu optimieren, dass gegebenenfalls auf die Anwendung von Patienten-Strahlenschutzmitteln verzichtet werden kann,
  • insbesondere bei dosisintensiven radiologischen und kardiologischen Interventionen Patienten-Strahlenschutzmittel einzusetzen. In den Erläuterungen zu den einzelnen Untersuchungsverfahren finden sich Hinweise zur Verwendung von Patienten-Strahlenschutzmitteln, die auf die Interventionen übertragen werden können. In jedem Fall ist auch hier eine Optimierung der Strahlenexposition während der Durchführung der Untersuchung wichtig und notwendig,
  • falls der Patient dies ausdrücklich wünscht, darüber hinaus bei allen Untersuchungen Patienten-Strahlenschutzmittel anzuwenden, aber nur sofern dies nicht mit Nachteilen für die Untersuchung verbunden und klinisch praktikabel ist,
  • bei Personen unter 18 Jahren und bei Schwangeren das höhere Risiko, das mit einer Strahlenexposition verbunden ist, zu berücksichtigen, z. B. durch die Verwendung von Patienten-Strahlenschutzmitteln zur Abdeckung des Abdomens bei der CT-Untersuchung des Thorax,
  • bei CT-Untersuchungen bei Verwendung von Patienten-Strahlenschutzmitteln, die im Untersuchungsbereich oder in seiner unmittelbaren Nähe liegen, die Empfehlungen der jeweiligen CT-Hersteller zu beachten.

In der Bekanntmachung wird zudem auf fachliche Grundlagen, vorliegende Empfehlungen und gesetzliche Regelungen eingegangen. Es obliegt dabei

  • den Strahlenschutzverantwortlichen/Strahlenschutzbeauftragten,
  • den fachkundigen Ärzten und
  • den technisch anwendenden Personen,

die Dosis für den Patienten so niedrig wie möglich zu halten.

Da die Dosisreduktion stark vom Untersuchungsgerät, der Untersuchungstechnik und der Situation abhängt, sollte vor Ort die Anwendung der Patienten-Strahlenschutzmittel mit einem Medizinphysik-Experten abgestimmt werden.

In der Empfehlung der SSK wird sowohl zu den häufigsten CT-Untersuchungen, als auch für die häufigst durchgeführten Projektions­aufnahmearten eine detailierte Beschreibung mit wissenschaftlicher Begründung der Strahlenschutzkommission zur Verwendung von Patienten-Strahlenschutzmitteln abgegeben.


Entsprechend hier noch die Antwort von H.Lenzen auf eine diesbezügliche Frage an das Strahlenschutzforum:

Zitat: Nach dieser Empfehlung kann bei allen projektionsradiographischen Untersuchungen von Erwachsenen, mit Ausnahme des Beckens und der Hüftgelenke, wegen der geringen Dosiseinsparungen auf eine Bleiabdeckung verzichtet werden.

Eine Empfehlung ist allerdings kein rechtlich bindendes Werk. Vielmehr ist sie Teil des "Standes von Wissenschaft und Technik". Höher im Rang steht die Sachverständigenrichtlinie.
Und hier müssen nach Anlage III "Erforderliche Patientenschutzmittel bei Röntgeneinrichtungen zur Untersuchung" die entsprechenden Schutzmittel zumindest vorgehalten werden. Ähnliches gilt für die Leitlinie der Bundesärztekammer. Hier wird das Anlegen von Schutzmitteln gefordert. Beide Werke befinden sich derzeit in der Überarbeitung und werden möglicherweise die Empfehlung der SSK berücksichtigen.

Man sollte daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht von einem Rechtsanspruch auf Verzicht der Patientenschutzmittel ausgehen. Sicher muss man auch überlegen wie ein Verzicht auf die Patienten wirkt. Möglicherweise wird die Sorgfalt des Arztes in Frage gestellt.

Strahlenbiologisch ist die Empfehlung sicher ein Schritt in die richtige Richtung - Strahlenpsychologisch kann sie zu erheblichen Diskussionen führen.

Bitte bedenken Sie auf jeden Fall, dass beim CT weiterhin viele unterschiedliche Strahlenschutzmittel empfohlen werden.


Kommentar von MTA-R.de: Endlich eine fundierte umfassende Grundlage zum Thema der richtigen Anwendung von Strahlenschutzmitteln am Patienten. Bleibt nur zu hoffen, dass die Empfehlungen der SSK bald in Anlage III "Erforderliche Patientenschutzmittel bei Röntgeneinrichtungen zur Untersuchung" und der Leitlinie der Bundesärztekammer bald einfließen werden.

Die komplette Empfehlung der SSK gibt es auch als .pdf-File zum Download!


Quelle: Strahlenschutzkommission (SSK)

Kommentieren