Deinococcus radiodurans

Bakterium das sich bei extremen Strahlendosen wohlfühlt

Karl-Heinz Szeifert 27 Dec, 2018 00:00

Jeder Mensch würde auf der Stelle tot umfallen, wenn er auch nur einem Bruchteil der Strahlungsdosis ausgesetzt wäre  bei der dieses Bakterium noch prächtig wächst und gedeiht.

Das Deinococcus radiodurans ist ein extremophiles Bakterium, das gegen ionisierende Strahlung nahezu immun ist. Es gehört zu den gram-positiven Kokken, besitzt jedoch eine für gram-negative Bakterien typische Zellwand. Das in der gram-negativen Zellwand enthaltene Lipid A fehlt.

D. radiodurans vermag noch bei chronischen (andauernden) Strahlendosen von 60 Gy pro Stunde zu wachsen und zu gedeihen.

Deinococcus radiodurans - Foto: Wikipedia

Die mittlere Letaldosis LD50, also die akute (kurzdauernde) Strahlendosis, die statistisch bei 50 Prozent der exponierten Organismen zum Tode führt, liegt bei diesen Bakterien bei über 10.000 Gy, ein Teil der Organismen überlebt sogar akute Strahlendosen von bis zu 17.500 Gy.
Zum Vergleich: Menschen haben bei einer akuten Bestrahlung ab 6 Gy ohne massive medizinische Intensivversorgung kaum Überlebenschancen (bis zu 90% Mortalität), bei einer Strahlendosis von 7-10 Gy sterben 100 Prozent der Betroffenen innerhalb von ein bis zwei Wochen (LD 100/14).Deinococcus radiodurans wurde 1956 von Arthur W. Anderson entdeckt, als man Fleischkonserven mit ionisierender Strahlung bestrahlte, um Keime abzutöten. Dabei wurde das Bakterium durch die vergleichsweise geringe Strahlendosis nicht abgetötet und wurde daraufhin eingehender untersucht. Man stellte eine bislang unbekannte Resistenz gegen Ultraviolett- und Röntgenstrahlen fest.

Deinococcus radiodurans und seine engen Verwandten sind sprichwörtliche Generalisten und Weltenbummler: Neben den Fleischkonserven sind sie auch in Gewebe von atlantischem Schellfisch, Lamakot, antarktischem Gestein und anderen unwirtlichen Orten zu finden. Sie gehören zu einer besondere Gruppe von Organismen, die befähigt ist, unter den härtesten Lebensbedingungen zu gedeihen (Extremophile). Sie sind in der Lage, auch an den lebensfeindlichsten Orten der Welt ökologische Nischen zu finden und sind deshalb ubiquitär verbreitet, unter anderem auch im Kühlwasserkreislauf von Atomreaktoren sowie im Darm von Menschen.

Hauptverantwortlich für die extreme Strahlenresistenz gegen ionisierende Strahlung ist die Fähigkeit, defekte DNS außergewöhnlich effizient zu reparieren. DNS und Teile von Chromosomen, die durch Mutagene wie Strahlung, chemische Einwirkung oder auch zufällige Ursachen Schaden erlitten haben, werden mit Hilfe von bestimmten Enzymen besonders schnell und effektiv wieder instand gesetzt. Dieser Reparaturmechanismus erlaubt sogar das Beheben von Doppelstrangbrüchen, einer besonders schweren Form der DNS-Schädigung.

Auf diese Weise ist Deinococcus radiodurans in der Lage, gleichzeitig 500 solcher Reparaturen auszuführen, während beispielsweise das Darmbakterium Escherichia coli allenfalls zwei bis drei schafft.
D.radiodurans verfügt über vier Kopien des Genoms in der stationären Phase und über acht bis zehn Kopien während des exponentiellen Wachstums.
Auch andere Bakterien haben multiple Genomkopien (Micrococcus luteus, Micrococcus sodonensis), diese sind aber strahlensensitiv. Daher hat die Vielfachheit des Genoms alleine keinen Einfluss auf die Strahlenresistenz. Bislang sind die molekularen Gegebenheiten, die diese ungewöhnliche Reparaturleistungen ermöglichen, noch nicht hinreichend aufgeklärt.
Außerdem besitzt das Bakterium eine sehr starke Zellwand, die es auch vor UV-Strahlung schützt.

Ihre besondere Widerstandsfähigkeit gegen schädigende Einwirkungen aller Art könnte Deinococcus radiodurans für die Anwendung als Datenspeicher in der Informationstechnologie interessant machen. So wird derzeit erforscht, wie Daten in Form künstlicher DNA in den Bakterien gespeichert und wieder abgerufen werden können. US-amerikanische Informatiker übersetzten den Text des englischen Kinderliedes It's a Small World in den genetischen Code und schleusten die entsprechende DNA-Sequenz in das Erbgut der Bakterien ein. Noch nach etwa hundert Bakteriengenerationen ließen sich die Strophen in unveränderter Form mit üblicher Sequenziertechnik wieder auslesen, d.h. die eingebrachte Information wurde stabil abgespeichert und zusätzlich durch die Vermehrung der Bakterien ihre Redundanz erhöht.


Quelle: Wikipedia

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