Wo landet der gefährliche Stoff ?

Plutoniumhaltige Herzschrittmacher

Karl-Heinz Szeifert 26 Nov, 2018 00:00

Einst wurden Herzkranken Schrittmacher mit Plutoniumbatterien implantiert - Möglicherweise leben immer noch Patienten mit dem Gift im Körper. Aber was passiert mit dem gefährliche Stoff nach deren Tod?

Abb.1

Plutoniumhaltige Herzschrittmacher nutzen als Stromversorgung eine Isotopenbatterie mit radioaktivem Plutonium-238 (Pu-238). Es ist darin in Form von Plutoniumoxid (PuO2) enthalten.PuO2 ist ein radioaktives, schwer lösliches keramisches Material mit einem sehr hohen Schmelzpunkt von 2.400 Grad Celsius. Die Menge des eingesetzten Plutoniums betrug bei dem in Deutschland am häufigsten eingesetzten Modell (Laurens-Alcatel Modell 9000 der Firma Medtronic) (Abb.1) rund 0,2 Gramm PuO2, was einer Aktivität von 1011 Becquerel Plutonium-238 entspricht.

Registrierung

Die in Deutschland implantierten plutoniumhaltigen Herzschrittmacher sind in einem Register des Bundesamtes für Strahlenschutz erfasst worden. Der zuständige Arzt eines Patienten mit einem entsprechenden Herzschrittmacher informiert jährlich über den Status des Herzschrittmachers. Seit 1977 wurden keine radioaktiven Batterien mehr verwendet, da seitdem Lithiumbatterien mit einer Funktionsdauer von bis zu zehn Jahren diese Geräte ersetzen. In der Sowjetunion wurden Plutonium-Herzschrittmacher aber noch bis Mitte der 1980er Jahren implantiert.
Das Register verzeichnet derzeit noch zwei lebende Personen, denen in den 1970er Jahren Herzschrittmacher mit Plutonium-238 implantiert wurden. Nicht im Schrittmacherregister erfasst sind jedoch Patienten, die mit einem solchen Gerät aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland eingewandert sind.

Abb. 2

Abb. 2 Plutoniumhaltiger Schrittmacher sowjetischer Bauart


In den meisten in Deutschland implantierten Herzschrittmachern mit Radionuklidbatterien wurde Plutonium-238 eingesetzt. In Deutschland wurde im Zeitraum von 1971 bis 1977 insgesamt 284 Patienten ein Herzschrittmacher mit Radionuklidbatterien implantiert (Jahresbericht 2002 des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS)). Seit 1977 wurden keine radioaktiven Batterien mehr verwendet, da seitdem Lithiumbatterien mit einer Funktionsdauer von bis zu zehn Jahren diese Geräte ersetzen.

Strahlenbelastung für die Träger der Herzschrittmacher
Der Höchstwert der Äquivalentdosisleistung unmittelbar am Herzschrittmacher beträgt bei dem in Deutschland am häufigsten implantierten Modell (Laurens-Alcatel Modell 9000 der Firma Medtronic) etwa 50 Mikrosievert pro Stunde (µSv/h).
Durch den radioaktiven Zerfall des Pu-238 und die Bildung radioaktiver Folgenuklide ändert sich die Äquivalentdosisleistung mit der Zeit. Sie steigt während etwa zwölf Jahren zunächst um etwa 20 Prozent an und fällt dann wieder leicht ab. Laut Strahlenschutzbericht 1977 bestanden trotz der mit dem Tragen eines Radionuklid-Herzschrittmachers verbundenen Strahlenexpositionen keine Gründe für eine vorzeitige Explantation, da das Risiko eines operativen Eingriffs größer eingestuft wurde als das Risiko einer Schädigung durch die Strahlenexposition des betreffenden Herzschrittmachers.

BfS-Untersuchung zur möglichen Strahlenexposition durch plutoniumhaltige Herzschrittmacher
Es ist nicht auszuschließen, dass aus dem Ausland Träger von Herzschrittmachern mit Radionuklidbatterien nach Deutschland eingewandert sind. Diese wären nicht in dem Register enthalten. Das BfS hat deshalb untersucht, welche Gefahren von unsachgemäßer Entsorgung dieser Herzschrittmacher ausgehen.

Abb. 3

Folgende Möglichkeiten wurden untersucht:

  • Feuerbestattung,
  • Entsorgung in Müllverbrennungsanlage,
  • Einschmelzen mit Metallschrott,
  • Erdbestattung beziehungsweise Lagerung auf einer Deponie.

Abb. 3 - Herzschrittmacher mit Radionuklidbatterie made in Germany


Ergebnis der Untersuchung: In keinem Fall geht von diesen Herzschrittmachern durch unsachgemäße Entsorgung eine akute Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung aus.

Strahlenexposition durch Direktstrahlung
Die Strahlenexposition durch die Direktstrahlung des in Deutschland am häufigsten implantierten Modells beträgt in 50 cm Abstand circa 0,1 Millisievert pro Jahr. Wegen der kurzen Zeiträume, in denen Einzelpersonen mit explantierten Herzschrittmachern umgehen, oder sich in unmittelbarer Umgebung des Verstorbenen aufhalten, ist die Direktstrahlung eines plutoniumhaltigen Herzschrittmachers von untergeordneter Bedeutung.

Feuerbestattung
PuO2 ist ein schwer lösliches keramisches Material mit einem sehr hohen Schmelzpunkt von etwa 2.400 Grad Celsius. Die in Deutschland üblicherweise implantierten Herzschrittmacher sind zusätzlich mit einer hitzebeständigen Schutzhülle versehen. Tests haben ergeben, dass diese Umhüllung auch bei einer Verbrennung in einem Krematorium (Temperatur bis etwa 1.200 Grad) intakt bleiben würde.
Für im Ausland implantierte Herzschrittmacher ist nicht mit Sicherheit festzustellen, ob diese alle mit einer zusätzlichen Umhüllung versehen sind. Aufgrund des hohen Schmelzpunktes verändert sich das darin enthaltene PuO2 im Krematorium jedoch nicht, sondern bleibt in der Asche zurück.

Nur sehr geringe Mengen Plutonium können über die Abluft in die Umwelt gelangen. Die Strahlenbelastung, der eine Einzelperson dabei ausgesetzt sein könnte, liegt unterhalb von einem Millisievert (effektive Dosis). Dies entspricht dem gesetzlichen Grenzwert für Zivilpersonen während eines Kalenderjahres oder der Hälfte der durchschnittlichen jährlichen Strahlendosis durch medizinische Anwendungen. Realistische Werte liegen jedoch deutlich darunter, weil der Berechnung sehr ungünstige Rahmenbedingungen zugrunde gelegt wurden.

Abb. 4

Müllverbrennungsanlage/Einschmelzen mit Metallschrott

Beim Verbrennen in einer Müllverbrennungsanlage (typischerweise um 1.000 Grad Celsius) oder beim Einschmelzen mit Metallschrott (Temperatur bis etwa 1.600 Grad Celsius) bleibt das PuO2 fast vollständig in der Schlacke zurück. Das recycelte Metall ist praktisch nicht kontaminiert.


Abb. 4 - Ausgedienter Schrittmacher der US-Firma Medronic. Das Plutonium ist entfernt. Das Titangehäuse war schuss- und feuersicher konstruiert.


Der PuO2-Anteil, der in das Abgas übergeht, wird zu 90 bis 95 Prozent in der Filteranlage zurückgehalten. Diese Filterabfälle sind in der Regel auch ohne Plutoniumrückstände extrem giftig und werden deswegen als Sondermüll geordnet entsorgt.

Deponierung/Erdbestattung
Bei der Deponierung der Schlacke kann langfristig PuO2 aus der Schlacke in das Erdreich gelangen. Dies ist vergleichbar mit dem Fall, dass eine Person mit Plutonium-Herzschrittmacher bestattet wird: Unter Wassereinfluss kann das schwerlösliche PuO2 in eine leichter lösliche und mobilere chemische Form umgewandelt werden und langfristig in das Grundwasser gelangen.

Dies geschieht jedoch nur in sehr geringen Mengen. Selbst wenn sich der Friedhof im Einzugsgebiet eines Trinkwasserbrunnens befinden würde, läge die Belastung einer Einzelperson, die über ein Jahr lang große Mengen dieses Wasser trinkt, im Bereich von einem Mikrosievert pro Jahr. Zum Vergleich: Der Richtwert der deutschen Trinkwasserverordnung liegt bei 100 Mikrosievert pro Jahr.

Kritische Betrachtung
Dennoch – das Beunruhigende an dieser Geschichte ist, dass niemand weiß, wie viele dieser Plutoniumbatterien im Umlauf, schon beerdigt oder eingeschmolzen sind. Von offizieller Seite gibt es bis jetzt keinen Versuch, Ärzte, Krematorien und Schrottverwerter systematisch auf das potenzielle Problem hinzuweisen. So bleibt das Risiko, dass Menschen ahnungslos mit dem radioaktiven Stoff in Kontakt kommen – oder dass so eine Batterie in falsche Hände gerät. Denn mit krimineller Energie lässt sich die Energiequelle des Herzschrittmachers auch als Mordwaffe verwenden. Würde man das Plutonium der Batterie einem Menschen ins Essen mischen, so würde der daran sterben.

Das Magazin “Der Spiegel” befasste sich am 22.11.2009 mit dem Artikel “Atombatterie in der Brust” kritisch mit dem laxen Umgang mit Plutonium aus Schrittmacherbatterien. Immerhin gilt Plutonium als einer der giftigsten und gefährlichsten Stoffe überhaupt! Da alle Isotope von Plutonium instabil sind, kommt es auf der Erde natürlich nur in äußerst kleinen Mengen vor. Plutonium ist das letzte bisher bekannte natürlich vorkommende Element des Periodensystems und ist mit einem Gehalt von 2 · 10−19 % eines der seltensten Elemente der Erdkruste. In Uranvorkommen kann es in winzigen Mengen durch Absorption natürlich freigesetzter Neutronen aus Uran entstehen. Auf 140 Milliarden Uranatome soll ein Plutoniumatom kommen

Künstlich wurden jedoch alleine durch oberirdische Kernwaffentests von 1945 bis 1980 etwa 3 bis 5 t Plutonium freigesetzt, die in Spuren weltweit nachweisbar sind. Weitere Mengen gelangten in die Umwelt

  • bei Unfällen mit Kernwaffen
  • bei Unfällen in Kernwaffen-Laboratorien,
  • bei einem Satellitenabsturz mit enthaltener Plutoniumdioxid-Batterie (Transit 5BN-3, 21. April 1964)
  • durch die den Brand des Reaktors der Plutoniumfabrik von Sellafield (siehe Windscale-Brand 1957)

Der Großteil des bei der Reaktorkatastophe von Tschernobyl entwichenen Plutoniums blieb in einem Umkreis von 100 km um den Reaktor. Auch beim russischen Kyschtym-Unfall (1957 in Majak) entwichen erhebliche Mengen an Plutonium, die hauptsächlich lokal und regional abgelagert wurden.

Plutonium entsteht auch in vielen Kernkraftwerken, die mit Uran betrieben werden. Plutonium 239 ist spaltbar und wird in Kernkraftwerken und Kernwaffen eingesetzt. Das leichtere Isotop Plutonium 238 ist nicht spaltbar und hat als Aphastrahler eine mittlere Halbwertszeit von 87,7 Jahren.

Zitat “Der Spiegel”: Eine bereits verstorbene Patientin, die mit Plutoniumschrittmacher aus der Ukraine gekommen war, lebte in der Nähe von Halle. Vermutlich wurde sie mit dem Schrittmacher begraben.


Quellen:

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Wende vor 5 Jahre

Wenn Titan in den Körper eingebracht wird, oxidiert es permanent. Die etwa bakteriengroßen Titanoxidpartikel werden dann vom Immunsystem als fremd angesehen und von den sogenannten Makrophagen (Fresszellen) gefressen. Mehr als 15 Prozent der Patienten entwickeln bei der Versorgung mit Titanimplantaten Entzündungen. „Wenn es erst einmal so weit kommt, ist es unheimlich schwer, solchen Patienten zu helfen“ (Quelle: https://www.welt.de/gesundheit/article8315256/So-gefaehrlich-koennen-Titan-Implantate-sein.html).
Titandioxid (TiO2) ist ohne Höchstmengenbeschränkung für Lebensmittel zugelassen. Als E 171 wird es Lebensmitteln, Zahnpasta und Medikamenten zugesetzt, denen es eine weiße Farbe verleiht. Zuckerguss, Kaugummis oder Marshmallows enthalten beispielsweise E 171 (vgl. z.B. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/77148/Titandioxid-Nanopartikel-Wie-gefaehrlich-ist-E-171-fuer-Darmpatienten). Titandioxid ist auch in Kosmetika bzw. Sonnenschutzmitteln enthalten.
Titandioxid (E 171 bzw. Cl 77891) ist krebserregend.
Basierend auf Inhalationsstudien an Ratten entschied das IARC, dass "ausreichender Beweis für Karzinogenität von Titandioxid an Versuchstieren vorliegt", daraus ergab sich die Gesamteinstufung der IARC "Titandioxid ist ein potenzielles Humankarzinogen (Gruppe 2b), siehe http://www.kronosecochem.com/khome.nsf/40900e4b325dda54852569b40034edf3/25f5a1e02cff9337852569b400354721/$FILE/Dfood.pdf.
Titandioxid-Nanopartikel induzieren bei Mäusen DNA-Schäden und genetische Instabilität, siehe https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19887611.
Titandioxid führt zu Rhythmusstörungen und veränderten EKG Werten, wie sie für Herzerkrankungen typisch sind, vgl. https://www.iww.de/mr/innere-medizin/nanopartikel-einige-nanopartikel-beeinflussen-im-tierversuch-herzfrequenz-und-ekg-f53333 und
https://www.tum.de/nc/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/details/31077/. Herzrhythmusstörungen führen übrigens oft zu Blutgerinnseln und damit zu Schlaganfällen und zum Tod.