Teil 3 - Röhrenbelastung und Lebensdauer

Die Röntgenröhre im medizinischen Einsatzbereich (3)

Karl-Heinz Szeifert 10 Dec, 2018 06:00

In dem Vortrag von Dr. Heinrich Behner werden in gut verständlicher Weise Funktionen und Zusammenhänge der Röntgenröhre beschrieben und erklärt. Eine empfehlenswerte Lektüre - nicht nur für MTA-R-Schüler.

F. Grundlagen der Röhrenbelastung

1. Belastungsdiagramme

Bei der Erstellung und Interpretation von Belastungsdiagrammen von Röntgenröhren sind einerseits die Eingangsgrößen zu berücksichtigen, die den spezifischen Temperaturanstieg im Anodenteller verursachen und andererseits die möglichen Leistungsgrenzen, deren Überschreitung einen erhöhten Verschleiß bzw. eine Zerstörung der Röhre im ungünstigsten
Fall zur Folge hat.

Die wesentlichen Eingangsgrößen sind: Röhrenstrom und –spannung (Leistung), Aufnahmedauer, Anodendrehzahl, Fokus, Grundtemperatur der Anode vor der Aufnahme.

Bei der Betrachtung von Temperaturniveaus innerhalb des Röntgenstrahlers während einer Belastung zur Ermittlung der Leistungsgrenzen ist generell zwischen folgenden Bereichen zu unterscheiden:

  • Fokus: Kleiner, höchst beanspruchter Bereich unmittelbar im Auftreffpunkt der Elektronen mit Temperaturanstieg (Brennfleckhub) und Abklingen im ms-Bereich; Grenzen bei ca. 2600°C.
  • Brennring, -bahn (nur bei Drehanoden): Ausgleichsvolumen, in das während einer Umdrehung die im Fokusbereich aufgenommene Energie „verschmiert“; Zeitkonstanten von Temperaturanstieg und Ausgleich im Bereich von< 1 bis 3 Sekunden; typische Höchsttemperaturen bis 2000°C.
  • Anode: relativ träger Wärmespeicher, der zunächst die komplette Wärmemenge aufnimmt und sie im Verlauf einiger Minuten an die Umgebung per Wärmestrahlung abgibt; maximale mittlere Tellertemperaturen bei ca. 1200 °C (nicht bei Drehkolbentechnologie).
  • Kühlöl: Dieses nimmt die abgeführte Wärmemenge komplett auf und führt sie über weitere Transportsysteme an die Umgebung ab; konstante Temperatur mit maximal 80°C.

Die beschriebenen unterschiedlichen Temperaturbereiche auf einer Drehanode sind in nebenstehendem Beispiel illustriert.

Brennfleckhub und erhöhte Brennringtemperatur sind gut zu erkennen.

Eingangsparameter für die Berechnung sind

  • ein Anodendurchmesser von 100 mm,
  • 70 kW Strahlleistung
  • in einen elektronischen Brennfleck von 1 mm x 12 mm (Breite x Länge),
  • Drehzahl 200 Hz,
  • Momentaufnahme nach 10 Umdrehungen (50 ms) nach Belastungsbeginn:

2. Beispiele von Belastungsdiagrammen:

Durchleuchtung (a): Die Anode der Röntgenröhre wird kaum und weitgehend konstant belastet; die Tellertemperatur bleibt dabei relativ niedrig.

Einzelbelastung (b): Die Tellertemperatur (und auch Brennbahn- und Fokustemperatur) steigt kurzfristig sehr hoch an und fällt nach erfolgter Aufnahme exponentiell ab.

Angiographie (c): Der ständige Wechsel der Betriebszustände zwischen (gepulster) Durchleuchtung, Kinoserien, DSA, etc. sorgt für höchste thermische Wechselbeanspruchungen.

Computertomographie: Ähnliches gilt für CT-Anwendungen mit raschem Wechsel zwischen Topogrammen, Serien- oder Spiralscans.

3. Röhrenleistungsbereich in der Diagnostik:

In der Routinediagnostik wie z.B. bei Bucky-Tischen, Planigraphie, Mammographie, DR/DFR, Urologie, Lithotripsie, Angiographie etc. ist die Kurzzeitleistung entscheidend. In diesem Einsatzgebiet werden aufgrund der höheren Brennfleckbelastbarkeit vorwiegend
Röntgenröhren mit ≥ 150 Hz Anodenantriebsfrequenz eingesetzt.
Seit mehreren Jahrzehnten hat sich die Computertomographie in der Diagnostik etabliert.
Hier liegt der Schwerpunkt allerdings weniger auf der Brennfleck-Kurzleistung (deren Maximierung gleichwohl von Interesse ist) als vielmehr auf der Strahler-Dauerleistung. Ein geringerer Anodenantrieb (bis zu 100 Hz) ist deshalb ausreichend, jedoch verlangt die CT ein hohes Anoden-Wärmespeichervermögen (oder, siehe Drehkolbensystem, eine effiziente Anodenkühlung). Bedingt durch den hohen Energieumsatz ist eine Zusatzumlaufkühlung durch einen externen Wärmeaustauscher beim Strahler unabdingbar.

4. Überlastschutz-Systeme

Man unterscheidet direkte und indirekte Messsysteme.
Die direkte Messwerterfassung erfolgt unmittelbar am Strahler wie z.B. Öldruck, Öltemperatur, Kühlungsüberwachung, Tellertemperatur. Letztere wird beim System LOADIX™ mittels Sensor, der die Helligkeit des Anodentellers bestimmt, gemessen. Diese Systeme werden allerdings mehr und mehr durch indirekte Systeme ersetzt.
Zum indirekten Überlastungsschutz gehört die generatorintegrierte Belastungsautomatik. Die dabei maximal einstellbaren Aufnahmewerte sind jedoch allein kein ausreichender Schutz vor Überlastung während des Betriebes, da die Aufnahmefolge unberücksichtigt bleibt.
Eine Aufnahmeblockierung bietet wohl den wirksamsten Überlastungsschutz, ist aber nicht immer anwendbar und kann den Untersuchungsablauf empfindlich stören.
Die Entwicklung von Belastungscomputern (Lastrechnern) im System bilden die optimale Lösung, vorausgesetzt Strahler und Generator sind vom gleichen Hersteller oder zumindest aufeinander abgestimmt. Die permanente online-Kommunikation aller Komponenten ermöglicht das sofortige Erkennen des thermischen Belastungszustandes mit frühzeitiger Warnung vor Überlastung bzw. Planung der möglichen Untersuchungsmodi.


G. Lebensdauer von Röntgenstrahlern

Sowohl Hersteller (Know-how, Konzeption, Systemdesign, Produktqualität, Service, Beratung) als auch Anwender (Schulung, Arbeitsweise) nehmen Einfluss auf die Strahler Lebensdauer.

Strahler-Inbetriebnahme: Generatoren mit selbstlernendem Heizkreis bilden mit dem jeweiligen Strahlertyp ein abgestimmtes System. Das geschulte Service-Personal sorgt für vorschriftengerechte Installation und führt anlagenbezogene Funktionstests, Konditionierprogramme, etc. durch. Dies bildet die Basis für eine sichere Funktion.

Überwachungssysteme bedeuten Warnung und Schutz vor Überlastung während des Betriebes.

Gepulste Durchleuchtung reduziert einerseits die Strahlenexposition der Patienten und trägt andererseits zur Lebensdauerverlängerung bei.

Digitale Bildspeicher: Mit dem Einsatz von Zwischenwertspeichern bei Durchleuchtung und Aufnahme kann 50% und mehr Dosis eingespart werden.

Zusatzkühlung wird bei höher beanspruchten Arbeitsplätzen eingesetzt, die eine thermische Entlastung fordern, um den Verschleiß von Komponenten zu mindern.

Hochwertige Produktionsverfahren sorgen für höchstmögliche Qualität der Einzelkomponenten bei der Herstellung; die Verwendung von speziellen Materialien und Werkstoffen mindert den Verschleiß: z.B. durch den Einsatz von modernen Verbundanoden wird der Rückgang der Dosisleistung reduziert.

Erfahrung: Planung des Untersuchungsablaufes beeinflusst die Aufheizzyklen der Röntgenröhre. Oder: eine lange Vorbereitungszeit bis Aufnahmeauslösung erhöht den Wendelverschleiß. Oder: Aufnahmen müssen in kurzer Zeit wiederholt werden infolge von
Fehlbelichtungen durch falsche Objektpositionierung.

Objektdicke: Die Einstellung empfohlener Aufnahmeparameter liefert optimale Bildqualität und kann Lebensdauer positiv beeinflussen.

Zusatzfilter dienen der Bildqualitätsverbesserung (Strahlenaufhärtung) bei gleichzeitiger Senkung der Patientenhautdosis. Die Strahlerbeanspruchung ist zwar höher, aber hier ist die medizinische Diagnostizierbarkeit vorrangig.

Film-/ Folientyp: Der Einsatz höherempfindlicher Medien bewirkt eine Lebensdauerverlängerung und Reduzierung der Strahlenexposition und ermöglicht kürzere Belichtungszeiten und Kontraststeigerung, jedoch bei verringerter Detailerkennbarkeit.

Tägliche Inbetriebnahme: Bei allen Hochleistungsröhren wird in der Regel ein warm-up nach längerer Stillstandszeit (morgens) empfohlen; z.T ist dies, wie bei CT-Anlagen in der Anlagensoftware bereits vollautomatisch integriert. Nach längeren
Ausserbetriebnahmezeiten (z.B. Transport oder Anlagenumbau) wird ein erneutes Einfahren bzw. Gettern der Röhre empfohlen.



Das Script wurde uns freundlicherweise von Herrn Dr. Heinrich Behner von der Siemens AG zur Verfügung gestellt.

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