§ 180 StrlSchG - Aufsichtsprogramm

Ergebnisse der Aufsichtsbehörde von Vor-Ort-Überprüfungen

Karl-Heinz Szeifert 18 Sep, 2022 14:45

Gemäß § 180 Absatz 3 des Strahlenschutzgesetzes werden beim Betrieb von Röntgeneinrichtungen und Anlagen und beim Umgang mit radioaktiven Stoffen in Medizin und Technik regelmäßige Vor-Ort-Überprüfungen durchgeführt.

Nach Vorgabe des Abs.3 des §180 StrlSchG macht die zuständige Behörde der Öffentlichkeit eine Kurzfassung des Aufsichtsprogramms mit den wichtigsten bei der Durchführung der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse zugänglich.

Die Vor-Ort-Überprüfungen der Aufsichtsbehörden umfassen den Umgang mit radioaktiven Stoffen, den Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung, den Betrieb von Röntgeneinrichtungen und die damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten. Überwacht werden Tätigkeiten in Industriebetrieben, Laboratorien, Forschungseinrichtungen und medizinischen Einrichtungen. Das Spektrum reicht von zahlreichen Zahnarztpraxen über radiologische Praxen bis hin zu Universitätskliniken.

Dabei wird von den Regierungspräsidien die Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen im Strahlenschutz nach dem Strahlenschutzgesetz, der Strahlenschutzverordnung sowie die Berücksichtigung von Richtlinien und Normen überprüft.

Rechtsgrundlage hierzu ist § 180 StrlSchG - Aufsichtsprogramm; Verordnungsermächtigung

Nach § 180 Absatz 3 des Strahlenschutzgesetzes werden beim Umgang mit radioaktiven Stoffen in Medizin und Technik und beim Betrieb von Röntgeneinrichtungen und Anlagen regelmäßige Vor-Ort-Überprüfungen abhängig vom jeweiligen Risikopotential durchgeführt.

Gemäß Abs. 3 macht die zuständige Behörde der Öffentlichkeit eine Kurzfassung des Aufsichtsprogramms mit den wichtigsten bei der Durchführung gewonnenen Erkenntnisse zugänglich. Nachstehend in gekürzter Form die Erkenntnisse der baden-württembergischen Behärde für das Jahr 2021.

Es wurde bei den Vor-Ort-Überprüfungen in der Medizin unter anderem festgestellt:


Technische Mängel

Mängel, die einen direkten Einfluss auf die Strahlenexposition von Patientinnen und Patienten, beruflich exponierten Personen, einer Einzelperson der Bevölkerung oder der Umwelt haben können.

a) Baulicher Strahlenschutz

Der Arbeitsplatz des Untersuchenden ist bei dosisintensiven Interventionsverfahren in der Radiologie mit einem Bleiglasschutz auszustatten. Dies kann durch eine deckengeführte Bleiglasscheibe erreicht werden. Die Nachrüstung bei Bestandsgeräten ist möglich. Die Regierungspräsidien haben bei der Vor-Ort-Überprüfung festgestellt, dass bei einigen Röntgeneinrichtungen diese technischen Strahlenschutzmaßnahmen fehlten. Die Nachrüstung war in den meisten Fällen möglich und wurde nach Aufforderung auch umgesetzt.

b) Persönliche Strahlenschutzausrüstung

Personen, die dauerhaft in der interventionellen Radiologie tätig sind, werden persönlich angepasste Schutzschutzbrillen mit Bleiglas zur Verfügung gestellt. Ärztinnen und Ärzten, die im Rahmen ihrer Facharztausbildung temporär tätig werden, bedienen sich aus einem Pool nicht persönlich angepasster Strahlenschutzbrillen. Auch wenn mit Strahlenschutzbrillen ein guter Schutz der Augenlinse vor Röntgenstrahlung zu erreichen ist, wird vom Personal der Tragekomfort im klinischen Alltag bemängelt. Deckenmontierte Bleiglasscheiben, die flexibel je nach Situation bewegt werden können, sind eine gute Alternative, da diese einen zusätzlichen Schutz für die Augenlinse bieten. Der Einsatz beider Varianten bietet einen optimalen Schutz der Augenlinse vor einer Exposition. Die Regierungspräsidien haben darauf hingewirkt, dass eine ausreichende Anzahl von Strahlenschutzbrillen an den Arbeitsplätzen zur Verfügung steht und diese im klinischen Alltag auch eingesetzt werden.

Organisatorische Versäumnisse

Versäumnisse, die keine direkten, aber indirekte Auswirkungen auf den Strahlenschutz haben können.

a) Unterweisung

Bevor Personen im Kontrollbereich tätig werden können, sind sie hinsichtlich der anzuwendenden Sicherheits- und Schutzmaßnahmen im Strahlenschutz zu unterweisen. Diese Strahlenschutzunterweisung ist jährlich zu wiederholen und zu dokumentieren. Die Regierungspräsidien haben bei einigen größeren Einrichtungen festgestellt, dass die Strahlenschutzunterweisung nicht vorgelegt werden konnte. Auch wurde festgestellt, dass einigen Personen lediglich ein Dokument zur Durchsicht und Unterschrift, als Ersatz für eine mündliche Unterweisung, vorgelegt wurde. Teilweise war die Dokumentation über die im jeweiligen Zeitraum zu unterweisenden beruflich exponierten Personen lückenhaft. Die Regierungspräsidien haben darauf hingewiesen, dass die Unterweisung mündlich zu erfolgen hat und zu dokumentieren ist. Die jeweiligen Nachweise wurden angefordert.

b) Rechtfertigende Indikation

Die Anwendung von ionisierender Strahlung oder radioaktiven Stoffen am Menschen darf erst nach Abwägung des gesundheitlichen Nutzens gegenüber dem Strahlenrisiko durch eine Ärztin, einen Arzt, eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz erfolgen. Diese Entscheidung, die als rechtfertigende Indikation bezeichnet wird, ist auch dann erforderlich, wenn die Untersuchung oder Behandlung durch eine überweisende Kollegin oder einen überweisenden Kollegen angefordert wird. Die rechtfertigende Indikation ist zu dokumentieren. Seit der ersten Änderung des Strahlenschutzgesetzes im Mai 2021 sind der Zeitpunkt und das Ergebnis der Indikationsstellung ebenfalls zu erfassen.

Die Regierungspräsidien haben festgestellt, dass sich einzelne Ärztinnen, Ärzte, Zahnärztinnen oder Zahnärzte auf die Überweisung von Kolleginnen oder Kollegen berufen, statt selbst die rechtfertigende Indikation zu stellen. Es wurde weder die rechtfertigende Indikation noch der Zeitpunkt der Indikationsstellung dokumentiert. Die unzureichende Indikationsstellung ließ sich insbesondere bei konventionellen Röntgenaufnahmen (zweidimensionale Projektionsradiographien) beobachten. Die Regierungspräsidien haben die medizinischen Einrichtungen über die erweiterten Dokumentationspflichten informiert.

c) Fehlende Arbeitsanweisungen

Für jede Untersuchung und Behandlung mit radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung ist eine Arbeitsanweisung zu erstellen. Die gesetzlichen Vorgaben wurden dahingehend verschärft, dass seit dem 31.12.2018 auch für seltene Untersuchungen und Behandlungen eine Arbeitsanweisung zu erstellen ist. Die Regierungspräsidien haben festgestellt, dass die Arbeitsanweisungen nicht oder nicht rechtzeitig erstellt worden sind. Die Unterlagen wurden jeweils nachgefordert.

d) Medizinphysik-Experte

Seit dem 31.12.2018 ist der Aufgabenbereich von Medizinphysik-Experten (MPE) um die dosisintensiven Untersuchungsverfahren in der Röntgendiagnostik erweitert worden. Durch die Einbindung von MPE soll in der Röntgendiagnostik die Dosisbelastung der Patientinnen und Patienten regelmäßig kontrolliert und minimiert werden. Beim Betrieb von mehreren Röntgeneinrichtungen wird die Dosisbelastung der Patientinnen und Patienten mit einem Dosismanagementsystem erfasst. Die Dosisbelastungen der Patientinnen und Patienten der einzelnen Untersuchungen können so automatisiert verarbeitet werden. Es hat sich gezeigt, dass die Etablierung von Dosismanagementsystemen im laufenden Betrieb technisch aufwändig und ohne die Verfügbarkeit eines MPE praktisch nicht möglich sind. Derzeit sind immer noch zu wenige MPE mit der erforderlichen Fachkunde in der Röntgendiagnostik verfügbar. Die Regierungspräsidien haben zunächst den großen Einrichtungen angeraten zusätzliche MPE mit der erforderlichen Fachkunde einzustellen, sowie Stellen für die Ausbildung von MPE im Bereich der Röntgendiagnostik zu schaffen. Es konnte eine Entwicklung beobachtet werden, ein Defizit bleibt aber weiterhin bestehen.

e) Fehlende Meldungen beim Umgang mit radioaktiven Stoffen

Das Strahlenschutzrecht fordert von der oder dem Strahlenschutzverantwortlichen beim Umgang mit radioaktiven Stoffen verschiedene verpflichtende Meldungen an die zuständige Behörde. Dies trifft beispielsweise auf die Berichtspflichten bei der Annahme und Abgabe von radioaktiven Stoffen zu. Die Regierungspräsidien haben festgestellt, dass dieser Verpflichtung nicht, oder nur teilweise auf Nachfrage der zuständigen Behörde gefolgt wird. Oft geht das Wissen um das Erfordernis dieser Berichtspflichten bei einem Personalwechsel und geänderten Zuständigkeiten verloren. Bei wiederholten Versäumnissen wurden Ordnungswidrigkeitsverfahren angedroht und teilweise auch durchgeführt.

f) Augenlinsendosimetrie

Die oder der Strahlenschutzverantwortliche ist verpflichtet die effektive Dosis zu ermitteln und beruflich exponierten Personen ein amtliches Personendosimeter zur Verfügung zu stellen. Alle ermittelten Werte werden zentral im Strahlenschutzregister des Bundesamtes für Strahlenschutz erfasst. Ist abzusehen, dass der Grenzwert für die Organ-Äquivalentdosis der Augenlinse von 20 mSv im Kalenderjahr erreicht werden kann, hat die oder der Strahlenschutzverantwortliche dafür zu sorgen, dass die Augenlinsendosis durch ein weiteres Personendosimeter ermittelt wird. Dieses Augenlinsen-Personendosimeter ist im optimalen Fall hinter einer Strahlenschutzbrille zu tragen. Ersatzweise sind einzelne orientierende Messungen oberhalb des Schutzmittels veranlasst worden, da die Befestigung der Augenlinsen-Personendosimeter hinter einer Strahlenschutzbrille nur schwierig zu realisieren ist. Derzeit werden auf dem Markt sowie von den Messstellen noch keine befriedigenden Messvorrichtungen zur Ermittlung der Organ-Äquivalentdosis der Augenlinse angeboten.

Für beruflich exponierte Personen ist ein Dosimeter mit Tragekomfort, das auch den Anforderungen im klinischen Alltag standhält, wichtig. Aufgrund der fehlenden Praktikabilität wurden verschiedene andere Trageorte ausprobiert z.B. an einem Stirnband. Augenlinsen-Personendosimeter sind von den beruflich exponierten Personen zu tragen, die sich bei der Untersuchung der Patientinnen oder Patienten in unmittelbarer Nähe zur Röntgenquelle befinden.

Weiterhin wurden bei den Vor-Ort-Überprüfungen auch in der Technik Mängel festgestellt: Z.B.:

  • Mängel bei der Lagerung und Sicherung von radioaktiven Stoffen. - Die Regierungspräsidien haben festgestellt, dass die Einrichtungen die erforderlichen baulichen Sicherungsmaßnahmen noch nicht umgesetzt haben, was auch durch hohe Investitionskosten begründet wurde. In Einzelfällen waren die zu treffenden Maßnahmen nicht bekannt.
  • Kennzeichnung von Strahlenschutzbereichen als Vorbereitung zur Brandbekämpfung. -Die Regierungspräsidien haben festgestellt, dass die Kennzeichnungen nach den Gefahrengruppen fehlerhaft waren. In einigen Fällen war die Feuerwehr über den Umgang mit radioaktiven Stoffen vor Ort nicht informiert und es lagen demzufolge keine Brandschutzpläne vor.
  • Kennzeichnung und Überwachung der Strahlenschutzbereiche. - Es wurde festgestellt, dass solche Kennzeichnungen fehlerhaft waren. Beispielsweise wurde für die Kennzeichnung nicht das Strahlenwarnzeichen nach der Strahlenschutzverordnung
  • Fehlende Betriebsanleitung. - Die Regierungspräsidien haben festgestellt, dass die oder der Strahlenschutzverantwortliche nicht dafür gesorgt hat, dass eine aktuelle Betriebsanleitung vorliegt
  • Nicht vorgehaltene Bescheinigungen zur Aktualisierung der Fachkunde. - Den Regierungspräsidien konnten teilweise diese Bescheinigungen bei der Überwachung vor Ort nicht vorgelegt werden. Die Strahlenschutzverantwortlichen wurden mit Fristsetzung aufgefordert, diese nachzureichen.

Gesamtbewertung

Das Strahlenschutzrecht stellt hohe Anforderungen an den Umgang mit radioaktiven Stoffen, an den Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung und von Röntgeneinrichtungen. Ziel ist der Schutz des Menschen und der Umwelt vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung. Das von den Regierungspräsidien durchgeführte Aufsichtsprogramm richtet sich bei der Vor-Ort-Überwachung nach Art und Ausmaß des mit der jeweiligen Tätigkeit verbundenen Risikos. Es kann festgesellt werden, dass die im Bereich der Medizin und der Technik überprüften Einrichtungen trotz der festgestellten technischen und organisatorischen Mängel und Versäumnisse ein hohes Sicherheitsniveau aufweisen. Die Bereitschaft der Strahlenschutzverantwortlichen, die festgestellten Mängel zügig zu beheben, trägt zur Minimierung des Risikos bei.


Quelle:

Die komplette Kurzfassung des Aufsichtsprogramms (Baden-Württemberg) und der Darstellung der wichtigsten bei Vor-Ort-Überprüfungen gewonnenen Erkenntnisse für das Jahr 2021 gibt es hier!

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