Radioaktivität als Wundermittel.

Austellung in Dresden widmet sich "Strahlenden Utopien"

Karl-Heinz Szeifert 13 Jun, 2011 10:00

MTA-R.de hat schon mehrfach über kuriose Verwendungen von radioaktiven Stoffen Anfang des 20.Jahrhunderts berichtet.

Zum Beispiel über die Radium-Zahnpasta , das Nutex-Radium-Kondom oder das Potenzmittel Vita-Radium-Zäpfchen . Ab Juni soll in in der Bibliothek der TU Dresden eine Austellung über solche Technik-Utopien gezeigt werden.

Die Leipziger Rundschau berichtete dazu :


Radium als Energiespender in Schokolade

Ein feiner Strahlenkranz zieht sich auf der Packung um das Wort Radium. „Das ganze Jahr im Radiumbade durch Burkbraun-Radium-Schokolade“, warb vor etwa einhundert Jahren die Cottbuser Süßwarenfirma Burk & Braun für ihr damals hochmodernes Produkt. Das radioaktive Element Radium, 1898 von Marie Curie entdeckt, galt als regelrechtes Wundermittel. Als „Urkraftelement“ sollte es schnell aus der Schokolade in den Körper dringen und eine „Verjüngung von innen“ in Gang setzen.

Die Cottbuser Radium-Schokolade spielt jetzt wieder eine Rolle: Als Teil einer öffentlichen Ausstellung, die ab Juni in der Bibliothek der TU Dresden gezeigt werden soll. „Energie-Utopien“ ist das Thema der Schau des Lehrstuhls für Technik- und Wissensgeschichte, an deren Entstehung der in der Lausitz aufgewachsene Student Sebastian Beese mitwirkt.

Schokolade war nicht die einzige Verwendung von Radium Anfang des 20. Jahrhunderts. Es gab Radium-Zahnpasta, mit Radium angereichertes Mineralwasser und radiumhaltige Kosmetika, die dem menschlichen Körper neue „Energie“ zuführen sollten. Erst in den 30er-Jahren setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Strahlung des vermeintlichen „Urkraftelementes“ lebensgefährlich war.

„Eine Tube radiumhaltige Zahnpaste ,Doramad‘ haben wir über einen Internethandel aufgetrieben“, freut sich Beese. Eine Originalpackung Burkbraun-Radium-Schokolade suchten er und seine Kollegen bisher jedoch vergeblich. „Wenn uns jemand eine Schachtel zur Verfügung stellt, schenken wir sie danach dem Cottbuser Stadtmuseum“, verspricht er.

Zahnpasta und Schokolade sind für Beese die beiden schönsten Beispiele, um die absurde Begeisterung für das radioaktive Element zu zeigen, die jedoch dem damaligen Zeitgeist entsprach. Gezeigt werden sollen jedoch nicht nur Radium-Produkte, sondern auch technische Utopien, die sich durch die Technikgeschichte ziehen. „Es gab mal die Idee, den Wasserspiegel des Mittelmeeres abzusenken, um Land zu gewinnen und Europa und Afrika zu verbinden“, nennt Beese ein Beispiel.

Auch Herzschrittmacher seien in Deutschland anfangs mit radioaktivem Material als Energiequelle ausgestattet worden. In den 50er-Jahren träumten Ingenieure davon, mit Atomkraft Autos, Flugzeuge und Weltraumraketen anzutreiben. Die neue Super-Energie sollte helfen Wüsten in fruchtbares Land zu verwandeln und die unwirtliche Arktis zu erobern. In den 60er-Jahren wurde das erste deutsche Atomkraftwerk errichtet.

Später habe es bei vielen Menschen nicht nur eine Abkehr von der Atombegeisterung gegeben, sondern einen Wechsel von großer Technikgläubigkeit hin zu einer völligen Abkehr, so Beese. „Wir wollen mit der Ausstellung zeigen, dass Technik helfen kann, Probleme zu lösen, dass es aber immer davon abhängt, wie Menschen damit umgehen .“


Quelle: Lausitzer Rundschau

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