Normzahlenreihen und Rö-Belichtungstabellen

Wer kann das noch? Röntgen ohne Belichtungsautomatik

Karl-Heinz Szeifert 9 Jan, 2023 00:00

Zugegeben, das Thema klingt erstmal sehr trocken, theoretisch  und mathematisch. Dennoch - es wird sich lohnen - sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Zu Zeiten, als es noch keine Belichtungsautomatik gab (etwa bis in die 60er-Jahre), war die Kenntnis solcher Dinge für die exakte Belichtung von Röntgenaufnahmen unverzichtbar. Hat man das Prinzip aber einmal verstanden, wird das freie Belichten von Röntgenaufnahmen auch unter schwierigsten Bedingungen sehr schnell sehr einfach und unproblematisch.

1-Puls Generator Nanodor von Siemens (1969)

Die einstellbaren Werte für KV und mAs an den Röntgenschaltgeräten erhöhen sich nicht linear, das hat bestimmt jeder von uns schon mal festgestellt. Hat man sich aber auch schon mal gefragt, warum das so ist? Und welchen Regeln die Werteskale unterliegt?

Bis Ende der fünfziger Jahre wurden Röntgenaufnahmen frei belichtet. Es hing damals entscheidend von der Erfahrung der Röntgenassistentin ab, ob der Film korrekt belichtet war oder nicht. Dazu hatte die Industrie Hilfstabellen aufgestellt, die auf den Normzahlen aufbauten, denn mit diesen Normzahlen konnte und kann man auch heute noch schwierige Multiplikationen bzw. Divisionen zur Dosisberechnung auf einfache Additionen bzw. Subtraktionen reduzieren. In Belichtungspunkte (Logarithmen) umgewandelte mAs- und kV-Werte erleichterten die exakte Dosisberechnung immens.

Normzahlen, (die genormte Kurzbezeichnung lautet NZ), sind die gerundeten Werte einer geometrischen Reihe die, genau wie die Briggs’schen Logarithmen, auf der Basis 10 aufgebaut sind. (10er Logarithmus).

Die Normzahlen wurden von Charles RENARD, einem französischen Oberst, erfunden. Er benutzte diese geometrisch Reihe um die Abmessungen des Tauwerkes für Fesselballone zu minimieren und trotzdem den Gesamtbereich an Taugrößen für alle zu erwartenden Bedarfsfälle vollständig abzudecken. Ihm zu Ehren werden die Normzahlreihen mit R bezeichnet. Bekannte Normzahlenreihen sind R5, R10, R20, R40 und R80.

Die Reihe R10 bezieht sich dabei auf die zehnte Wurzel aus Zehn, was bedeutet dass nach 10 Multiplikations-Sprüngen das 10-fache des Ausgangswertes erreicht wird. (Zehnte Wurzel aus zehn = 1,2589)

Das heißt immer der vorhergehend berechnete Wert wird jedesmal mit 1,2589 multipliziert, wird also mit jedem Sprung jeweils um 25,89% größer. Nach 3-maligem multiplizieren hat sich so der Wert verdoppelt, nach 10-maligem multiplizieren hat sich der Wert so verzehnfacht.

Entsprechend würde die R20-Reihe auf die zwanzigste Wurzel aus 10 = 1,122 beziehen, was bewirkt, dass nach 6 Sprüngen sich der Ausgangswert verdoppelt und nach 20 Sprüngen verzehnfacht hat. Der vorhergehende Wert würde in dieser Reihe dann immer mit 1,122 multipliziert und dadurch um 11,22% größer.

Nach DIN 323 werden die so ermittelten Zahlen dann gerundet:

  • R5 auf 1,6
  • R10 auf 1,25
  • R20 auf 1,12
  • R40 auf 1,06
  • R80 auf 1,03

Belichtungspunkte für KV und mAsSchaut man sich jetzt die Werte in den mAs- und kV-Belichtungsskalen der Röntgenschaltgeräte an, wird man die Regel der R10 Normzahlenreihe wiederfinden. (Grafik rechts)

In der Röntgentechnik hängt die Menge der erzeugten Photonen, also das Produkt aus Photonenintensität mal Zeit, von der Dosis ab. Die Dosis wiederum hängt ab von der an der Röntgenröhre anliegenden Spannung (zwischen 50 und 150 Kilovolt) multipliziert mit dem Produkt aus dem Strom der durch die Röntgenröhre fließt (zwischen 10 und 1000 Milli-Ampere) und der Zeit in der Strahlung vorhanden ist (zwischen 1 Milli-Sekunde und 5 Sekunden). Dieses Produkt wird „mAs“ genannt (Milli-Ampere-Sekunden).

Da das mAs-Produkt linear in die Dosis eingeht, konnte man die Reihe (R10 = Zehnte Wurzel aus zehn) benutzen und die mAs-Werte durchnumerieren. Die Werte der mAs-Skala steigen also in Sprüngen von 25,89 % = gerundet 25 %., Die Dosis steigt also pro Punkt um etwa 25 %.

Die kV – Werte wurden ebenfalls durchnumeriert, wobei zusätzlich auch der Exponent berücksichtigt wurde, der sich mit steigender Spannung verkleinert, damit auch hier pro Punkt die Dosis um etwa 25 % steigt.

Die Strahlungsdosis einer Aufnahme ist das Produkt aus Röhrenstrom multipliziert mal Zeit und Röhrenspannung hoch 3 bis 5. Dies zu berechnen wäre etwas aufwendig. Einfacher geht es mit den Logarithmen. Dadurch dass man die mAs und kV in Punkte (=Logarithmen) umwandelt, ergibt sich die Dosis durch eine einfache Addition dieser Punkte und vereinfacht die genaue Belichtung der Aufnahmen immens.

Dosis = (mAs Punkte) + ( kV3...5 Punkte)= Punkte der Gesamtdosis.

Dabei gilt für die Spannung: Bei kleinen kV (40 bis 50 kV) ist der Exponent etwa fünf und bei hohen kV (120 bis 150 kV) ist der Exponent etwa drei. Daraus ersieht man, dass bei niedrigen kV eine Veränderung der kV sich viel stärker auf die Dosis auswirkt als bei hohen kV. Das kann man auch aus der kV-Punktetabelle ablesen:

  • Eine Steigerung von 40 auf 41 kV ist 1kV Differenz = 1 Punkt = +25,89% Dosis
  • Eine Steigerung von 60 auf 63 kV ist 3kV Differenz = 1 Punkt = +25,89% Dosis
  • Eine Steigerung von 141 auf 150 kV ist 9kV Differenz = 1 Punkt = +25,89% Dosis

Die Spannung (kV) gehen also nicht linear in die Dosis ein. Das mAs-Produkt hingegen geht linear in die Dosis ein.

Das bedeutet:

  • +1 kV-Punkt bedeutet +25,89 % Dosis - Steigerung, abgerundet +25%
  • -1 kV-Punkt bedeutet -20 % Dosis - Reduzierung,
  • +3 kV-Punkte bedeuten +100 % Dosis Steigerung, also eine Verdopplung.
  • -3 kV-Punkte bedeuten -50 % Dosis Reduzierung, also eine Halbierung.
  • +10 kV-Punkte bedeuten +1000 % Dosis Steigerung, also eine Verzehnfachung.
  • -10 kV-Punkte bedeuten -1000 % Dosis Reduzierung, also eine Zehntel.

Die mAs-Belichtungs-Punkte verhalten sich entsprechend.

Ein Punkt Dosis entspricht auch einer Graustufe, das heißt dem Unterschied in der Schwärzung, den ein radiologisch geschultes Auge gerade noch erkennt. Die kV sorgen für die Durchdringung durch den Patienten und die Charakteristik der Aufnahme, die mAs sorgen für den Kontrast der Aufnahme. Aber niedrige kV belasten den Patienten mehr als hohe kV, da diese energieärmer sind und dadurch mehr absorbiert werden.

Auch heute kann uns dieses Verfahren zur Berechnung der Belichtungsdaten – gerade in der digitalen Radiographie noch sehr behilflich sein.
Die eingespeicherten Werte in den Programmautomaten in der digitalen Radiographie sind in der Regel auf eine 400er Film-Folien-Empfindlichkeit ausgelegt. Will man digital eine Aufnahme, die der Empfindlichkeit einer 800er Empfindlichkeitsstufe entspricht erstellen, muss man die Belichtung lediglich um drei Punkte (bevorzugt mAs-Punkte) verringern und erhält eine Aufnahme mit der halben Belichtung. Bei bestimmten Fragestellungen darf man das sogar noch exzessiver betreiben, solange man die Fragestellung des Arztes, der die rechtfertigende Indikation gestallt hat, damit beantworten kann.
Auch die mit Belichtungsautomatik angefertigten Aufnahmen kann man so beeinflussen: Zum Beispiel mit der Schwärzungs- bzw. Korrekturtaste (manchmal auch Mogeltaste genannt). Auch hier bedeuten drei Punkte weniger eine Halbierung der Belichtung und somit auch eine Halbierung der Dosis. Drei Punkte mehr führen dagegen zu einer Verdoppelung der Belichtung bzw. Verdoppelung der Dosis!

Quelle: www.rechenschieber.org

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Kommentare

Gudrun Jurmann vor 1 Jahr

Hallo,
ein sehr schöner Beitrag. Ich bin auch im Ruhestand aber beratend noch tätig und musste erschreckend feststellen, dass es auch Kolleginnen gibt die nicht einmal etwas von Filmen/ Röntgenfilmen oder Bildaufbau wissen. Mich hat das zwar nicht wirklich gewundert aber ich bin immer wieder erschüttert mit welcher Selbstverständlichkeit nach 90h Röntgenkurs gearbeitet wird und dass es meist keine Fragen gibt. Ich frage mich da verzweifelt warum ich 3 Jahre gelernt habe und mir die Fragen bis heut nicht ausgegangen sind, MfG