Übergansfrakturen

Tillaux-Fraktur

Karl-Heinz Szeifert 6 Sep, 2018 00:00

Die Übergangsfraktur ist eine besondere Frakturform der epiphysären Verletzungen zum Zeitpunkt des Wachstumsfugenverschlusses. Durch teilweise Verknöcherung der Wachstumsfuge entstehen spezifische Frakturmuster, die sich von der typischen Innenknöchelfraktur bei noch weit offenen Fugen unterscheiden.

Fallbeispiel:

Patient ist am Vorabend beim Inlineskaten mit dem rechten Fuß nach innen umgeknickt. Seit dem Schmerzen. Schwellung und Hämatom über dem rechten Sprunggelenk. Schmerzhafte Bewegungseinschränkung des OSG.

Rö-Befund: OSG 2 Eb. - Erweiteter Syndesmosenspalt auf über 7 bis 8 mm. Aussprengung des Ansatzbereiches tibial der anterioren Syndesmose als schalenförmiger Ausriss im Sinne einer Tillaux-Fraktur.


Diagnostisch steht das konventionelle Röntgenbild im Vordergrund, das bei Verdacht auf eine Übergangsfraktur durch eine Schnittbildgebung sinnvoll ergänzt werden kann. Ziel der Therapie ist eine anatomische Gelenk - Rekonstruktion, um eine Früharthrose zu vermeiden.

Am häufigsten tritt sie am Schienbein oberhalb des oberen Sprunggelenks (distale Tibia) auf. Sie ist immer eine Gelenkfraktur, d. h. der Knochenbruch reicht bis ins Gelenk.

Etwa ab dem 10. Lebensjahr beginnt die körperferne Wachstumsfuge am Schienbein langsam von medial her zu verknöchern. Die Verknöcherung der Wachstumsfuge breitet sich dann vorn (ventral) und hinten (dorsal) schrittweise nach lateral aus, zuletzt verknöchert die Wachstumsfuge im Bereich der vorderen Syndesmose. Mit Beginn der Verknöcherung führt eine typische Supinationsverletzung mit Scherwirkung dann noch zu einer kindlichen Epiphysenlösung lateral, der Frakturverlauf wird aber an der Verknöcherung gestoppt und biegt dann in die Epiphyse und somit zum oberen Sprunggelenk um.

Damit hängt das morphologische Erscheinungsbild der Fraktur weniger vom Unfallmechanismus ab, als viel mehr vom Reifezustand der Wachstumsfuge. Entsprechend dem Grad der Mineralisation liegt die Fraktur umso weiter lateral, je weiter der Fugenverschluss fortgeschritten ist. Abhängig von der Lokalisation der Verletzung in Bezug auf die Wachstumsfuge, kann eine weitere Differenzierung in verschiedene Frakturtypen vorgenommen werden

Abhängig von der Zahl der Fragmente wird zwischen den sog. Twoplane- und Triplane-I bzw. II-Frakturen unterschieden, die vor allem vom Unfallmechanismus abhängig sind:

  • Abb. 2 Tillaux-Fraktur bei 14-jährigem Pat.
    Twoplane-Fraktur: rein epiphysäres Fragment. Bei Beginn der Verknöcherung mit etwa 10 - 11 Jahren kann fast die ganze Epiphyse einbezogen sein und der Frakturspalt befindet sich weit medial (intramalleolär). Mit fortschreitendem Fugenschluss findet sich der meist sagittale Frakturspalt zunehmend weiter lateral. Zuletzt besteht nur noch ein knöcherner Syndesmosen-Ausriss mit einem ventrolateralen Fragment. Diese letzte Form wird auch Tillaux -Fraktur genannt. Bei dieser Fraktur (siehe Abb.2) handelt es sich um eine Sonderform der Malleolarfraktur mit Läsion des Tuberculum tibiale anterius (sogenanntes Chaput Tillaux).
  • Triplane-I-Fraktur: Zusätzlich zur epiphysären Fraktur findet sich ein metaphysärer Keil am lateralen Fragment. Die metaphysäre Frakturlinie reicht jedoch nicht durch die Epiphyse.
  • Triplane-II-Fraktur: Wie bei der Triplane-I-Fraktur liegt eine zusätzliche metaphysäre Keilfraktur vor, diese setzt sich jedoch in die Epiphyse fort und führt dadurch zu zwei epiphysären Fragmenten. Das zweite Fragment liegt dorsal und entspricht einer Volkmann-Fraktur aus der Erwachsenen-Traumatologie.

Da die epiphysäre Fraktur auf den a.p.-Röntgenaufnahmen oft nur flau zu erkennen ist, wird sie gelegentlich übersehen.

Quelle: Axel Stäbler, Birgit Ertl-Wagner "Radiologie Trainer Bewegungsapparat"
Abb. 3

Wichtig ist bei einem metaphysären Keil (Triplane-Fraktur) nach einem dorsalen epiphysären (Volkmannartigen) Fragment zu suchen, da dieses operativ versorgt werden muss. Gegebenenfalls müssen Schrägaufnahmen, oder in seltenen Fällen eine CT-Untersuchung durchgeführt werden. Die Gefahr bei einem Klaffen des Frakturspaltes um > 2 mm ist eine spätere Arthrose oder Instabilität.

Sind die Fragmente nicht disloziert, ist eine konservative Therapie im Unterschenkelgips für meist vier Wochen mit Nachkontrollen möglich. Die seltenen dislozierten Frakturen und dorsale epiphysäre Fragmente (Triplane-II) sollten operativ reponiert und fixiert werden. Meist werden dazu Zugschrauben verwandt. Bei der Twoplane-Fraktur ist dazu eine horizontal in der Epiphyse liegende Schraube notwendig, bei den Triplane-Frakturen zusätzlich eine metaphysäre Schraube, die meist ventrodorsal liegt.


Quellen:

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