Die Röntgenassistentin im Jahre 1960

Als die technische Röntgenassistentin noch ein reiner Frauenberuf war....

Karl-Heinz Szeifert 19 Mar, 2019 00:00

Unbestritten ist das "Lehrbuch der röntgendiagnostischen Einstelltechnik" begründet von Marianne Zimmer-Brossy" ein Standardwerk, das auch heute noch in vielen Radiologischen Abteilungen verwendet wird.

Mittlerweile liegt die 6. überarbeitete Ausgabe vor. Diese unterscheidet sich natürlich in vielen Punkten vom Inhalt der Erstauflage, die 1960 erschien.

Die Älteren unter uns werden diese erste Ausgabe möglicherweise noch besitzen oder sich vielleicht an das erste Kapitel dieser Ausgabe erinnern. Vielleicht liegt das Werk ja auch noch in irgendeiner verstaubten Ecke in der Röntgenabteilung herum. Aus heutiger Sicht ist es durchaus noch interessant und zum Teil auch amüsant einen Rückblick in das Berufsbild der Vorgängerinnen des MTRA-Berufs zu wagen.

Hierzu gibt das erste Kapitel dieser Erstauflage einen guten Einblick in das Erscheinungsbild der technischen "Röntgenassistentin" der damaligen Zeit. Und das war zu dieser Zeit nahezu ein reiner Frauenberuf. ...

In den späteren Auflagen, des heute immer noch als Standardwerk geltende Buches über die röntgendiagnostische Einstelltechnik, wurde dieses Kapitel dann aber als nicht mehr zeitgemäß herausgenommen. Heute findet man die Erstauflage kaum noch. MTA-R.de will seinen Lesern dieses Kapitel nicht vorenthalten. Und möge sich doch jeder selbst seine Meinung darüber bilden, ob die damaligen oder die heutigen Zeiten die besseren sind!


Die Themen in Kap. 1:

  • 1. Technische Röntgenassistentin als Frauenberuf

  • 2. Vorbildung und Vorbedingungen zum Beruf der Röntgenassistentin

  • 3. Die Ausbildungsmöglichkeiten an Röntgeninstituten

  • 4. Gefahren und Schutzmöglichkeiten in einem Röntgenbetrieb

  • 5. Das äußere Auftreten einer Röntgenassistentin

  • 6. Der Umgang mit Kolleginnen

  • 7. Der Umgang der Röntgenassistentin mit Ärzten

Nachstehend eine Abschrift von Kapitel 1 des "Lehrbuches der röntgendiagnostischen Einstelltechnik" begründet von Marianne Zimmer-Brossy" aus dem Jahr 1960.


1. Technische Röntgenassistentin als Frauenberuf

Nach Zimmer Brossy war damals die Röntgenassistentin im Röntgenbetrieb etwa mit dem was die Stewardess im Flugzeug war:

  • Stets bereit zu freundlichen, aber dennoch selbstbewussten Diensten am Klienten
  • stets bereit zur exakten Durchführung ihrer Aufgabe,
  • jeder Vorschrift des Chefarztes folgend
  • keine Mühe ist ihr zu viel, keine Arbeit zu groß

Organisatorische Fähigkeiten verschaffen ihr die besondere Wertschätzung von Vorgesetzten. Die Röntgenassistentin ist so klug, im Leben wie im Beruf die eigenen Grenzen zu kennen, zu achten und sich dennoch voll zu entfalten.

Das Beglückende dieses Berufes ist nicht etwa das Bilderknipsen, sondern der freundliche Kontakt mit den vielen Menschen: leidenden, hoffenden, glücklich genesenden.

Mag der Aufgabenkreis einer technischen Assistentin je nach dem Betätigungsfeld auch unterschiedliche Aspekte aufweisen und von Ort zu Ort verschiedenartig sein, die Grundlagen ihres Handelns bleiben dennoch stets die gleichen: Hilfsbereitschaft und Verständnis für den Leidenden, den Heilung suchenden Menschen, und zwar unablässig Tag für Tag, Beherrschung einer guten Röntgentechnik, die auch auf die Gegebenheiten bei Schwerkranken Rücksicht nimmt und Vorbedingung einer exakten Diagnose ist, Sinn für Planung gemeinsamer wie eigener Arbeit und sympathisches kollegiales Verhalten gegenüber den Mitarbeitern, Interesse an der Wahrung des guten Rufes des Instituts und seiner Arzte."

So verstanden ist der Beruf der Röntgenassistentin ein medizinisch-technischer Frauenberuf besonders glücklicher Prägung.

2. Vorbildung und Vorbedingungen zum Beruf der Röntgenassistentin

Gefordert wurden in dem Buch von Marianne Zimmer-Brossy außer guter Schulbildung vor allem einige Kenntnisse in Physik, Chemie und in Sprachen. Mit der Empfehlung, dass jeder Chef unter zwei Anwärterinnen wohl jene wählen wird, die außerdem noch Maschinenschreiben und Stenographie beherrscht. Ferner sei es von vielen Ärzten erwünscht, wenn die Bewerberin sich zumindest mit Grundkenntnissen im Buchhaltungswesen ausweist. Weiterhin müsse, wie in jedem medizinisch-technischen Beruf, die Anwärterin mit Krankenpflege vertraut sein, vor allem im Umgang mit Schwerverletzten und Schwerkranken, mit den ersten Maßnahmen bei einem Notfall, mit Hygiene und Sauberkeit, sowie Pflege der Instrumente.

Auch auf die Schweigepflicht wurde damals schon großer Wert gelegt: So schreibt Zimmer-Brossy in der Erstauflage des Buches zu dem Thema: "Schon eine Röntgenschülerin, nicht erst die Assistentin, reiht sich mit Ärzten, Geistlichen, Rechtsanwälten in jene Gruppe Menschen ein, die zur Schweigepflicht angehalten sind. Ärzte und ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge, ihres Berufes anvertraut worden ist, oder das sie in seiner Ausübung wahrgenommen haben, werden bestraft. Die Verletzung des Berufsgeheimnisses ist auch nach Beendigung der Berufsausübung oder des Studiums strafbar.

Man muss über alles schweigen, was man in der Praxis erfährt oder beobachtet, also nicht nur über das Medizinische, sondern auch über alles was man über die persönlichen Verhältnisse eines Patienten hört. Man muss schweigen nicht nur Bekannten. sondern auch allernächsten Verwandten gegenüber."

3. Die Ausbildungsmöglichkeiten an Röntgeninstituten

Für die in einem medizinischen Betrieb noch unerfahrene Röntgenassistentin ist von Interesse zu erfahren, in welcher Art, durch welche Aufgabe und welche Organisation sich die einzelnen Institutsgruppen unterscheiden. Sie kann sich dann darüber klarwerden, für welchen Institutsbetrieb sie wohl am ehesten geeignet ist. - Das Universitätsröntgeninstitut hat einen sehr großen Patientenkreis. Neben der üblichen Arbeit werden hier umständliche und oft zeitraubende Untersuchungen durchgeführt, mit allen der Röntgendiagnostik zur Verfügung stehenden Mitteln. Diese Institute pflegen speziell auch die Forschung, vielfach mit hohem Einsatz an Personal. Ein derartiger Großbetrieb erfordert jedoch Dezentralisation. Und damit kann die Arbeit der Einzelnen eventuell recht eintönig sein. Je nach ihrer Aufgabe, während Wochen, Monaten hat sie z. B. fast nur Lungen- oder nur Schädelaufnahmen anzufertigen. Die Tätigkeit wird also keineswegs immer so interessant und vielgestaltig sein wie vielleicht das Institut als solches. - Röntgeninstitute in großen Krankenhäusern erfüllen ähnliche Aufgaben, jedoch spielt die Forschung in der Regel eine geringere Rolle. - Mittelgroße Krankenhäuser sind ganz besonders auf gute Ausbildung ihrer Röntgengehilfinnen angewiesen, da fast alle üblichen Standardmethoden zur Anwendung kommen. Dagegen wird weniger Wert, auf die Spezialverfahren mit zeitraubender instrumenteller Arbeit gelegt. - Ähnliches gilt für große wie auch für kleinere Privatinstitute. Neben fachlichem Können verlangen diese von einer Röntgenassistentin vor allem Liebenswürdigkeit und gute Umgangsformen im Verkehr mit den Patienten. In diesen Instituten ist meist eine erfahrene Vorgesetzte vorhanden, die ein Neuling dann bei schwierigen Aufnahmemethoden zu Hilfe holen oder um Rat fragen kann. - In den kleinen Krankenhäusern werden praktisch nur Aufnahmen mit den üblichen Standardmethoden gemacht. Leichte wie schwere Fälle werden zugewiesen. Die Röntgenassistentin arbeitet weitgehend selbständig und disponiert frei.

Oft ist sie fast, ganz auf sich selbst angewiesen, da mitunter nicht einmal ein Röntgenarzt vorhanden ist. Solche Betriebe eignen sich speziell für "Röntgenfräuleins", die nicht nur selbständig, sondern auch gerne allein arbeiten.

Dies bringt jedoch mit sich, dass auch die Freizeit oft geschmälert ist und dass vor allem der Sonntagsdienst eine starke Beanspruchung darstellt. - Beim praktischen Arzt hat eine Röntgenassistentin in der Regel nur geringe Ausbildungsmöglichkeiten.

4. Gefahren und Schutzmöglichkeiten in einem Röntgenbetrieb

Die Folgen unsachgemäßer Handhabung mit ionisierenden Strahlen waren bereits bekannt, das Atomzeitalter hatte begonnen und so schrieb und empfahl Zimmer-Brossy damals im Jahre 1960:

„Dieses Kapitel muss auf den ersten Seiten des Buches untergebracht werden, ist es doch für die Berufswahl mit entscheidend und im Zeitalter der Atomphysik von erhöhtem Interesse. Die Pioniere opferten seinerzeit ihr Leben, bis man die Gefahr der Röntgenstrahlen erkannte. Unachtsamkeit und Leichtsinn führten auch später noch zu groben Störungen der Gesundheit beim Röntgenpersonal. Es wurden Schädigungen der blutbildenden Organe, der Keimdrüsen von Mann und Frau (bei letzterer in Form von schweren Menstruationsstörungen) beobachtet und in vereinzelten Fällen auch die Folgen von Keimschädigungen, nämlich Anomalien und Missbildungen der Kinder. Aber diese Zeiten sind vorbei, denn nur bei sträflichem Leichtsinn und vollständigem Außerachtlassen der strengen Strahlenschutzmaßnahmen und -vorschriften kann dies noch vorkommen.

Wie der Elektriker einen Stromunfall, der Bergmann die schlagenden Wetter zu vermeiden und sich davor zu schützen weiß, so muss sich eben auch die Röntgentätige vor Strahlenschädigungen bewahren: Durch Beachtung der Strahlenschutzregeln, deren Studium hier angelegentlich empfohlen sei.

Wenn die Röntgentätigkeit bei einem praktischen Arzt oder Nicht-Röntgenspezialisten diesbezüglich noch eher Gefahren bieten kann, so ist dies sicher nicht der Fall in einem modernen Röntgeninstitut, wo sämtliche Strahlenschutzeinrichtungen vorhanden sind und wo regelmäßige Kontrollen über die Strahlengefährdung durchgeführt werden. Bei Verwendung moderner Apparaturen und bei Wissen und vor allem bei Beachtung von Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen ist das Risiko einer Strahlenschädigung äußerst gering.

Erfahrene Röntgenassistentinnen haben die Pflicht, jungen Röntgenschülerinnen die strahlensicheren Orte im Institut zu zeigen und sie als erstes in die Verhaltungsmaßnahmen einzuführen.

Die Prüfung der Strahlengefährdung des Personals wird in den Röntgeninstituten, in regelmäßigen Zeitabständen vorgenommen. Daneben werden auch regelmäßig Kontrollen des Blutbildes durchgeführt. Eine Verminderung der Zahl der weißen Blutkörperchen, eine sogenannte Leukopenie, kann ein Frühsymptom einer Strahlenschädigung sein, vor allem wenn die Verminderung nach monatelanger Konstanz der Blutkörperchenzahl auftritt. Sie muss es aber nicht sein, da eine Leukopenie oft, ja meist aus ganz anderen Ursachen entsteht.

Die große Empfindlichkeit, der Keimdrüsen gegen Röntgenstrahlen erfordert natürlich besondere Vorsicht. Die allermeisten Menstruationsunregelmäßigkeiten haben aber ganz andere Ursachen als eine Röntgenschädigung.

Erbschädigungen sind bei richtigem Verhalten der Röntgenassistentin während ihrer Arbeit, ohne weiteres vermeidbar.

Es ist auch bekannt, dass, von wirklich ganz vereinzelten Ausnahmen abgesehen, in Ehen sowohl von Röntgenärzten als auch von Röntgenassistentinnen absolut, normale Kinder geboren werden; ja selbst Kinder aus Ehen zwischen Männern und Frauen, die beide jahrelang im Röntgenbetrieb gearbeitet haben, weisen keinerlei Erbschädigungen auf.

Zusammenfassend dürfen wir also nochmals wiederholen: Die Gefahr einer Röntgenschädigung besteht für eine korrekt arbeitende technische Assistentin praktisch nicht!

5. Das äußere Auftreten einer Röntgenassistentin

Natürlich wurde auch das zu damaliger Zeit geforderte äußere Auftreten einer Röntgenassistentin beschrieben. Wie das nach Zimmer-Brossy in den 60er Jahren auszusehen hatte, darüber handelt der nächste Punkt.

Jeder Frau - nicht nur dem Mannequin - steht es gut an, gepflegt zu sein und als Dame sympathisch zu wirken. Bei einer berufstätigen Frau aber weiß man dies besonders zu schätzen, ist einem doch klar, dass sie sich früh morgens extra Zeit reservieren muss, um dies zu erreichen. Als Mann freut man sich, dass sie sich trotz ihrer oft strengen beruflichen Inanspruchnahme diese Zeit nimmt.

Jede Frau ist sich bewusst, dass gepflegte Haare ihr zur Zierde gereichen. Für eine vielbeschäftigte Röntgenassistentin ist es jedoch geradezu eine Pflicht, dass sie untertags stets sauber frisiert erscheint. Wenn sie sich während der beruflichen Arbeit über den Patienten beugt, so schaut dieser unwillkürlich ihre Haare an und macht sich seine Gedanken über schlecht gefärbte, über schuppige Haare oder eine zerzauste Frisur.

An Krankenhäusern und Instituten wird oft das Tragen einer Kopfhaube verlangt: im Operationssaal ist dies nötig, in der Röntgenabteilung nicht, wenn die Vorbedingungen erfüllt sind, d. h. wenn das Personal mit gepflegter Frisur erscheint. Wünscht jedoch ein Chef bei der Arbeit eine Kopfbedeckung, so ist selbstverständlich, dass auch diese etwas flott getragen werden soll, und vor allem, dass die Haare trotzdem gut gekämmt sind.

Man vermeide es aber auch, übermäßig aufgeputzt und mit zuviel Make-up zu erscheinen. Wenig wirkt besser als viel. Lippen mit zu stark aufgetragenem Rouge bieten einem Kranken keinen sonderlich erhebenden Anblick.

Mit dem Lackieren der Fingernägel sei die Röntgenassistentin zurückhaltend. Eine schön gepflegte Hand mit sauber geschnittenen Fingernägeln wirkt mindestens so schön, wie wenn die Nägel mit einem dezenten Rot lackiert werden.

Ungepflegte lange Fingernägel wirken andererseits genauso unschön wie rote, die sich fleckig entblättern. Gelb gefärbte Finger, wie sie die ,,leidenschaftlichen'' Raucherinnen aufweisen, wirken bei einer Röntgenassistentin abstoßend. Bei ihr kann die gelbe Verfärbung aber auch beim Manipulieren mit bloßen Fingern im Entwickler und im Abschwächer entstehen. Sie vermeide beides.

Eine Röntgenassistentin muss überhaupt sauber aussehen. Der weiße Mantel muss häufig gewechselt werden, denn der Patient identifiziert nicht ohne Grund die saubere Schürze mit hygienisch und mit medizinisch sauberer Arbeit.

Es wirkt grotesk, in der Freizeit prächtig geputzt zu erscheinen und „aufgetakelt'' wie ein Schlachtschiff bei der Flottenparade, und im Institut, im Beruf, also während der längsten Zeit des Tages mit einer vor Schmutz und gelben Entwicklerflecken starrenden Schürze herumzulaufen, dass man meinen könnte, es habe ein Kampf im Urinlaboratorium stattgefunden.

Ein Patient kann sich nicht, vorstellen, dass ein Mädchen mit solch unsauberer Schürze hygienisch arbeitet, zumal er doch aus dem Kino gewöhnt ist, das Spitalmilieu unter einem anderen Aspekt zu sehen.

Man achte auch darauf, dass die Kolleginnen sauber gekleidet sind, denn schon ein ,,Schwarzes Schaf'' kann dem Ruf eines Institutes empfindlich schaden. Es ist übrigens ganz abgesehen von alledem viel sympathischer, in gepflegter Atmosphäre zu arbeiten.

6. Der Umgang mit Kolleginnen

Die allgemeinen Regeln über das Verhalten im Berufsleben und überhaupt in der menschlichen Gemeinschaft gelten auch in einem Röntgenbetrieb. Es bewährt sich, immer freundlich und sachlich zu allen und zu jedem zu sein. Stößt man einmal aus irgendwelchem Grunde auf Ablehnung, dann kümmert man sich nicht darum und bleibe korrekt, höflich, selbstsicher und damit auch selbständig.

Zu engen Freundschaften ist auszuweichen, denn solche Bindungen sind sehr oft Vorläufer späterer Differenzen.

Dagegen ist eine kameradschaftliche Verbundenheit sehr wohl am Platze.

Beim Eintritt, in ein anderes Institut wird man oft von allzu Wissbegierigen sowohl über die eigene Person als auch über den vorhergehenden Arbeitsort ausgefragt; Schwächen werden sofort, aufgespürt, und es wird versucht, die Neuankommende einer bestehenden Clique beizugesellen. Nicht selten bedauert man später, wenn man die Verhältnisse besser kennt, früher etwas erzählt zu haben. Institute mit viel Geschwätz und ausgedehnten Teestunden haben zudem eine geringe Arbeitsleistung.

Den Montagmorgen beginnt man mit Arbeit, und nicht mit der interessanten Schilderung des Weekends. Überhaupt erzählt man nicht aus seinem Privatleben und weiche auch diesbezüglichen Fragen aus.

Es könnte eines Tages nämlich schwierig und mühsam werden, wenn mall plötzlich nicht mehr darüber berichten wollte.

Prinzipiell gewöhne man sich daran, an der eigenen Arbeit zu bleiben - ist aber auch einer Kollegin behilflich, wenn sie mit Arbeit überbelastet ist, während man selbst unbeschäftigt ist. Hilft man einer Kollegin, so nimmt man ihr nicht die besonders geschätzte Arbeit ab, sondern leiste Zubringer- und Transportdienste oder kümmere sich um das Ergehen ihres Patienten. Überschwänglichkeit und allzu freundliches Getue ist dabei nicht am Platz, wohl aber Freude zum Glück einer gemeinsamen und fruchtbringenden Arbeit.

Erwünscht ist ferner das Bestreben, Gegensätze und Spannungen in einem Institut, auszugleichen - etwa mit einem rechten Wort am rechten Platze.

In der Arbeit liegt bei der berufstätigen Frau ihre Lebensaufgabe.

Wir sprachen schon davon, dass ein Institut eine Gemeinschaft von äußerlich sauber gekleideten, aber auch von innerlich sauberen Menschen sein soll. Es passt nicht zu Damen, sich faule und anrüchige Witze zu erzählen und dies noch in einem medizinischen Betrieb.

Ebenso vermeidet man jedes Privatgespräch mit einer Kollegin vor dem Patienten, insbesondere wenn es andere Institutsmitglieder oder gar Ärzte betreffen sollte.

Die erste, also die leitende Röntgenassistentin hat im Institut eine oft missverstandene, sehr mühsame und schwierige Position. Sie hat diese Stellung wegen ihrer Qualitäten und Tüchtigkeit inne, nicht, weil sie beim Tee am meisten zu berichten wusste. Sie ist von ihren Vorgesetzten geschätzt, weil sie besonders gut röntgen kann und sich Mühe gibt, auch seltene Aufnahmen zu beherrschen. Weil sie außerdem fotographieren, gut kopieren, Diapositive anfertigen kann, weil sie Maschinenschreiben und Stenographie beherrscht, sich organisatorisch und administrativ zu helfen weiß, weil sie dafür sorgt, dass die Patienten nicht zu lange warten müssen, dass sie bei der Untersuchung warm haben, so angenehm wie möglich gelagert sind, weil sie den Chef an alles erinnert, was er noch zu tun hat und nicht vergessen darf, weil sie die Wasserhähne nach Feierabend kontrolliert, und schließt, das brennende Dunkelzimmerlicht löscht, weil sie merkt, dass nicht alle Filme rechtzeitig expediert worden sind und dies nachholt.

Die leitende Röntgenassistentin kann dem Chef alle Auskünfte geben, weil sie sich für alles interessiert, weil sie denkt und plant und alle Aufträge zuverlässig erledigt. Kurz, sie ist eine berufstätige Frau, die besondere Begabung und Freude in ihrem Beruf hat.

Verfügt aber eine erste Assistentin nicht über kollegiale Mitarbeiterinnen, die ihr helfen für das Institut zu sorgen, und ihr eine Stütze in der schwierigen Aufgabe sind, so wird sie leider bald isoliert dastehen und kann ihrer Funktion nicht mehr gerecht werden. In solchen Fällen muss aber klar erkannt werden, dass es nicht die Unfähigkeit der ersten Assistentin ist, sondern die der anderen.

Wenn aber diese anderen selbst einmal an die Stelle der ersten Assistentin vorrücken, glauben sie vielleicht – aber nur anfänglich – alles gütlich arrangieren zu können, ganz anders als die bisherige, merken dann jedoch bald einmal, wie rasch sie an Autorität verlieren. Diese Erfahrung macht jede; dass man streng mit sich selbst sein muss, aber auch im Institut eine gewisse Strenge und Disziplin im Interesse der Patienten und des Instituts walten lassen muss. Jetzt erkennt sie, was es heißt, ein missliebiger Feldwebel zu sein, der von morgens bis abends dies und jenes beanstanden muss, der von den Bequemen gehasst wird, weil er alles kontrolliert, und der vor einem strengen Wort nicht zurückschrecken darf. Sie sieht nun ein, dass ihre Vorgängerin die Kontrollen nicht vornahm, um wieder einmal schimpfen zu können, wie sie dies angenommen hatte, und sie versteht jetzt, warum man in Zorn gerät, wenn man erfolglos ein dutzendmal das gleiche gesagt hat.

Die erste Röntgenassistentin hat die Pflicht, ihrem Chef die Vorkommnisse im Institut zu melden, sie ist deshalb nicht eine intrigante Angeberin, sondern tut dies, weil sie dem Chef verantwortlich ist für ordnungsgemäßes Funktionieren des Institutes. Ihre Aufgabe ist schwierig. Man vermeide, von ihr ein unfreundliches Wort bekommen zu müssen indem man selbst mitdenkt und mit Interesse und Geschick arbeitet. Man halte sich stets vor Augen, das sie für Fehler vom Chef verantwortlich gemacht wird und dabei Rügen einkassieren muss, die vielfach gar nicht sie, sondern ihre Kolleginnen betreffen und die sie dann weiterzugeben hat. Es gibt jedoch Menschen, denen es sehr schwer fällt zu rügen, die vor lauter Hemmungen ihre Scheu überkompensieren und dann trotz ihrem weichen Herzen den Tadel in einer solchen Form vorbringen, dass er fast verletzend wirkt. Auch Rügen muss gelernt werden, es ist schwerer, als manche junge Röntgenassistentinnen es sich vorstellen. Die Rügende leidet bisweilen mehr als die Gerügte. Darum hilft man mit, dass im Institut möglichst wenig gerügt werden muss. Gibt die Arbeit dennoch einmal Vorwürfen Anlass, so ist dies weder ein Grund zum Schmollen noch zur Gleichgültigkeit, sondern einzig zum Bessermachen.

Die Institutsarbeit spielt nur dann, wenn alle Mitglieder - von dem ersten bis zum letzten - ihre Pflichten erkennen und sie ernst nehmen.

7. Der Umgang der Röntgenassistentin mit Ärzten

Im Teamwork eines Röntgeninstituts ist der Arzt die Hauptperson. Die Röntgenassistentin hat dafür zu sorgen, dass er diese Stelle voll und ganz einnehmen kann. Sie muss ihn in seiner Tätigkeit röntgentechnisch, organisatorisch und administrativ unterstützen. Die Assistentin hat sich seinen Anordnungen zu unterziehen.

Sie handelt selbstständig nur auf ihrem ureigenen Gebiet, und durch ihre Gewissenhaftigkeit schafft sie ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Vorgesetzten. Ihr gutes Gedächtnis ist ihm bei seiner Überbeanspruchung eine wichtige Hilfe und macht ihn Röntgenfräulein in Aktiondankbar. Sie erleichtert ihm ferner die Kontrollarbeit im Institut und meldet technische Fehler an einem Apparat, oder im Dunkelzimmer, sowie administrative Irrtümer. Stets ist sie darauf bedacht, wie der Betrieb des Instituts in irgendeiner Beziehung verbessert oder vereinfacht werden kann. Sie erleichtert ihrem Chef auch den Umgang mit seinen Patienten, indem sie bei dessen Eintritt in den Untersuchungsraum den Namen nennt und sogleich meldet, wenn der Patient schon einmal im Institut war. Sie sorgt dafür, dass die Anamnese richtig aufgenommen wird, und vermerkt Besonderheiten, die ihr bei einem Patienten aufgefallen sind. Dadurch kann sie dem Röntgenarzt, bei seiner Diagnosestellung behilflich sein.

Sie unterstützt den Chef, wo sie nur kann, und räumt alles aus dem Wege, was ihn diagnostisch zu einer Fehldeutung führen könnte.

Die Chefärzte sind natürlich charakterlich recht unterschiedlich, jeder hat seine eigene Prägung und verlangt, entsprechend ,,genommen" zu werden. Eine gute Assistentin ordnet sich mit psychologischem Verständnis ein.

Der Chef muss als Mensch und als Arzt Achtung genießen, - seine Besonderheiten sind nicht mit stillen Wutanfällen zu überbrücken, sondern die Assistentin soll sie von der humorvollen Seite nehmen, ohne aber je einmal verletzend zu sein. Menschliche Schwächen des vielbeschäftigten Arztes sollen auch nicht im engsten Kreise hervorgehoben oder durch eine karikierende Schilderung gebrandmarkt werden.

Man vergesse nie, welche Schwierigkeiten einem Chef durch seine Untergebenen erwachsen können, ganz besonders wenn diese an ungerechtfertigter Überheblichkeit leiden. Differenzen mit dem Vorgesetzten trägt man diesem persönlich in möglichst sachlicher Weise vor und diskutiert sie nicht mit abfälligen Bemerkungen im Kolleginnenkreis. Pflegt der Arzt noch Forschungsarbeiten, so unterstützt man ihn darin, und wird bald erkennen, wie wissenschaftliche Tätigkeit auch für eine Mitarbeiterin interessant sein kann.

Das Röntgeninstitut ist nicht der Ort, um mit Assistenzärzten zu scherzen, sondern um Patienten zu untersuchen

Unter den Assistenzärzten trifft man solche mit glänzender Ausbildung. Großem Wissen, charmantem Auftreten und andere, die Anfänger sind und noch alle Mühe haben, diagnostisch klar zu sehen. Sie verbergen manchmal - fälschlicherweise, aber menschlich verständlich - ihre Unwissenheit unter einer groben äußeren Schale. Sogar in solchen Fällen muss man versuchen. sich einzufühlen und lernen, all die verschiedenen Menschen richtig zu ,,behandeln". Manchmal hat sich übrigens ein solches Raubein später als besonders wertvoller Mensch entpuppt.

Im Umgang junger technischer Röntgenassistentinnen mit Assistenzärzten muss ein Rat, beherzigt werden: Privatleben und Beruf sind strikte voneinander zu trennen!

Ein großes Getue mit den jungen Ärzten wirkt meist lächerlich. Das Röntgeninstitut ist nicht der Ort, um mit Assistenten zu scherzen, sondern um Patienten zu untersuchen. Wer klug und vielleicht auch nicht ganz unerfahren ist, vermeidet Privatgespräche und sonnt sich nicht im Pseudoglanz als ,,vergötterte Röntgenfee" (über deren Gehabe sich die Assistenten am Mittagstisch lustig machen). Als Chefarzt erhielt ich Verlobungsanzeigen meistens von Assistentinnen, bei denen man von einer festen Bindung weder wusste noch daran dachte oder nur ein kleiner Kreis sie vermutete. Gehilfinnen, von denen am nächsten Morgen im Institut alle genau erfahren, was am Abend „gelaufen" ist, sind ,,Theoretiker". Auch ein junger Arzt erkennt ohne weiteres, dass eine Röntgenassistentin für ihn wertvoller ist, wenn sie ihren Beruf ernst nimmt und sich um ihre Kranken kümmert, auch wenn sie mit ihm im Institut nicht scherzt.

Im Umgang mit Assistenten muss die Röntgenassistentin aber auch lernen, eine absichtlich oder unabsichtlich eingeflochtene hämische Bemerkung zu ignorieren und ihre eigenen Bemerkungen zu unterdrücken. Assistenten kommen in der Regel zur Ausbildung in ein Röntgeninstitut. Ein junger Arzt, der z. B. eine Fraktur im Röntgenbilde nicht erkennt, ist deshalb noch lange nicht als unfähiger Dilettant, zu verschreien, da er auf anderen medizinischen Gebieten durchaus tüchtig sein kann. Es ist vielmehr die Aufgabe der Röntgenassistentin ihm zu helfen, in einer netten und vor allem diskreten Art. Hat sie den Eindruck, dass er einen Knochenbruch nicht erkannt hat, so kann sie ihn fragen, ob dies wohl eine Fraktur wäre. Vielleicht ist er im Stillen dankbar, vielleicht wird er es aber auch nicht zeigen wollen, ja eventuell sogar unwirsch werden, weil er sich blamiert fühlt. Aber auch wenn er unfreundlich auftritt, darf sie dies nicht tragisch nehmen. Das Wohl des Patienten steht immer im Vordergrund.

Die Diagnostik von Röntgenassistentinnen ist übrigens oft ein betrübliches Kapitel, da ihnen ja jede gründliche medizinische Ausbildung fehlt.

Es gibt zwar technische Assistentinnen, die gute Beobachter sind, die zusammen mit ihrem Chef die Filme aufmerksam studieren und dann auch einen erfahrenen Arzt, der einen Film nur flüchtig betrachtet hat, auf dieses oder jenes hinweisen können. Dass dies aber in diskreter Form zu geschehen hat, muss immer und immer wieder betont werden. Man vermeide es, sich bei den Kolleginnen so aufzuspielen, dass diese tatsächlich glauben, man könnte sich auf dem glatten Parkett röntgenologisch- medizinischer Diagnostik ungehemmt bewegen und würde sogar mehr verstehen als der Arzt. Viel wichtiger ist es und genügt vollauf, dass von der Röntgenschwester das Bild technisch beurteilt wird, ob es richtig exponiert und ob es richtig zentriert worden ist.

Externen Ärzten gegenüber ist die gleiche Zurückhaltung zu pflegen. Man vermeidet, sich beruflich oder privat irgendwie hervorzuheben, ist höflich und freundlich, wie es das Interesse des Institutes erfordert. Denn der Umgang mit zuweisenden Ärzten hat, natürlich ebenfalls seine Auswirkungen auf den Ruf eines Institutes. Auch hier muss man sich hüten, sich in medizinische Diagnostik einzulassen oder dem Drängen eines röntgenologisch unkundigen Arztes nachzugeben und zu sagen, dass man dieser oder jene Diagnose vermute.

Es kann nämlich der Röntgenassistentin leicht passieren, einen Querfortsatzbruch anzunehmen, wo nur eine Lendenrippe vorliegt.

Welch ungünstigen Eindruck dies dann beim fragenden Arzt, beim Patienten wie auch beim Chef erwecken muss, ist offenkundig, und später wird niemand mehr davon sprechen, dass der Satz mit ,,Ich glaube, es ist" begonnen worden war.


Quelle: Erstes Kapitel: "Technische Röntgenassistentin als Frauenberuf" von Zimmer Brossy - Lehrbuch der röntgendiagnostischen Einstelltechnik 1.Aufl 1960

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Kommentare

Claudia Görtz vor 7 Jahre

Hier steht vieles geschrieben, dass ich auch in der heutigen Zeit als durchaus zutreffend bezeichnen würde!